Elternrat: Big Five – Die fünf Persönlichkeitsmerkmale des Menschen

Elternrat Persönlichkeitsmerkmale

Frage: Ich habe zwei Kinder. Beide könnten nicht unterschiedlicher sein. Was bei einem Kind hervorragend funktioniert, funktioniert beim anderen nicht. Beispielsweise ist das eine Kind sehr ordnungsliebend und das andere Kind völlig chaotisch. Was kann ich machen?

Seit Beginn der Erziehungswissenschaft treibt es die Forschungswelt um, genau diese Frage zu beantworten: Was ist angeboren, was ist anerzogen? Oder: Wieviel Einfluss habe ich mit Hilfe von Erziehung? Ich möchte dieses weite Feld heute nicht beschreiben, sondern auf einen Aspekt, psychologisch gesehen, eingrenzen: die fünf Persönlichkeitsmerkmale des Menschen.

Seit 1930 wird in der Psychologie zu diesem Thema geforscht und es kann auf gut abgesicherte Daten zurückgegriffen werden. Diese angeborenen Persönlichkeitsmerkmale spiegeln sich auf den Ebenen der individuellen Wahrnehmung und Verhaltensweisen einer Person wider, bei Interaktionsmustern und Bewältigungsstrategien bis hin zur Verankerung im gesamten Nervensystem. 

Die Dimensionen im Überblick:

  1. Extraversion vs. Intraversion (worauf wir unsere Energie richten)
  2. Hart vs. kooperativ (wie wir interagieren)
  3. Theoretisch vs. praktisch (wie wir denken)
  4. Geplant vs. spontan (wie wir leben)
  5. Emotionale Stabilität: empfindlich vs. resistent (wie wir empfinden)

Dabei gibt es sehr ausgeprägte Verhaltensweisen und auch Mischtypen.  

1. Extraversion vs. Intraversion

Extravertierte Menschen sind in der Regel gesellige Menschen, sie suchen den Kontakt zu anderen Menschen, knüpfen schnell Freundschaften und ziehen ihre Energie im Zusammensein mit anderen  Menschen heraus. Sie erscheinen eher selbstbewusst, zeigen ihre Gefühle deutlich nach außen und leben ihre Gefühle sichtbar für alle aus. Sie brauchen immer einen Menschen um sich herum. Alleinsein ist die höchste Qual.

Introvertierte Menschen brauchen viel Zeit für sich und stetige Rückzugsorte. Im Kontakt sind sie zurückhaltend und beschränken sich auf ausgesuchte, wenige Menschen. Sie sind sich selbst genug und sind gerne alleine. Ihre Gefühle zeigen sie nicht und lösen ihre Probleme gerne, ohne andere um Hilfe zu bitten.

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Wie zeigt es sich bei Ihrem Kind: 

Extrovertierte Kinder sind eher unruhig, langweilen sich schnell und es muss ständig etwas los sein. Sind keine anderen Kinder da, werden die Eltern als „Spielkameraden“ in Beschlag genommen. Auf Familienfeiern in der Schule stehen sie gerne im Rampenlicht und präsentieren sich gerne.

Introvertierte Kinder können lange Zeit in ihrem Zimmer alleine spielen. Sie fallen nicht auf und möchten auf keinen Fall in der Öffentlichkeit präsent sein. Sie wissen viel, vor allem schriftlich, können aber in der Schule nicht mündlich partizipieren. Deshalb müssen sie von Lehrerinnen oft gefragt bzw. aufgerufen werden. Sehr oft entwickeln sie Leidenschaften zu einem bestimmten Thema, was sie dann mit ausdauerndem Elan und langanhaltend verfolgen.

2. Hart vs. kooperativ

Hart-Entscheider verfolgen Ziele, dabei ist es ihnen unwichtig, wie es Menschen geht, die von dieser Entscheidung betroffen sind. Das erreichbare Ziel steht immer im Fokus und alles andere muss darunter geordnet werden. In Konfliktsituationen bestehen sie oft auf ihrer eigenen Meinung und werden als nicht kompromissbereit erlebt.

Kooperativ-Entscheider haben im Gegensatz dazu das Gegenüber im Blick und versuchen Lösungen für alle zu finden. Das bedeutet oft, dass sie keine konkreten Pläne und Ziele formulieren, sondern Dinge einfach so nehmen, wie sie gerade kommen und spontan darauf reagieren. Am Ende sind immer alle zufrieden, aber konkrete Ziele werden dadurch oft nicht hartnäckig genug verfolgt.

Wie zeigt es sich bei ihrem Kind: 

Bei hart-entscheidenden Kindern haben es Eltern oft schwer, weil sie sich in ständiger Auseinandersetzung mit ihrem Kind befinden. Weichen die Eltern von dem Plan ihres Kindes ab, dann stoßen sie sofort auf heftigen Widerstand, Geschrei und Tränen. Sie müssen logische und gute Argumente zur Erreichung des Ziels vorbringen. Finden Sie das Ziel Ihres Kindes heraus, dann kennen Sie seine Motivation und können Einfluss darauf nehmen.

Bei kooperativ-entscheidenden Kindern ist das Umfeld wichtig. Deshalb müssen Eltern im Blick behalten, was ihr Kind möchte, weil es sich sofort an die anderen anpasst und glaubhaft vermittelt, es wäre auch seine Entscheidung gewesen. Ermutigen Sie Ihr Kind, eigene Entscheidungen zu finden, zu treffen und positiv zu erleben.

3. Theoretisch vs. praktisch

Theoretisch Denkende sind offen für Neues und neugierig, was hinter den Dingen steckt. Sie machen sich gerne tiefergehende Gedanken, sind bereit für unterschiedliche Erfahrungen und Sichtweisen. Sie verfügen über eine große Vorstellungskraft und Fantasie, die in der praktischen Welt keinen Widerpart finden muss.

Praktisch Denkende beschäftigen sich lieber mit klaren und überschaubaren Sachverhalten. Ihre Aufmerksamkeit richten sie lieber auf Bekanntes und Altbewährtes. Neuen Ansichten und Veränderungen gegenüber reagieren sie eher zurückhaltend bis ängstlich.

Wie zeigt es sich bei Ihrem Kind: 

Theoretisch denkende Kinder vertiefen sich gerne in ein Thema, darüber wissen sie alles. Sie kennen die 36 Gestirnskonstellationen und mehr, ihr Kinderzimmer ist aber zutiefst unordentlich. Ein Teller gehört nach der Benutzung in die Spülmaschine? Das ist für sie kein logischer Zusammenhang. Deshalb wäre es gut, einen praktischen Anlass zu geben (Wir brauchen das Geschirr morgen sauber), weil Kinder sonst zu sehr in der Theorie gefangen bleiben. 

Praktisch denkende Kinder beschäftigen sich lieber mit Alltagsdingen und bevorzugen klare, direkt greifbare Aufgaben bzw. Tätigkeiten und bevorzugen eindeutige Lösungen. Sie im Alltag einzubeziehen, z.B. einkaufen oder das Kochen kleiner Gerichte, erfreut sie sehr und hebt ihre Selbstsicherheit immens. Bei theoretischen, nicht greifbaren Inhalten benötigen sie Unterstützung und müssen die erste Hürde schaffen, sich erstmal auf die „Theorie“ einzulassen.

4. Geplant vs. spontan

Geplante Menschen haben immer einen Plan. Sie sind diszipliniert und möchten ihre Pläne zielstrebig zu Ende bringen. Dabei achten sie sehr exakt auf alle Details und halten Vorgaben und Regeln ein. Sie sind sehr zufrieden, wenn der eigene Plan vollständig erfüllt ist.

Spontane Menschen sind sehr offen und lassen alles auf sich zukommen und entscheiden dann adäquat dazu. Die Gefahr ist, dass sie sich vom eigentlichen Ziel sehr leicht ablenken lassen und sich in scheinbar verlockenderen Zielen verlieren.

Wie zeigt es sich bei Ihrem Kind:

Planende Kinder haben immer Ziele, die sie emsig und diszipliniert verfolgen. Korrektiv müssen Eltern immer dann eingreifen, wenn es falsche Zielsetzungen sind. Überzeugen können sie ihre Kinder nur dann, wenn das neue Ziel verlockend genug für Kinder ist.

Spontane Kinder sind die sogenannten „Chaoten“. Sie lassen sich treiben, machen, was ihnen im Moment Spaß macht, und beachten selten die Zukunft. Deshalb ist es wichtig, mit dem Kind einen konkreten Handlungsrahmen zu schaffen und von Zeit zu Zeit auf die Einhaltung der Ziele aufmerksam zu machen.

 5. Empfindlich vs. resistent

Hier geht es im Wesentlichen darum, wie das Nervensystem von Anfang an ausgestattet ist. Empfindlich ausgestattete Menschen verspüren häufig Angst, Sorgen und Stress. Sie sehen oft Probleme und grübeln langanhaltend und sehen Hürden, die eigentlich gut zu bewältigen wären. Sie leiden oft unter Stimmungsschwankungen und werden eher von negativen Gefühlen überschwemmt.

Resistente Menschen bringt nichts aus der Ruhe. Gefahren nehmen sie nicht sofort wahr – meist erst, wenn es fast zu spät ist. Negative Gefühle haben sie gut unter Kontrolle und konzentrieren sich auf das Positive.

Wie zeigt es sich bei Ihrem Kind:

Ängstliche Kinder haben vor allem Angst. Für Eltern bedeutet es, Umfeld und Umgebung für das Kind vorhersehbar und sicher zu gestalten. In Problemsituationen vorher schon gemeinsam Handlungsstrategien zu erarbeiten. Auf keinen Fall sollten Kinder zu etwas gezwungen werden, weil ihnen dann richtig bewusst wird, in welcher Angst sie gefangen sind. Ermutigen, ermutigen, ermutigen…

Resistente Kinder müssen vor Gefahren geschützt werden, weil sie sich oft in unvorhersehbare Risiken stürzen. Sinnvoll an dieser Stelle sind geschützte Gefahrenerlebnisse, z.B. auf dem Rummel die waghalsigen Fahrgeschäfte. Die Kinder sind angeschnallt und sausen durch die Lüfte. Danach hat sich das Nervensystem gut ausleben können und die Kinder werden ruhiger.

Wie diese fünf Dimensionen der Persönlichkeit ausgeprägt sind, ist im Wesentlichen angeboren. Wir können darauf mit Erziehung keinen Einfluss nehmen, nur unsere Kinder mit ihrem Wesen annehmen und stärken. 

 

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