Ich packe meine Reiseapotheke und nehme mit …

Reiseapotheke tipps

Der Sommer ist Hochsaison des Reisens und bis zu den Ferien dauert es auch nicht mehr lange. Doch wie packt man eigentlich eine Reiseapotheke? Und was ist aus medizinischer Sicht noch auf Reisen mit der Familie zu beachten? Wir haben Dr. med. Sarah Kotsias-Konopelska vom Institut für Internationale Gesundheit der Charité dazu befragt, die mit uns die ideale Reiseapotheke für Reisen mit Baby und (Klein-) Kindern packt. 

Reiseapotheke tipps POLA Magazin: Frau Dr. Kotsias-Konopelska, offen gestanden ist unsere Reiseapotheke in der Regel sehr überschaubar. Bei uns gilt eher die Devise, dass es auch anderswo Apotheken gibt, in denen man bei Bedarf Medikamente besorgen kann, sodass wir keinen umfassenden Medizinkoffer auf Verdacht mitschleppen. Ist das schon fahrlässig?

Dr. Kotsias-Konopelska: Nein, eine Reiseapotheke muss nicht unnötig das Reisegepäck belasten und es ist sinnvoll, sie möglichst schmal, aber dennoch effektiv und passend zur Art der Reise zusammenzustellen. Viele wichtige Medikamente finden sich bereits im hauseigenen Medizinschränkchen und müssen nicht gesondert besorgt werden. Medikamente bei Notwendigkeit am Reiseort zu kaufen ist, prinzipiell in Ordnung, zu beachten ist jedoch, dass es weltweit große Unterschiede in der Verfügbarkeit und Qualitätskontrolle gibt.

Am besten ist es natürlich, gar nicht erst krank zu werden. 

Ja. Zu Beginn steht zunächst die viel wichtigere Frage: Wie kann ich Notfallsituationen, Infekte oder medizinische Probleme unterwegs am besten vermeiden? Wichtig ist eine gute Reiseplanung hinsichtlich örtlicher Gegebenheiten und möglicher lokaler Gesundheitsrisiken. Eine reisemedizinische Beratung findet im Idealfall 3-6 Monate vor der Reise statt, um genügend Zeit für die Vervollständigung von Impfserien und die Gesamtplanung zu haben. Aktuell stehen wir Ärzt:innen auch immer wieder vor der Herausforderung von Lieferengpässen bei Medikamenten und Impfstoffen, sodass hier ein zeitlicher Puffer zusätzlich sinnvoll erscheint.

Wichtige Maßnahmen zur Vermeidung medizinischer Probleme unterwegs sind:

  • ein aktueller und auf die Reise abgestimmter Impfschutz
  • ggf. Einnahme von Medikamenten (z. B. Malaria-Chemoprophylaxe)
  • effektiver Sonnen- und Insektenschutz
  • Vermeidung der Krankheitsübertragung durch Lebewesen, Nahrungsmittel oder die Umwelt (gute Wasser- und Nahrungsmittelhygiene, Schutz vor Insektenstichen- oder bissen,  Vermeidung mancher Tierkontakte)
  • persönliche Sicherheit vor Ort und v. a. im Straßenverkehr
  • stabiles Wohlbefinden im Falle einer Grunderkrankung

Zudem ist bei jeder Reiseplanung der Nachhaltigkeitsaspekt wichtig: Schonung lokaler Ressourcen und Medizinsysteme, Umweltschutz und Müllvermeidung.

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Reiseapotheke Reisen mit Kindern Tipps

Die richtige Grundausstattung der Reiseapotheke

Welche Grundausstattung darf in einer Reiseapotheke für Kinder nicht fehlen?

Als Grundausstattung empfehle ich für die gesamte Familie:

  • Fieberthermometer
  • Schleimhautdesinfektionsmittel (kann in der Regel sowohl zur Händedesinfektion wie auch zur Wunddesinfektion verwendet werden)
  • ein altersentsprechendes Schmerz- und Fiebermedikament
  • Juckreizlindernde Salbe und/oder Tabletten/ Saft zum Einsatz bei Insektenstichen
  • Grundstock an Verbandsmaterial (Pflaster, sterile Kompresse, Mullbinde mit wiederverwendbarem Verschluss)
  • Pinzette (kann sowohl Splitter als auch Zecken entfernen)
  • Einmal-Handschuhe zum Eigenschutz
  • Zusätzlich zu sicherem Trinkwasser können bei Durchfall und Erbrechen altersgerechte Elektrolytpulver zur Herstellung einer Trinklösung helfen

Was braucht man dagegen nicht mitzunehmen?

  • Hustensaft: Gleichermaßen unterstützend und wirksam ist eine ausreichende Trinkmenge von sicherem Wasser oder ungesüßtem Tee.
  • Antibiotika: Von der Einnahme von Antibiotika in Eigenregie rate ich vor allem im Ausland ab. Es sollte erst ein Arzt konsultiert werden.
  • Medikamente gegen Erbrechen, vor allem bei kleinen Kindern: Die möglichen Nebenwirkungen überwiegen im Regelfall den gewünschten Effekt und vertuschen ggf. wichtige Warnzeichen eines zu großen Flüssigkeitsverlustes.

Wie sollten Eltern mit Reisekrankheit bei Kindern umgehen und welche Präventionsmaßnahmen gibt es?

Von Reisekrankheit sind vor allem Kleinkinder ab 2 Jahren und Schulkinder betroffen. Vorbeugend helfen folgende Maßnahmen:

  •  für die Reise Schlafphasen nutzen
  • Sitzplatz in Fahrtrichtung und an dem die Bewegungen des Transportmittels möglichst wenig ausgeprägt sind (z. B. im Flugzeug über der vorderen Flügelkante, im Schiff unten mittig, im Auto hinten mittig) 
  • Sitzplatz mit freier Sicht auf den Horizont oder weit entfernte und unbewegte Objekte, kein Schauen auf nahe Gegenstände (z. B. Bücher) 
  • Ablenkung (z. B. Hörspiele)
  • Milde Getränke wie Wasser oder ungesüßter Tee; Verzicht auf Kohlensäure, viel Zucker oder viel Säure
  • kein leerer Magen, aber auch keine üppige Mahlzeit, kleine leichte Mahlzeiten und Snacks sind am besten

Wann genügt die Reisapotheke nicht mehr?

Was ist, wenn das Kind unterwegs krank wird? Was kann man in Eigenregie behandeln und wann sollte man einen Arzt aufsuchen?

Wie zu Hause sind auf Reisen die „gängigen“ medizinischen Probleme am häufigsten – virale Durchfallerkrankungen und fieberhafte virale Atemwegsinfekte, Insektenstiche, kleine Verletzungen. Eigene Erste-Hilfe-Maßnahmen wie konsequenter Flüssigkeitsersatz bei Durchfall und/oder Erbrechen sowie fiebersenkende Maßnahmen und erste Wundversorgung können in Eigenregie durchgeführt werden.

Ein möglichst sofortiger und im Zweifelsfall auch wiederholter Arztkontakt ist wichtig bei:

  • Fieber in einem Malaria-, Dengue- oder Typhus-Gebiet
  • starken, unklaren und/oder sich verschlechternden Beschwerden
  • schweren Verletzungen
  • Tierbissen oder blutigen -kratzern sowie Schleimhautkontakt zu deren Speichel in Tollwutgebieten (bei Fledermäusen reicht der Verdacht)
  • ungeschützten Risiko-Sexualkontakten oder körperlichen Übergriffen

Je jünger die Kinder, desto höher das Risiko schwerwiegender Krankheits-verläufe. Zusätzlich besteht auf Reisen die Schwierigkeit, dass man sich weniger gut mit der medizinischen Infrastruktur und Versorgung sowie den regional häufig auftretenden Krankheitsbildern auskennt. Insgesamt darf und sollte ein Arztkontakt auf Reisen also durchaus früher und niederschwelliger erfolgen als zu Hause.

Reiseapotheke Behandlung Reisen

Sonnenbrand und Insektenstiche sind gerade im Sommerurlaub nicht selten. Wie können Eltern die Symptome behandeln und wann ist es ratsam, medizinische Hilfe hinzuziehen?

Vor der Behandlung ist auch hier die Prävention besonders wichtig. Die wichtigsten Maßnahmen sind: 

  • Vermeidung der Mittagssonne und der direkten Sonneneinstrahlung
  • konsequente und regelmäßige Anwendung von Sonnenschutzkleidung, Kopfbedeckung und Sonnencreme (idealerweise mit Lichtschutzfaktor 50+ und mineralischem Filter, insbesondere bei jüngeren Kindern)
  • Vermeidung von Stauhitze in geschlossenen Räumen, Gebieten ohne Begrünung und Belüftung und in Transportmitteln

Wind, Nähe zu Wasser oder Schnee, Aufenthalte in höheren Gebieten verstärken die Sonneneinstrahlung, sodass hier auf mehr Sonnenschutz geachtet werden muss, auch wenn die Außentemperaturen vergleichsweise kühl sein können.

Sollte es dennoch zu einem Sonnenbrand kommen, hat das Kind zum einen viel Flüssigkeit verloren und sollte zum Trinken angeregt werden. Zum anderen hat die Haut eine tatsächliche Verbrennung erlitten, die in Schmerzen, Schwellung und einer Entzündungsreaktion münden können. Helfen können feuchte, kühle (nicht aus dem Gefrierfach!) Umschläge. Dafür sollten saubere Baumwoll- oder Leinentücher in kühles, sicheres (das heißt nicht verunreinigtes) Wasser oder kühlen Schwarz- bzw. Grüntee getränkt oder dick mit Joghurt oder Quark bestrichen werden. Die Anwendung sollte wiederholt werden, wenn der kühlende Effekt nachlässt. Altersgerechte Feuchtigkeitscremes oder Lotions mit Aloe Vera oder Dexpanthenol unterstützen zusätzlich die Hautheilung und hemmen die Entzündungsreaktion. Die Hautstellen sollten bis zur Abheilung konsequent abgedeckt und keiner Sonne mehr ausgesetzt werden. Im Falle von Blasenbildung, Fieber, Erbrechen, Kreislaufproblemen, verändertem Verhalten, starken Kopfschmerzen oder insgesamt Auffälligkeiten des Allgemeinzustandes ist unbedingt ärztliche Hilfe aufzusuchen.

Insektenstichen kann mit Insektensprays (am wirksamsten sind die Inhaltsstoffe DEET und Icaridin, international schon ab zwei Lebensmonaten zugelassen), langer Kleidung und Moskitonetzen effektiv vorgebeugt werden. Zecken sollten zeitnah selbstständig entfernt werden. Sollte es nach einem Insektenbiss oder -stich zu Juckreiz kommen, empfiehlt sich die Nutzung von juckreizlindernden Salben oder bei stärkerer Reaktion auch Tabletten und ggf. das Abdecken/Abkleben. Eine ärztliche Mitbehandlung ist bei Infektion der Stich- oder Bissstelle sinnvoll, wenn trotz Reinigung, Kühlung, Behandlung des eventuellen Juckreizes und Desinfektion keine Besserung eintritt. Zunehmende Schmerzen, Einschränkungen in der Bewegung des Körperteils und Fieber sind Warnzeichen und Grund, noch am gleichen Tag ärztliche Hilfe aufzusuchen.

Welche Reisen würden Sie mit Babys oder Kleinkindern aus medizinischer Sicht eher nicht empfehlen und warum?

Je kleiner die Kinder, desto anfälliger sind sie für Erkrankungen und schwere Verläufe. Darüber hinaus ist in den meisten Fällen für kleine Kinder der Umgang mit langen Reisen, Umstellungen von Alltagsrhythmen, Nahrung, Umgebung etc. eher schwer. Bestimmte Reisen kategorisch auszuschließen, fällt mir dennoch schwer, denn es kommt sehr auf den Hintergrund der Reise und der Familie an. Ein wichtiges Augenmerk sollte auf jeden Fall auf Reisen in Malaria- und Dengue-Gebiete, Gebiete mit gehäuftem Vorkommen bakterieller und parasitärer Durchfallerkrankungen (v.a. Typhus und Parathyphus) und Gebiete mit mangelnder medizinischer Infrastruktur oder klimatischen Extrembedingungen gelegt werden. Schwangeren, Familien mit Kleinkindern sowie einigen chronisch Erkrankten sollte von Reisen in solche Gebiete zunächst abgeraten werden. Oft gibt es alternative Reiseziele, die die Reiseerwartungen ähnlich erfüllen können.

Welche Dokumente und Informationen sollten Eltern immer griffbereit haben, wenn sie mit Kindern reisen?

Das sind: 

  • Dokumente zur Identifikation aller Personen
  • Impfausweise
  • Krankenversicherungsnachweise (hier sollte sichergestellt werden, dass die Versicherung die Reise abdeckt, idealerweise mit Übernahme von Rücktransportkosten, sollte dies notwendig werden, auch die Zahlungsmodalitäten sollten vorab geklärt werden, denn in den meisten Regionen müssen die Reisenden in Vorkasse gehen)
  • Notfalltelefonnummern vor Ort und zu Hause
  • Kontaktdaten medizinischer Anlaufstellen vor Ort
  • Falls zutreffend: Medikationspläne und international verständliche Informationen von Dauermedikation, die die Reisenden ggf. einnehmen müssen, international verständliche Notfallpässe (z.B. Allergiepass)

Digitale Kopien aller Dokumente helfen bei Verlust und Diebstahl.

Vielen Dank für das Interview, Ihre Zeit und Ihre Expertise!

Auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit findet ihr noch weitere Tipps. 

Und damit auf eurer Reise und im Urlaub keine Langeweile aufkommt, haben wir natürlich auch tolle Spielideen für unterwegs.

Die schönsten Reisespiele für unterwegs und euren Urlaub

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