Wer von Euch Kinder zwischen 9 und 14 Jahren hat, kommt früher oder später mit dem Thema “HPV-Impfung” in Kontakt, die z.B. vor Gebärmutterhalskrebs schützt, aber auch für Jungen wichtig ist. Wir haben für euch mit Dr. Anne Högemann gesprochen, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Die 37-Jährige ist seit 2016 Mitglied der Ärztlichen Gesellschaft zu Gesundheitsförderung e.V. und hat selbst drei Kinder.
POLA Magazin: Liebe Frau Dr. Högemann, wie gefährlich ist eine HPV-Infektion?
HPV ist eine Abkürzung für Humane Papillomviren, von denen es über 200 verschiedene gibt. Die meisten sind harmlos und verursachen zum Beispiel Warzen. 40 dieser Virentypen können über Geschlechtsverkehr übertragen werden, diese werden in Niedrigrisiko- und Hochrisiko-Typen unterteilt. Die Niedrigrisiko-Typen verursachen Genital- oder Feigwarzen. Zwar sind diese nicht gefährlich aber häufig ist die Behandlung langwierig und für die Betroffenen unter Umständen ziemlich belastend.
Eine Ansteckung mit Hochrisiko-Typen wird in 8-9 von 10 Fällen vom Abwehrsystem bekämpft und heilt allein aus. In 1-2 von 10 Fällen können die Viren aber am Gebärmutterhals, der Scheide und dem äußeren weiblichen Geschlechtsbereich, dem Penis, dem Darmausgang oder im Mund-Rachen-Raum über einen meistens langen Zeitraum hinweg eine Entzündung verursachen, die dann zu Krebsvorstufen oder Krebserkrankungen führen kann.
Jährlich erkranken zum Beispiel in Deutschland circa 4.500 Frauen allein an Gebärmutterhalskrebs, 1.500 Frauen versterben jährlich daran. Die notwendigen Therapien können auch bei Heilung dazu führen, dass später das Risiko steigt, eine Frühgeburt zu haben, oder man gar keine Kinder mehr bekommen kann. Da häufig jüngere Frauen ab 35 Jahren betroffen sind, ist dies eine schwerwiegende Folge der Erkrankung, die weitreichende Auswirkungen für das weitere Leben haben kann.
Wie genau wird die HPV-Impfung verabreicht und was genau bewirkt sie?
Wie alle anderen Impfungen auch wird die HPV-Impfung in den Arm gespritzt. Bei 9-14-Jährigen werden zwei Impfungen im Abstand von einem halben Jahr empfohlen. Ab 15 Jahre werden für den gleichen Impfschutz drei Impfungen benötigt, diese werden ebenfalls über ein halbes Jahr verteilt verabreicht. Aktuell sind in Deutschland zwei Impfstoffe auf dem Markt. Der eine schützt vor den beiden häufigsten Hochrisiko-Typen, die andere vor den sieben häufigsten Hochrisiko- und den beiden häufigsten Niedrigrisiko-Typen.
Warum sollte die HPV-Impfung so früh wie möglich erfolgen?
Das hängt vor allem von zwei Faktoren ab. Erstens ist es so, dass zwischen 9 und 14 Jahren das Abwehrsystem schon nach zwei Impfdosen den größtmöglichen Schutz aufbaut, ab dem 15 Jahren sind dafür drei Impfdosen notwendig. Zweitens sind vor allem Jugendliche in den ersten Jahren wenn sie sexuell aktiv werden (das ist bei über 90% erst nach 14 Jahren der Fall) für HPV-Infektionen besonders anfällig. Deswegen sollten alle Jugendlichen möglichst vor dem ersten Geschlechtsverkehr geimpft sein. Auch unter dem Aspekt, dass Kondome keinen ausreichenden Schutz vor einer HPV-Infektion bieten, ist dies sinnvoll.
Sollte der Zeitraum verpasst werden, macht es trotzdem Sinn, sich bis zum 18. Geburtstag nachimpfen zu lassen. Bis zu diesem Alter wird die Impfung in jedem Fall von den Krankenkassen erstattet, danach ist es eine individuelle Entscheidung der Kassen.
Wie wirksam ist die HPV-Impfung?
Nach dem derzeitigen Stand würde der Zweifach-Impfstoff circa 70% aller Gebärmutterhalskrebsfälle in Deutschland verhindern, für den Neunfach-Impfstoff träfe das auf 90% der Gebärmutterhalskrebsfälle und 90% der auftretenden Genitalwarzen zu. Die Wirkung der Impfung hält mindestens 13 Jahre an. Vielleicht ist der Impfschutz noch viel länger vorhanden. Da die Impfung aber erst seit 13 Jahren verabreicht wird, haben wir einfach noch niemanden, an dem wir untersuchen könnten, ob die Impfung 20 oder 30 Jahre oder vielleicht auch ein Leben lang hält.
Wie hoch ist die HPV-Impfquote in Deutschland?
Die Impfquoten schwanken von Bundesland zu Bundesland stark. Da die Empfehlung, die Jungen zu impfen erst seit Mitte 2018 besteht, gibt es dazu noch keine Daten. Nach den letzten Erhebungen müssen wir davon ausgehen, dass weniger als die Hälfte der Mädchen vollständig gegen HPV geimpft sind.
Warum das so ist, hat wahrscheinlich mehrere Gründe. Insgesamt ist die Impfung immer noch zu unbekannt, das deckt sich auch mit unseren Erfahrungen in den Schulen. Außerdem wird die Vorsorgeuntersuchung zwischen 12 und 14 Jahren -die J1- in der Kinderärzt*innen über die Impfung informieren können, von vielen Kindern und Jugendlichen nicht in Anspruch genommen. Zu guter Letzt wurde die Einführung der Impfung in Deutschland auch von einigen wenigen Mediziner*innen sehr kritisch gesehen. Die Befürchtungen Einzelner aus der Anfangszeit haben sich nun nach über 13 Jahren nicht bewahrheitet, dennoch wirkt diese Verunsicherung bei vielen bis heute nach.
Welche Nebenwirkungen können nach der Impfung auftreten?
Die Sicherheit von Impfstoffen wird nicht nur in jedem Land einzeln sondern auch weltweit durch die Weltgesundheitsorganisation überwacht. Dadurch kann man heute mehr als 270 Millionen gegebene HPV-Impfdosen überblicken. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Impfung von den allermeisten Geimpften sehr gut vertragen wird. In den letzten Jahren gab es sehr viele Studien, die zum Beispiel den Zusammenhang zwischen der Impfung und Autoimmunerkrankungen oder Todesfällen untersucht haben. Diese Studien haben keine Zusammenhänge nachgewiesen. Bis auf Einzelfälle sind aktuell keine Nebenwirkungen bekannt, die die Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen und durch die Impfung verursacht wurden.
Wenn es Nebenwirkungen gibt, werden vor allem zeitweise Kopfschmerzen, Schwindel und Abgeschlagenheit beschrieben. Darüber hinaus besteht ein Risiko von circa 1,7 zu einer Million, allergisch auf eine Impfung zu reagieren.
Wie bei anderen Impfungen auch sind Rötungen, Schwellungen und Schmerzen an der Einstichstelle sowie ein Schwächegefühl in den Tagen nach der Impfung möglich, diese sind aber ein Zeichen, dass das Immunsystem arbeitet und einen Impfschutz aufbaut, also kein Grund zur Besorgnis. Gerade bei den 9-14 Jährigen wird auch beschrieben, dass einigen beim Impfen schwindelig wurde. Deswegen wird empfohlen, dass sie bei der Impfung sitzen oder liegen. Insgesamt wird die Impfung sowohl national wie auch international als sehr sicher und gut verträglich eingestuft.
Können und sollten sich auch Jungen dagegen impfen lassen?
Ja, auf jeden Fall! Seit Ende letzten Jahres empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die HPV-Impfung für ALLE Jugendlichen unabhängig vom Geschlecht. Wir gehen davon aus, dass jährlich circa 1.600 Männer an HPV-bedingtem Krebs erkranken. Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass zum Beispiel bis zu 76% aller Krebsvorstufen am Darmausgang durch die Impfung verhindert werden könnten. Abgesehen davon können Genitalwarzen Jungen genauso betreffen. Mit einer Impfung schützen Jugendliche außerdem nicht nur sich selbst sondern auch mögliche Sexualpartner*innen und das sogar langfristig.
Liebe Frau Dr. Högemann, vielen Dank für das Interview!
Tipp: Lehrer, die das Informationsangebot der ÄGGF für ihre Klassen nutzen wollen, finden hier alle Ansprechpartner vor Ort.
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