Elternrat: Bindung, die Basis des Lebens

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alexandra fresenborg marie vry elternratElternsein: oft ein Buch mit sieben Siegeln und soooo vielen Fragen. Einige davon beantworten in unserer Rubrik „Elternrat“ für euch verschiedene Expert:innen. Alexandra Fresenborg (Psychologin und Elterncoachin) und Marie Vry (Kindheits- und Trauma-Padägogin) geben euch heute Tipps für eine gute Bindung zwischen Eltern und Kind und beleuchten die Auswirkungen auf das weitere Leben. 

Eine sichere Bindung macht Kinder stark

Häufig werden wir in den Elterngesprächen gefragt, was Kinder selbstbewusst und durchsetzungsstark werden lässt. Hier sind sich die Wissenschaftler fast durchgängig einig: Es sollte eine „sichere Bindung“ zwischen einer Person, meist den Eltern, und dem Kind gegeben sein.

Die Bindung beginnt in der Regel direkt nach der Geburt. Beim ersten Blick auf das Neugeborene ist die Bindung aktiviert. Dies ist eine biopsychologische Grundlage, die das Überleben von Nachkommen sichern soll. Ohne diese menschliche Nähe, den Schutz und die Zuwendung kann ein Kind nicht sicher aufwachsen. Damit ein Kind seiner natürlichen Neugier und seinem angeborenen Entdeckungsdrang folgen kann, braucht es den Schutz, die Fürsorge und die Sicherheit einer zuverlässigen Beziehung.

Es gibt drei Bindungsstile:

Derzeit gibt es kurz zusammengefasst drei elementare Bindungsstile. Den „sicher-gebundenen“, den „unsicher-gebundenen“ und den „ambivalent-unsicher-gebundenen“ Bindungsstil. Sicher gebunden heißt, dass sich ein Kind bei Problemen immer an die nahestehende Bezugsperson wenden kann, weil diese einen „sicheren Hafen“ bietet. Diese Kinder besitzen eine ausgewogene Balance zwischen Nähe zur Bezugsperson und Erkunden ihres Umfeldes, weil sie wissen, dass sie bei Rückschlägen aufgefangen werden.

Unsicher gebunden heißt, dass sich das Kind nicht auf die Bindungsperson verlassen kann. Dieser Bindungstyp entwickelt sich bei schroff zurückweisendem und unfeinfühlsamem Verhalten der Bezugsperson gegenüber dem Kind. Das Kind kann sich nicht auf die Person verlassen und wird somit seine Gefühle von Angst und Ärger gegenüber der Umwelt nicht zeigen. Diese Kinder haben gelernt, dass die eigenen Bedürfnisse ignoriert oder abgewiesen werden.

Ambivalent unsicher gebunden heißt, dass das Kind oft eine Bezugsperson hat, die sich unberechenbar verhält. Die Bezugsperson schwankt im Verhalten zum Kind hin und her und ist somit nicht greifbar für das Kind. Die Bezugsperson wird im entscheidenden Moment manchmal angemessen reagieren, manchmal aber auch nicht. Eine Vorhersagbarkeit für das Kind ist in diesem Fall nicht gegeben und das hinterlässt Unsicherheiten beim Kind.

Die Wichtigkeit einer sicheren Bindung:

Sicher gebundene Menschen nehmen Herausforderungen an, zeigen Offenheit Neuem gegenüber und gehen für sie erfüllende, sichere Beziehungen und Partnerschaften ein, die über lange Jahre stabil bleiben.

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Komm her, geh weg! Unsicher gebundenen Menschen fällt eine Partnerverbindung schwer.

Unsicher gebundene, bzw. ambivalent unsicher gebundene Personen, stellen erstmal ihr näheres Umfeld in Frage. Neuen Eindrücken wird im Allgemeinen mit großer Vorsicht begegnet. Eine Partnerverbindung wird für diese Menschen sehr schwierig trotz der oftmals bestehenden, tiefen Sehnsucht nach einer Beziehung/Partnerschaft. Sobald sich eine Beziehung zu festigen beginnt, wird die Sehnsucht nach Bindung von starken Angstgefühlen bestimmt. Auf der Verhaltensebene kommt es immer wieder zu Abbrüchen von Beziehungen. Die betroffene Person leidet darunter, immer wieder in dem Kreislauf von aufbauendem Bindungsversuch und dem Abbruch von Beziehungen gefangen zu sein. Wie ein roter Faden zieht sich die Maxime: „Komm her, geh weg“, der diese Ambivalenz ständig unterstreicht.

Bindungsverhalten wird unbewusst weitergegeben

Forschungen zeigen, dass das Bindungsverhalten kein bewusster Vorgang ist, sondern dass das Bindungsverhalten unbewusst von Generation zu Generation weitergegeben wird. Erst durch die Reflexion des eigenen Bindungsstils lassen sich Veränderungen in einen positiveren, sicheren Bindungsstil verändern. Damit Eltern ihren Kindern eine sichere Bindung geben können, sind in erster Linie ein feinfühlendes Verhalten und Fürsorge wichtig, die Erfüllung des Bedürfnisses nach Nähe und Geborgenheit.

In der Regel sind die Bezugspersonen vorrangig Mütter und Väter. Es können jedoch auch weitere Personen sein, zum Beispiel Großeltern, Tageseltern oder andere wichtige Bezugspersonen, bei denen ein Kind Schutz und Geborgenheit sucht und findet.

Haben Sie Freude am Dasein des Kindes.

So können Sie eine sichere Bindung fördern:

  • Seien Sie aufmerksam gegenüber Ihrem Kind und gehen Sie auf die Bedürfnisse Ihres Kindes ein.
  • Reagieren Sie geduldig auf die Emotionen Ihres Kindes und helfen Sie ihm, die eigenen Emotionen zu regulieren, indem Sie Sicherheit geben und die Emotionen benennen. Signalisieren Sie, dass alle Emotionen erstmal erlaubt sind, aber nicht jedes Verhalten akzeptiert wird.
  • Geben Sie Ihrem Kind den Raum und die Zeit, die es zu seiner individuellen Entwicklung braucht. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo. Unterstützen Sie es und ermutigen Sie es.
  • Haben Sie Freude am Dasein des Kindes und zeigen Sie diese auch. Nehmen Sie sich genügend Zeit für Ihr Kind. Nutzen Sie jede Gelegenheit, um mit Ihrem Kind in den Austausch zu kommen. Mit Säuglingen findet der Austausch anhand der Mimik, Gestik und der eigenen Stimme statt. Kommunikation kann auch non-verbal stattfinden.
  • Richten Sie sich nach Ihrem Kind, wann und wie viel Kontakt bzw. Nähe es zu Ihnen haben möchte. Nehmen Sie es auf den Arm, wenn es von sich aus die Nähe möchte und lassen Sie es wieder los, wenn es Ihnen zeigt, dass es genug hat. Wichtig ist hier, dass Sie Ihr Kind nicht zur Erfüllung Ihres eigenen Wunsches nach Nähe „benutzen“.
  • Zeigen Sie Ihre Freude, wenn sich Ihr Kind offensichtlich für Sie oder die Dinge in seiner Umgebung interessiert und unterstützen Sie hierbei seine Neugier.

Mit zunehmendem Alter ist ein Kind nicht mehr auf die ständige Anwesenheit einer Bezugsperson angewiesen, um sich sicher zu fühlen. Ab dem Kleinkindalter ist das Kind immer mehr in der Lage, selbstständig die Nähe vertrauter Personen aufzusuchen und sich auch wieder zu entfernen. Es hat seine „sichere Basis“ verinnerlicht und kann darauf zurückgreifen.

Ohne Bindung kein erfülltes Leben: Auch Erwachsene benötigen Bindungspersonen.

Im erwachsenen Alter ist diese sichere Basis fester Bestandteil der inneren Persönlichkeit. Auch hier benötigen wir eine Bindungsperson und brauchen die vertrauensvolle Nähe zu einem anderen Menschen. Wer im erwachsenen Alter Ihre Bindungsperson ist, erkennen Sie daran, wen sie nach einem Unfall als erstes anrufen würden.

Nur durch die Verinnerlichung des sicheren Bindungskonzepts gelingt es uns, alle Herausforderungen und Schwierigkeiten anzunehmen und zu bewältigen. Abschließend kann man aus psychologischer und pädagogischer Sicht sagen: „Ohne Bindung kein erfülltes Leben.“

Porträtfoto: privat

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