Das Thema Lese-Rechtschreib-Schwäche beschäftigt euch oder ihr fürchtet, euer Kind könnte sich mit einer Rechenschwäche herumplagen? So geht es auch diesen Eltern:
Dienstag, 16 Uhr. Jede Woche. Dieselbe Zeit. Aber vor allem – dieselbe Frustration. Während sich bereits in der Kita eine Traube aus Kindern um Tim versammelte und darüber staunte, dass er schon mit 5 Jahren die Uhr lesen konnte und er zu Hause Konstruktionen aus dreistöckigen Polizeirevieren mit Lego City baute, sitze ich nun 4 Jahre später mit ihm – ziemlich verzweifelt – über seinen Deutsch-Hausaufgaben. Er setzt sich widerwillig an den Tisch und beginnt zu schreiben “Das machd kein Schpas”, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, atmet schwer und wirft schließlich seinen Füller über den Tisch, mit den Worten “Ich kann das einfach nicht, ich bin dumm.” Und ich als Mama ratlos. Seine Deutschnoten werden trotz Übens einfach nicht besser.
Schon vor der Schulzeit kritzelte Mathilda kleine Einkaufslisten auf ihren Notizblock. Sie fragte “Mama, wie schreibt man Eis? Und wie schreibt man Lolli?” und freute sich, dass das E wie eine Harke ohne Stiel aussieht. Sie ist ein sprachgewandtes, pfiffiges Mädchen, mit sauberster Handschrift in ihren 1er Diktaten. Und dann macht ihr Mathe bzw. der Mathelehrer im wahrsten Sinne des Wortes einen (roten) Strich durch die Rechnung! Immer wieder verspürt sie vor oder im Matheunterricht Unwohlsein, Anspannung, vor Tests mitunter Bauchkrämpfe oder Kopfschmerzen. Sie bekommt zweimal die Woche Mathenachhilfe, die wir als Eltern teuer bezahlen, ohne Erfolg.
Lese-Rechtschreib-Schwäche und Rechenschwäche
So oder so ähnlich kann wie in den Beispielen es aussehen, wenn es sich um eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS), Isolierte Lese- oder Rechtschreibschwäche oder Dyskalkulie (Rechenschwäche) handelt.
Die Kinder haben Schwierigkeiten, dem Tempo der Wissensvermittlung in Deutsch oder Mathe standzuhalten, sind überfordert mit neuen Inhalten, weil sie die vorherigen Grundlagen noch nicht beherrschen. Durch das mangelnde Verständnis entstehen Wissenslücken, die die Schüler:innen nicht mehr aufholen können, schließlich werden sie von der Klasse abgehängt. Und dies nicht, weil sie weniger intelligent sind als ihre Mitschüler:innen, sondern aus multifaktoriell bedingten Gründen, die eine komplexe Diagnostik erfordern.
Wie zeigen sich LRS und Dyskalkulie?
Bei einer LRS können sich Schwierigkeiten schon in der Kita zeigen, indem das Kind sprachlich noch nicht so weit entwickelt ist wie die anderen Kinder im selben Alter. Eine erste Orientierung bieten dafür bereits Entwicklungsgespräche in der Kita. Eine Ursache für Sprachrückstände könnten auf neuronaler Ebene Einschränkungen in der Sinneswahrnehmung des Kindes sein. Wenn sich sprachliche Auffälligkeiten in den Folgejahren manifestieren, besteht die Möglichkeit einer Schulrückstellung, hier bietet die ärztliche Einschulungsuntersuchung Orientierung. In der Schule zeigen sich Auffälligkeiten in Deutsch durch stockendes Lesen, Wörterraten, fehlendes Textverständnis, Rechtschreibfehler bis hin zur gänzlichen Vermeidung von Lesen und/oder Schreiben. In Mathe hingegen bspw. durch Fingerzählen oder fehlendem Verständnis der Grundrechenarten.
Das Kind erhält eine schlechte Note nach der anderen und entwickelt im Worst Case durch anhaltende Frustration trotz seiner Anstrengung ein instabiles Selbstwertgefühl durch allgegenwärtige unbewusste negative Glaubenssätze über seine Leistungen. Die Anstrengungsbereitschaft des Kindes könnte insgesamt sinken, weil es lernt “Egal wie viel ich investiere, ich bin trotzdem nicht erfolgreich”. Oder auch: “Es reicht nicht, was ich tue, ich kann den Anforderungen nicht standhalten.” Dies könnte einen allgemeinen Leistungsabfall nach sich ziehen und sich auf die Aufmerksamkeit und Konzentration auswirken. Die Basis für Wissensaneignung fehlt, weil die Sinneswahrnehmung blockiert wird, bspw. hört der/die Schüler:in nicht mehr zu.
Wie könnt ihr aktiv werden?
Um diese Blockade und eine negative Schulbiographie zu vermeiden, kann gezielt auf spezifische Schwächen präventiv getestet werden. D.h. wenn auch euer Kind in der Schule große Probleme mit dem Schreiben, Lesen oder Rechnen hat und ihr den Eindruck habt, dass euer Kind unter schulischem Druck leidet, unruhig oder frustriert ist, es bspw. auch nicht mehr gerne in die Schule geht, könntet ihr im ersten Schritt mit der Klassenlehrer:in sprechen oder alternativ direkt einen Diagnostiktermin bei Schulpsycholog:innen oder Kinder- und Jugendpsychiater:innen vereinbaren.
Wenn eine entsprechende Teilleistungsschwäche bestätigt werden kann, bekäme euer Kind die Möglichkeit, Nachteilsausgleiche zu erhalten, wodurch es langfristig Entlastung erfährt. D.h. bspw. verlängerte Arbeitszeit für Aufgaben oder Tests, zusätzliche Arbeits- und Hilfsmittel oder Notenschutz. Es kann Fördermaßnahmen, wie eine Lerntherapie, in Anspruch nehmen.
Ziel dabei ist es, das Überforderungs- und Frustrationserleben zu reduzieren und die Selbstwirksamkeitsentwicklung positiv zu schützen, dazu kommt der positive Effekt der besseren Noten eures Kindes. Selbstverständlich könnt ihr euer Kind unterstützen, ihm bspw. regelmäßig vorlesen oder es motivieren, kleine Rezepte oder Einkaufslisten zu schreiben, ihm ein kleines Tagebuch für Ideen anbieten oder ihr geht mal zusammen in die Bibliothek. So lernt euer Kind das Wichtigste: Es ist in Ordnung, in einem Teilbereich nicht so gut zu sein, wie vielleicht andere, aber es ist eben auch nur das – ein Teilbereich und nicht die gänzlichen Fähigkeiten eures Kindes.
Weitere Tipps rund um das Elternleben findet ihr in unserem Elternrat, zum Beispiel:
- Kinder bei Ängsten begleiten
- Elternrat: Grenzen setzen bei Kleinkindern
- Big Five – Die fünf Persönlichkeitsmerkmale des Menschen
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