(Kein) Fairplay beim Bewerben auf einen Job? – Vereinbarkeit von Familie und Beruf                  

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Sich mit Kind auf einen neuen Job zu bewerben, gleicht einer turbulenten Achterbahnfahrt. Theoretisch sind die meisten Unternehmen heutzutage familienfreundlich eingestellt und werben damit fleißig in ihren Stellenausschreibungen. In der Praxis stellt sich leider doch die eine oder andere Tücke heraus. Dabei fiel es mir mitunter schwer, mich nicht entmutigen zu lassen. Gleichzeitig stellte sich mir hierbei auch die Frage, ob ich überhaupt für einen Arbeitgeber tätig sein möchte, wenn dieser meine Tochter als ein potenzielles Problem betrachtet und meine Familie über meine fachlichen Kompetenzen stellt. Dass sich das Durchhalten letztlich auszahlt, zeigt mein neuer Job, der nicht nur meine gewünschten Anforderungen in Bezug auf meine aktuelle Lebenssituation erfüllt, sondern darüber hinaus echte Entwicklungspotenziale bietet.

Familiärer Background in Vorstellungsgesprächen

„Wie sind denn ihre familiären Verhältnisse?“

Eine Bewerbungsphase ist eine intensive Zeit. Eine Bewerbung abzuschicken ist dabei nur der erste Schritt, auf den in einigen Fällen gar keine Rückmeldung folgt, im Idealfall jedoch eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Wie diese standardmäßig ablaufen, ist mir bekannt. Darüber hinaus habe ich mich auf einen breiten Fragenkatalog vorbereitet und dennoch trifft mich eine Nachfrage ziemlich kalt: „Wie sind denn Ihre familiären Verhältnisse?“, fragt mich meine Interviewpartnerin lächelnd.

Bäm, da ist sie, die Frage, die eigentlich nicht gestellt werden darf und die sie einem männlichen Bewerber vermutlich auch nicht gestellt hätte. Nun sehe ich mich in der Zwickmühle, wie ich am besten darauf antworte, sodass ich auch noch Chancen auf den Job habe, den ich eigentlich haben wollte. „Gut“, höre ich mich vertrauensvoll und treudoof sagen, „Wir haben den vollen Betreuungsanspruch in der Kita, unsere Tochter geht gerne hin und war in der letzten Zeit auch nur in Ausnahmefällen krank. Zusätzlich haben wir ein sehr gutes familiäres Auffangsystem, sollte es wider Erwarten doch einmal zu Ausfällen in der Kita kommen.“ An ihren Gesichtszügen kann ich ablesen, dass ihr diese Antwort nicht ausreicht. Vermutlich rechnet sie sich nebenbei gedanklich aus, wie hoch die Chancen stehen, dass ich in absehbarer Zeit mit dem zweiten Kind schwanger werde. Schließlich bin ich im besten gebärfähigen Alter und meine Tochter hat inzwischen ein Alter erreicht, dass viele Eltern als den idealen Abstand zwischen Geschwistern ansehen. Und nun?

Rückblickend habe ich mich lange Zeit darüber geärgert, dass ich nicht etwas mehr in die Offensive gegangen bin und mit der Gegenfrage gekontert habe, inwiefern meine Tochter mit meiner fachlichen Eignung in Bezug auf die Stelle zusammenhängt. Ich verstehe, dass es in bestimmten Berufsgruppen notwendig sein kann, Verfügbarkeiten in Vereinbarkeit mit familiären Verpflichtungen bereits vorab zu klären, beispielsweise wenn Schichtdienst oder außerordentliche Verfügbarkeiten zu bestimmten Projektphasen gefordert sind. Bei einer regulären Tätigkeit ohne besondere zeitliche Ereignisse finde ich diese Frage jedoch grenzüberschreitend. Es hat schließlich seine Gründe, weshalb ich mich beworben habe. Wenn ich nicht der Meinung wäre, die Anforderungen des Jobs erfüllen zu können, hätte ich mich nicht darauf beworben.

Daher hat sich die Frage nach meinen Familienverhältnissen für mich wie eine Diskriminierung angefühlt. Ich weiß nicht, ob ich auf diese Frage „richtig“ bzw. zur Zufriedenheit meiner Interviewerin hätte antworten können. Auf die Aussage „Wir melden uns bis Ende der Woche bei Ihnen!“ zur Verabschiedung folgten bis heute jedenfalls keine Taten.

Lebenslauf mit oder ohne Kind?

Die Erfahrung, dass mein Mamasein als ein mögliches Manko angesehen wird, hat mich geprägt. Ich habe mich gewissermaßen stigmatisiert und auf eine einzelne Eigenschaft reduziert gefühlt. Daher gibt es meinen Lebenslauf in mittlerweile allen erdenklichen Ausführungen: mit unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkten sowie mit und ohne Elternzeit, die eigentlich zu den Praxiserfahrungen zählt. Nach unterschiedlichen Erfahrungen im Bewerbungsprozess habe ich mich jedoch dazu entschieden, mich auf einige Stellen gewissermaßen inkognito zu bewerben. Ich wollte meine fachlichen Kompetenzen und Fähigkeiten in den Fokus rücken und mich nicht für potenzielle Umstände, die sich daraus ergeben, dass ich ein Kind habe, rechtfertigen müssen. Sollte sich ein neues Arbeitsverhältnis ergeben, wird dieser Fakt sowieso eher früher als später bekannt werden.

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„Wie geht es dir damit, dass du deine Tochter in deinen Bewerbungsunterlagen leugnest?“

„Wie geht es dir damit, dass du deine Tochter in deinen Bewerbungsunterlagen leugnest?“, fragte mich meine Coachin Gundi, die mich seit mehr als einem Jahr auf meinem Weg zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf begleitet hat. Prinzipiell ist es für mich kein Problem, den Fokus auf meine fachlichen Kompetenzen und Praxiserfahrungen zu legen. In einem persönlichen Gespräch mit einem zukünftigen Arbeitsgeber würde ich in Bezug auf eine ausgeschriebene Stelle auch nicht als Erstes antworten, dass ich ein Kind habe, sondern vielmehr beschreiben, worin meine fachlichen Interessen liegen und welche meiner Fähigkeiten mich hinsichtlich des gesuchten Anforderungsprofils am besten qualifiziert. Der Umstand, dass ich Mama bin, bleibt dabei ebenso unerwähnt, wie meine Leidenschaft für Barcelona, meine Pilates-Routine und meine Abneigung für Aufzüge. Sicherlich sind das alles Dinge, die mich auszeichnen, die aber für mich nicht in erster Linie entscheidend sind für den Job, den ich gerne ausüben möchte.

Super Soft Skills als Mama und Papa

Während meiner Elternzeit habe ich es neben den besonderen Herausforderungen, die ein Baby eben so mit sich bringt, geschafft, eine empirische Abschlussarbeit inklusive Datenerhebung zu verfassen und diese mit einer sehr guten Note abzuschließen. Es war ein unglaublicher Spagat, beides zu meistern, der mich oft genug an meine körperlichen und mentalen Grenzen gebracht hat. Dass ich es dennoch geschafft habe, meine Masterarbeit fristgerecht fertig zu stellen, ist meinem Ehrgeiz sowie meiner hohen intrinsischen Motivation, es mir selbst zu beweisen, sowie einer strukturierten Arbeitsweise und nicht zuletzt einem sehr guten Zeitmanagement zu verdanken.

Ich bin stolz auf mich und meine Leistung und fest davon überzeugt, dass mein Mamasein eine entscheidende Rolle bei meinem Erfolg spielt. Ohne Kind hätte ich vermutlich nicht so fokussiert in wenigen Stunden am Tag eine solch komplexe wissenschaftliche Arbeit schreiben können. Jedes Mal, wenn ich am Schreibtisch saß, wusste ich, dass die Zeit begrenzt ist, bis mich meine Tochter wieder braucht. Daher gab es keine Gelegenheit zu prokrastinieren, jede einzelne Minute war wertvoll. Wenn es gut lief, konnte ich einer Stunde bis zu fünf Seiten am Stück zu schreiben. An schlechten Tagen habe ich nur wenige Sätze geschafft. Dennoch wusste ich jedes Mal, dass mich jedes einzelne Wort meinem Ziel näherbringt. Es nicht zu schaffen, war keine Option für mich.

So blieb mir keine andere Wahl, als meine Arbeitsweise meinen Möglichkeiten anzupassen und mich so zu organisieren, dass es klappt. Viele Erfahrungswerte aus dieser Zeit habe ich beibehalten und arbeite weiterhin auf diese Weise. Meine Tochter hat mich gewissermaßen erst mit diesen Super Soft Skills ausgestattet, von denen ich heute in meinem Arbeitsalltag profitiere. Sie ist somit keine „Schwachstelle“, sondern der Grund für meine Stärken.

Durchhalten lohnt sich!

Nach unterschiedlichen Erfahrungen in Vorstellungsgesprächen mit potenziellen Arbeitgebern stand für mich fest, dass ich keine Kompromisse hinsichtlich der Konditionen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf eingehen kann und möchte. Der Spagat zwischen den Bedürfnissen meiner Tochter und meinem eigenen Bestreben nach der beruflichen Entfaltung ist auch so schon groß genug. Auch wenn es ein komisches Gefühl ist, Stellen abzusagen, wenn doch eigentlich Bedarf besteht, war es mir wichtig, mich zu einem nicht auf einen Job unter meinem Wert oder zu nicht mit meiner Tochter zu vereinbarenden
Rahmenbedingungen einzulassen. Zudem wollte ich eine langfristige Lösung schaffen und kurzfristige Kompromisse vermeiden. Damit habe ich viele Ansprüche an einen neuen Job gestellt und gewissermaßen die eierlegende Wollmilchsau gesucht.

„Du bist zu anspruchsvoll“ ist ein Satz, den ich in meinem Bewerbungsprozess das eine oder andere Mal gehört habe. Letztlich hat sich diese Strategie jedoch bezahlt gemacht und ich habe einen abwechslungsreichen Job mit Entwicklungspotenzial gefunden, der zu mir und meinen aktuellen Lebensumständen passt. Das Team hat mich herzlich aufgenommen und wie sich herausgestellt hat, haben viele meiner neuen Kolleg:innen ebenfalls Kinder. Ich bin mit meinem Job sehr zufrieden und kann rückblickend sagen, dass sich das Durchhalten gelohnt hat!

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