Kolumne: Kreative Kindsköpfe

Kolumne Kleinkinder Kind Erziehung Elternsein

Egal, für wie schlau Du Dich hältst, Kleinkinder kommen auf Ideen, da würdest Du nie drauf kommen. Der Alltag mit ihnen führt uns nur zu gern vor Augen, wie eingefahren unser Verstand ist. Alles muss immer bestimmten Erwartungen gerecht werden. Kinder haben da oft ganz andere Zugänge und wir können eine Menge von ihnen lernen. Ihr Verhalten sagt uns: Reiß sie nieder, die Mauern des konventionellen Denkens. Mach „Think out of the box“ zu Deinem Lebensmotto! Also warum nicht mal die Strumpfhose als Mütze tragen? Oder die Erdbeer-Zahnpasta aufs Brot? Einfach offen bleiben. Lass das Staunen in Dein Leben!

Und so staunte ich nicht schlecht, als ich erkannte, dass der Zweijährige offenbar in der Lage ist, eine Instagram Story mit meinem unschuldig herumliegenden Handy zu posten. Ich habe das erst bemerkt, als die ersten Reaktionen kamen. Instagram! Das kann also wirklich jedes Kleinkind. Die Handhabe ist wohl sehr intuitiv und logisch zwingend. Ganz anders als das Konzept Wurstbrot essen. Hier scheint das gleichzeitige Abbeißen von Wurst und Brot nur eine von vielen Optionen zu sein. Alternativ kann das Kind auch nur die Wurst essen und dann testen, wie lange so eine Stulle mit nackter Butterseite unentdeckt unterm Tisch haften bleibt. Wir wissen es jetzt: 3 Stullen haften circa 4 Stunden – je nachdem, wieviel Butter drauf war. Ich allein hätte das nie ausprobiert. Da fehlt mir einfach die Fantasie.

Zudem werden moderne Kinder offenbar mit einer derart natürlichen Medienkompetenz geboren, dass man ihnen überhaupt nicht lange erklären muss, wie der Fernseher angeht oder man die Spracheinstellung eines Mobiltelefons in 15 Sekunden auf Russisch umstellt. Das ist beeindruckend. Als Erwachsener mit schnödem Normdenken sind sogar einfache Kinderbeschäftigungen für Überraschungen gut. Auch die 4-teiligen Tierpuzzles offenbaren dank Kreativität und Hinwendung zum Kubismus ganz neue Perspektiven. Mit ein wenig Willen und der Durchsetzungskraft eines wütenden Kleinkindes hat das Schwein die Augen eben jetzt am Hintern. Take it or leave it.

Bitte nicht die Bauarbeiter füttern

Überraschende Wendungen nehmen mitunter auch Ausflüge. Ich dachte zum Beispiel, dass es eine tolle Idee wäre, dem Zweijährigen die wilden Tiere, die er aus den vielen Bilderbüchern kennt, einmal in echt vorzustellen. In meinen Gedanken sah ich mich schon im Zoo die schönsten Momente seiner frühen Kindheit ernten, wenn ich ihm kolossale Elefanten, silbergraue Gorillas oder brüllende Löwen zeige. Ich bezahle also gern die 18 Euro Eintritt für das unvergessliche Erlebnis, nur um drei Meter hinterm Elefantentor festzustellen, dass der Junge eingeschlafen ist. Gut. Erstmal zwei Stunden Pause.

Sobald er die Augen wieder aufgeschlagen hat, läute ich das Spektakel ein und kündige jedes Tier lautmalerisch an. Leider lässt er sich so begeistert an den Zootieren vorbeischieben, als würde man Dieter Bohlen bei DSDS Alle meine Entchen im Disco Mix vorspielen. Frustriert steuere ich das Raubtiergehege an. Mit den riesigen Miezekatzen wird er ja wohl zu kriegen sein?! Und tatsächlich bekommt das Kleinkind glänzende Augen und Schnappatmung. „DA, DAAAAA“ ruft er aufgeregt, denn die Gehege von Tiger, Löwe und Co. werden gerade umgebaut und hinter der Absperrung dröhnen imposante Bagger und bullige Radlader in ihrem natürlichen Habitat: Die Baustelle. Ich denke kurz an den Abriss des Einkaufszentrums vor unserem Haus mit allem, was das Baumaschinen-Herz begehrt und verdränge dann sofort Anfahrtsstress, Eintrittspreis und Erwartungshaltung. Nach kurzer Zeit stehen noch 4 weitere geläuterte Zoobesucher mit kleinen Kindern neben mir und tun, was man in einer solchen Situation eben tut: Sich über eine Reaktion freuen! Denn der Baggerfahrer winkt den Kindern mit der Schaufel, dreht das Gefährt im Kreis und lässt seine Lichter aufflackern. Die Kinder bekommen eine echte Show und sind begeistert.

Baggerfahrer haften für Ihre Kinder

Keine Berufsgruppe im öffentlichen Raum wird derart schamlos begafft wie Bauarbeiter und die liefern zuverlässig, wenn sie kleine Zuschauer haben. Mich wundert überhaupt nicht mehr, dass Zeitpläne auf Baustellen nie eingehalten werden. Ich nehme an, dass der BER seit Baubeginn als Geheimtipp unter Eltern rangierte und die butterweichen Herzen der Baumaschinenführer es einfach nicht fertig brachten, die Kinder zu enttäuschen. Zuletzt kam ich mit meinem Sohn wieder minutenlang nicht an einer Baustelle vorbei. Da rief der Baggerfahrer mir zu: „Jehn Se ruhich alleene inkoofen, wir machen erst um viere Schluss, solange bewecht der sich hier eh nich weg.“ Und da erkannte ich, dass man sich das freie Denken durchaus bis ins Erwachsenenalter erhalten kann.

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