Was ist denn das hier für ein Kindergeburtstag?

Kindergeburtstag! Das klingt lustig, aber nur solange, bis man selbst einen ausrichten muss. Kaum ist das Kind auf der Welt, sitzen Eltern auch schon in der Falle. Ab sofort ist ein ordentliches Brimborium zum Jahrestag des ersten Atemzuges Pflicht. Euphorisch vor Glück über die Ankunft des ersehnten Nachwuchses mussten wir die Info ja unbedingt gleich an die große Glocke hängen. Heimlich ausfallen lassen, gilt nicht. Zu viele Menschen haben das Geburtsdatum jetzt auf dem Schirm. Sobald die SMS mit Größe und Gewicht an den Familienchat abgesetzt ist, kann man eigentlich auch schon mit der Planung beginnen, denn offenbar ist die elterliche Liebe zum Kind an der Geburtstagsparty und den Geschenken ablesbar. Nur so lässt sich erklären, dass ganze Unternehmen vom Konzept Kindergeburtstag leben können.

Alter des Kindes mal zwei

Kein Handy zum 6. Geburtstag? Das grenzt schon an Vernachlässigung. Bescheidenheit ist beim Kindergeburtstag einfach nicht angebracht. Eine Hüpfburg sollte schon drin sein und wenn im Wohnzimmer zu wenig Platz ist, dann wenigstens ein Zauberer. Die magische Gästeformel lautet grob: Alter des Kindes mal zwei. Familie zählt nicht, denn die lässt sich erst von Torte und später mit Fusel überschaubar am Tisch ruhigstellen. Schwieriger wird das mit der wuselnden Kinderschar, sobald der Zuckerspeicher auf Anschlag steht. Der Bewegungsdrang steigert sich ins Unermessliche und im schlimmsten Fall wechseln die überdrehten Gemüter dann von Topfschlagen zu Kopfschlagen. Also, wenn möglich: rausgehen! Eltern, deren Kinder im Winter Geburtstag haben, sind gut beraten, wenn sie auf Sporthallen oder Indoor-Spielplätze ausweichen. Vorteil: die Kinder kotzen den Benjamin-Blümchen-Kuchen nicht auf die heimische Geburtstagstafel. Nachteil: Verletzungsgefahr! Der Spaß darf nur so weit reichen, wie die Augen der Aufsichtspersonen – also meist nicht mehr so weit.

Auf die Unterstützung der Großeltern braucht man bei Kindergeburtstagen auch nicht zu setzen, die sind nur gekommen, um sich mit lauten und völlig überteuerten Geschenken beim Geburtstagskind beliebt zu machen und außerdem, um uns sektschlürfend beim Gestresstsein zuzuschauen. Das betrachten die als ausgleichende Gerechtigkeit für all die Kindergeburtstage, die wir ihnen zugemutet haben. Obendrein scheint es, als würden die süßen Enkel die komplette Geburtstagsenergie aus den gutmütigen Erziehungsrentnern saugen. Für die eigenen Kinder haben Oma und Opa plötzlich nur noch hilflose Präsentkörbe oder Feinkost-Gutscheine in Petto, oft muss man sich sogar mit einer fernmündlichen Gratulation aus Südspanien und ein paar saftigen Orangen per Post begnügen. Aber für die lieben Kleinen kommen sie gern mit ihren Campingmobilen von weit her gefahren, um das nervige Elektrospielzeug höchstpersönlich abzuliefern. Na herzlichen Glückwunsch!

Was haben die bitte geleistet?

Mütter sind besonders übel dran. Die hatten von Anfang an den ganzen Stress. Erst die Übelkeit, dann die dicke Plauze inklusive Walfischfeeling und als Grande Finale stundenlange Schmerzen als krampfende Gebärmutter. Und jetzt ratet, wer an jedem Jahrestag die fette Party zur Belohnung kriegt? Die Kinder! Was haben die bitte geleistet? Wir Erwachsenen haben uns zwar daran gewöhnt, tun aber eigentlich nur so, als würden wir den ganzen Rummel nicht mehr brauchen. Dass das nicht die Wahrheit ist, sieht man, wenn das Szenario wechselt und die Überschrift „Ü30-Party“ lautet. Hier gibt es zwar keine Geschenke, aber die Eskalationsstufe ist durchaus vergleichbar. Im Grunde ist der Rahmen ja ähnlich: Völlige Ausgelassenheit mit Freunden, viel zu lautes Gegröle, altersgerechte Musik und ob am Ende von zuviel Kuchen oder zuviel Pfeffi gekotzt wird, macht auch keinen großen Unterschied.

Mir sind Leute grundsätzlich sympathisch, die stets darum bemüht sind, das Niveau Kindergeburtstag auch für die eigene Bespaßung zu erreichen. Schließlich ist Elternsein voll anstrengend. Dauernd muss man Verantwortung übernehmen und immer über alles genauestens Bescheid wissen. Unter anderem wie die Eltern der kleinen Geburtstagsgäste aussehen. Falls das Wiegenfest nämlich eine Übernachtungsparty ist, wirkt man richtig unsouverän, wenn es am nächsten Morgen an der Tür klingelt und man bei Gott keine Ahnung hat, welches Kind zu dem nett lächelnden Erwachsenen gehört. Für mich hat sich ein neutrales: „Na schaut mal, wer daaaaaaaaa ist!“ in Richtung der Kinder bewährt. Die unerträglichen 20 Sekunden bis ein Kind endlich ruft: „Papa!“, muss man ganz stoisch aushalten. Meine größte Sorge ist immer, dass der DHL-Mann im falschen Moment klingelt. Der erfährt dann mal am eigenen Leib, wie es ist, wenn man was bekommt, was man gar nicht bestellt hat.

Die Goodie Bag – nur eine miese kleine Visitenkarte voll von Ein-Euro-Badewannenartikeln und Aufklebern

Unbedingt sollte man auch die mitgebrachten Geschenke auf dem Schirm haben. Genauer gesagt, wer was geschenkt hat. Im Eifer des Gefechts kann es sonst passieren, dass man die nervige Lillifee Hörspielbox – Fan Edition neu eingepackt aus Versehen genau dem Kind zurückschenkt, das es vor wenigen Wochen noch so stolz an den eigenen Nachwuchs überreicht hat. Peinlich!
Auch der schönste Kindergeburtstag geht irgendwann mal zu Ende und um die Materialschlacht noch etwas auszuweiten, haben sich Abschiedsgeschenke in Tüten bewährt. Die Goodie Bag soll ein Andenken sein, ist aber eigentlich nur eine miese kleine Visitenkarte voll von Ein-Euro-Badewannenartikeln und Aufklebern, die vom elterlichen Hang zur Übertreibung zeugen.

Deswegen meldet sich nach dem überladenen Party-Exzess auch manchmal das schlechte Gewissen und die Frage: Muss das eigentlich alles sein? Soviel von allem? So bunt? So teuer? Ein Kindergeburtstag im Wald mit 5 Pferdedecken zum Bude bauen und einem rustikalen Fresspaket wäre vielleicht ebenso eine spaßige Alternative. Mal richtig Abenteuer und echtes Holz riechen statt immer so zu tun, als wär man mit seiner verlogenen Holzspielzeug-Mentalität ganz dicht an den eigentlichen Bedürfnissen der Kinder. Echten Spaß kann man eben nicht in Geschenkpapier verpacken. Dreckige Füße und zerzauste Haare sind doch immer noch die besten Mitbringsel vom Kindergeburtstag. 

Text: Andrea Glaß
Foto: 
Pexels.com/kampusproduction

Habt ihr schon Andreas großartige letzte Kolumne zum Thema Feminismus gelesen? “Wer im Elfenbeinturm sitzt, hält besser die Klappe”!

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