Wer im Elfenbeinturm sitzt, hält besser die Klappe

Kolumne Feminismus Mirna Funk Eltern Alleinerziehend

Naomi Campbell ist vor kurzem Mutter geworden. Das heißt, sie hat ein Kind bekommen. Es heißt aber auch, dass das Supermodel nun nicht mehr nur Frau, Promi oder Influencerin ist, sie erfüllt jetzt eine neue, eine ganz besondere Rolle: Die Mutterrolle! Herzlichen Glückwunsch! Oder besser nicht?

Als ich in der 10. Klasse war, hatten wir im Politik-Unterricht das Thema Rollenbilder und lernten, dass Menschen verschiedene Funktionen im Rahmen unserer Gesellschaft haben und dass diese wiederum von biologischen, sozialen und politischen Gegebenheiten bestimmt werden. Wer also gut angepasst ist und sich entsprechend seiner Rolle verhält, funktioniert richtig. Wer aus der Rolle fällt, nervt. Dass diese Rollenzuschreibungen alle ausgedacht sind, ist so lustig wie verstörend. Wer genau auf die Idee kam, dass z.B. Frauen das schwache Geschlecht sind, an den Herd gehören und vornehmlich gebären sollen, ist nicht mehr so ganz genau auszumachen. Heute wehren sich Frauen und verhandeln ihre Rollen neu. Jetzt könnte man glauben, dass sich alle Frauen zusammentun und den Feminismus super finden. Aber nein. Im Gegenteil! Mütter sind nicht selten der Endgegner im Kampf gegen reaktionäre Rollenbilder, die sie seit Jahrhunderten geißeln. Auch Mütter können unsolidarische Arschlöcher sein und besonders schlimm ist es, wenn sie selbst auch noch das Schild „Feminismus“ vor sich hertragen, wie ein Pubertierender das erste Brusthaar.

Zeichen der Liebe

Viele Frauen haben die ausgedachten Zuschreibungen einer „guten Mutter“ so derart internalisiert, dass sie gar nicht wissen, was die ganze Aufregung soll, wenn es um Care-Arbeit oder strukturelle Probleme im Berufsleben geht. Manche sind aber auch nur furchtbar privilegiert und haben deswegen keine Ahnung. So wie die Autorin Mirna Funk, der ausgerechnet zum Muttertag (Hahaha! Fantastisch!) die Sprechblase geplatzt ist. Auf dem feministischen Medium Pinkstinks (Hahaha, wo sonst?) ließ sie ein Feuerwerk an rückständigem Quatsch ab, der wie feministisches Querdenken anmutet. Die Schriftstellerin und Vogue-Kolumnistin erklärt in dem Text, dass es sich um Zeichen von Liebe handelt, wenn man als (alleinerziehende) Mutter mit dem Kind zum Zahnarzt geht, Gutenachtgeschichten liest oder das Frühstück macht (Hier könnt ihr alles nachlesen).

Die Beschwerde über die ungerecht verteilte oder gar nicht beachtete Care-Arbeit sei ein Beweis für unser heteronormatives Kleinfamilienspektakel. Wer Männer hat, die nicht mitmachen wollen, solle sie einfach rauswerfen und so leben wie Mirna: Als Single-Mom mit 40-Stunden Job und voller Liiiiiiebe. Bravo Mirna. Eine überdurchschnittlich gut bezahlte Clickbaiting-Beauftragte muss also gar nicht diskutieren. Worüber auch? Sie lebt allein und das ist ja wohl 1 feministisches life at it´s best! Das ist fast so geil feministisch wie Friedrich Merz, der sich selbst jede Frauenfeindlichkeit absprach mit der Begründung, dass er ja mit einer Frau verheiratet sei. 

Mirna liebt also ihr Kind und sieht daher keinen Grund, diese „Liebesdienste“ besonders wertzuschätzen oder vielleicht sogar einzugestehen, dass sie eine Mehrbelastung darstellen für alle Personen, die…nun ja…Kinder haben und diese bestmöglich versorgen – aus Liebe, versteht sich. Ihren „Boy“ hat sie aber rausgeschmissen, als der diese Liebesdienste aka Hausarbeit nicht mit ihr teilen wollte. „Why“, um in ihrer Sprache zu bleiben? Warum solltest Du mit Deinen Liebesdiensten haushalten und sie gerecht zwischen Dir und dem Vater aufteilen wollen?

Es ist ganz einfach: Schmeißt auch noch die Schokolade raus!

Ob Mirna Funk eigentlich auch ihre Arbeit liebt? Ich frage nur, weil das nach ihrer Logik ja super wäre für ihre Arbeitgeber, der Vogue z.B.. Als Kolumnistin ist Mirnas Stimme dort viel beachtet. Das Magazin gehört vielleicht nicht gerade zu den feministischen Leitmedien, gibt aber auch anderen Müttern heißbegehrte Jobs, wie z.B. Neumutter Naomi Campbell. Dort könnten sich die beiden alleinerziehenden Mütter sogar begegnen und sich entsprechend ihrer Rollen in unserer Gesellschaft einmal darüber austauschen, warum es als Frau eigentlich so schwer ist, den Job zu behalten, wenn man schwanger wird. Bei ihnen war es ja auch kein Problem. Und wozu braucht es überhaupt die Body-Positivity-Bewegung? Es könnten doch alle so schlank und fit sein wie die beiden, ihr müsst nur die Schokolade rausschmeißen.

Gesellschaftlich relevante Lebensfragen kritisch zu betrachten, gehört zu den Arbeitsaufgaben einer Kolumnistin. Für das Online-Frauenmagazin Edition F tut Mirna Funk das regelmäßig in der Serie: „Sag mal Mirna, …?“. Hier bildet sie mit ihrem erzählerischen Geschick und ihrer Lebenserfahrung weibliche Themen ab und ich hätte da auch mal eine Frage: Sag mal Mirna, geht´s eigentlich noch? Wie kann es sein, dass jemand, der so viele Vorrechte genießt, sich so dösig und blind gegenüber anderen Lebensrealitäten gibt. Wieviel Champagner muss man auf Society-Empfängen getrunken haben, um all die Frauen als willensschwach und inkonsequent abzustempeln, die sich nicht einfach aus Abhängigkeiten befreien, in die Frauen und besonders Mütter ja oft deswegen geraten, weil sie die Gegebenheiten schon benachteiligen? Wir wollen raus aus dem Zuschreibungskorsett „Mutti macht das schon“ und die Care-Arbeit aufteilen, weil es fair ist.

Liebe Frauen, hört nicht auf Mirna und redet lieber mit eurem „Boy“ (bitte nennt ihn nicht so, das ist grausig!). Gebt ihm die Chance, der weltbeste Partner und Vater zu werden. Der arme Tropf ist nämlich auch in den Strukturen aufgewachsen, die uns das Patriachat kredenzt hat. Ein bisschen Geduld braucht es schon. Wir müssen da nun mal gemeinsam durch, auch wenn es mühsam ist, den Stefans und Torstens nochmal zu erklären, warum diese Gleichberechtigung sinnvoll ist. Ich bin sicher, das hätte sich auch für Mirna gelohnt.

Text: Andrea Glaß

Foto: unsplash/Greg Kantra

Ist man dann eigentlich eine Rabenmutter, wenn man das ständige Organisieren und Mitdenken nicht mag? Für den Großteil der  Mütter ist die Berufstätigkeit und gleichzeitige Care-Arbeit nämlich eine enorme Belastung und die mentale Last findet selten ein Ende (umso mehr, wenn man alleinerziehend ist). Die Buchautorin und Mutter, Laura Fröhlich, zeigt in ihrem Buch „Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles“ neue und faire Lösungen auf. Unser Interview mit Laura könnt ihr hier nachlesen.

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