Heiter bis wolkig, zuckersüß bis bitterböse, Himmel hoch jauchzend, zu Tode betrübt – das Leben mit einem 2 Jährigen könnte nicht gegensätzlicher sein. Unberechenbar, ziemlich nervig, irre witzig und oft ganz schön doll schön. Kann es bitte für immer so bleiben und gleichzeitig die Zeit ein bisschen schneller laufen!?
Kompromisse, Wutanfälle, Geduld und Ansagen in Dauerschleife stehen seit gut fünf Monaten bei uns auf der Tagesordnung. Denn ziemlich genau mit dem 2. Geburtstag fing es an, kompliziert zu werden. Natürlich wussten wir, was auf uns zukommt und trotzdem stehen wir manchmal nur kopfschüttelnd daneben. Das Leben mit einem Kleinkind ist eine tickende Zeitbombe und gleichzeitig so unglaublich schön. So viele Emotionen, die noch nicht kanalisiert werden können… am Ende sind dann halt eben Mama und Papa schuld. Klar, wer auch sonst!?
Die Wurst reparieren
Gestern Abend zum Beispiel, es gibt Abendbrot, ein bisschen Rührei mit Pilzen und dazu eine Geflügelwurst. Das Ei ist natürlich eh nur „BÄH!“ Vorgestern war das Ei noch der große Favorit. Die Wurst darf hingegen auf den Teller. Der Sohn möchte sie selber mit seinem Messer zerteilen. Darf er. Macht er. Was folgt sind 30 Minuten herzzerreißendes Weinen. Er möchte, dass wir die Wurst reparieren, sie sei kaputt und soll wieder ein langes Stück sein, statt zwei Kleiner. Mit Engelsgeduld erklären wir ihm, dass das nicht geht, bieten ihm andere Optionen und versuchen ihn zum Lachen zu bringen. Keine Chance. Der Abend ist hin. Und mit ihm meine Laune.
Solche Situationen begegnen uns momentan fast täglich: der falsche Schuh, der blöde Schneeanzug, (eigentlich alles was mit An- und Ausziehen zu tun hat), das Buch falsch vorgelesen, der falsche Käse auf dem Brot, der Smoothie zu grün, das Wasser zu kalt. Das Fazit ist immer das Gleiche, absolute Verzweiflung, emotionales Desaster und natürlich jede Menge Tränen. Meistens müssen wir schmunzeln, begleiten ihn in seinem Ärger, helfen die Emotionen zu sortieren und laden zum Kuscheln und Trösten ein. Jasper Juuls wäre stolz auf mich. Was er aber hoffentlich nicht weiß, ist, das ich ab und zu aber einfach nur extrem genervt bin, keine Geduld habe und mich Sätze sagen höre wie: „Wenn du dich jetzt schnell anziehst, können wir draußen noch was leckeres beim Bäcker kaufen!“ Emotionale Erpressung durch Essen? Todsünde, i know! Aber manchmal geht es einfach nicht anders. Da wird auch mal das Handy gezückt und er darf sich ein kleines Video angucken, während ich die Windel wechsle oder wir die Schuhe anziehen. Nichts wodrauf ich stolz bin, aber es schont die Nerven. Kennt ihr, oder? Bitte sagt, dass ich damit nicht alleine bin!
„Mama sieht tippitoppi aus!“
Und auch wenn wir uns als Eltern die meiste Zeit schon selber nicht mehr reden hören können, in der ermahnenden und erklärenden Dauerschleife, in der wir stecken, lachen wir gerade auch ganz schön viel. Unser Sohn hat seinen Humor entdeckt und wickelt uns damit ganz schön um den Finger. Das Sprechen klappt mittlerweile auch ganz schön gut und es entstehen herrliche Gespräche, Wortsalate und Liebesbekundungen. Wie neulich als mein Sohn mich länger mustert, mir seine Hände ins Gesicht legt und sagt „Mama sieht tippitoppi aus!“ Ich schmelze dahin. Außerdem findet er, dass ich „süße Arme“ habe und „lustig bin“. Klingt besonders charmant, weil er ein bisschen lispelt. Papa macht hingegen, in seinen Augen, ganz schön viel falsch. Wird oft weggeschickt, ermahnt und zurecht gewiesen. Außer beim Lokomotive spielen und Häuser bauen – das kann nur Papa. „Mama stopp! Papa macht das!“
Manchmal geben wir nach, oft sind wir ganz schön streng und konsequent. So ganz angekommen sind wir in der Rolle Eltern, die plötzlich rund um die Uhr erziehen müssen, noch nicht. Meistens fühlt es sich intuitiv richtig an, mal handle ich automatisch strikter, weil andere Eltern dabei sind und ich nicht inkonsequent wirken möchte. Bescheuert, ich weiß. Ich muss noch mehr auf mein Gefühl hören und dann google ich doch am Abend wie ich doch bitte OHNE STREIT mein Kind von selber dazu bekomme, dass es sich anzieht. Es ist also nicht nur das Kleinkind, was ganz schön viel lernen muss, sondern wir Erwachsenen auch. Wir versuchen rauszufinden, was uns in der Erziehung wirklich wichtig ist und was wir eventuell nur aus Beobachtungen oder eigener Kindheitserinnerungen mit uns rumschleppen. Wir versuchen nicht so streng mit uns zu sein und uns Zeit zu geben. Dann sollten wir das mit den Kleinen aber genau so handhaben.
„Mama, ich hab ein Hatschi in der Nase.“
Also lassen wir uns jeden Tag aufs Neue überraschen. Freuen uns auf neue Sätze wie „Mama, ich hab ein Hatschi in der Nase.“, über die Begeisterung bei jedem Müllauto, Bagger und LKW, über die kleine, süße Stimme die Kinderlieder singt, wenn sie sich unbeobachtet fühlt. Es ist so verrückt, denn natürlich wünscht man sich ein Kind, das weiß, was es will, autonom handelt und seine Grenzen kennt. Aber wer hätte gedacht, dass einen das so sehr an den Rande des Wahnsinns bringen kann. Kann die Pubertät eigentlich noch anstrengender werden?
Text: Daniela Wilmer
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