Eine Hebamme im Interview: „Wollmäuse und Chaos sind ganz normal!“

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Die Hebamme Antje Schulz arbeitet seit 2008 freiberuflich im Alexianer St. Josefs-Krankenhaus Potsdam-Sanssouci. Im Interview hat sie uns viele Tipps und Informationen zur Schwangerschaft, Geburt und dem Wochenbett gegeben. 

POLA: Liebe Frau Schulz, ab wann sollte man sich eine Hebamme suchen? 

Antje Schulz: Sobald man weiß, dass man schwanger ist, denn Fragen und Beschwerden können auch schon am Anfang einer Schwangerschaft auftreten. 

Ist es wichtig, an einem Geburtsvorbereitungskurs teilzunehmen und bis wann sollte man diesen absolvieren?

Wenn man sein erstes Kind bekommt – auf jeden Fall! Denn zum einen lernt man den Beruf der Hebamme näher kennen und versteht, für welche Bereiche wir zuständig sind. Zum anderen erhält man durch diesen Kurs eine realistische Vorstellung vom Verlauf der Schwangerschaft und der Geburt und dem “Eltern werden”. Außerdem können in einem Geburtsvorbereitungskurs alle Fragen der Eltern geklärt werden. Unabhängig davon, ob der Kurs an einem Wochenende oder über mehrere Wochen stattfindet, sollte er ungefähr vier Wochen vor dem Geburtstermin beendet sein. 

Ist es sinnvoll, den Partner/die Partnerin bei dem Geburtsvorbereitungskurs mit dabei zu haben?

Die Person, die während der Geburt, im Wochenbett und in der Stillzeit die erste Ansprechperson ist, sollte unbedingt mit an dem Kurs teilnehmen. Denn ein verunsicherter Vater verunsichert auch seine Frau. Wenn man bei der Geburt lieber die beste Freundin mit dabei haben möchte, dann kann man sich die Termine auch aufteilen. Die Freundin kommt dann einfach zu den Stunden, in denen es um die Geburt geht und der Partner zu der Zeit, in denen es um das Baden, Wickeln und Stillen geht. 

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Wie kann man sich mental am besten auf die Geburt vorbereiten?

In dem man sich während der Schwangerschaft genau überlegt, was einem selbst gut tut und zur Geburt eine gute Konstitution mitbringt. Gesunde Ernährung und viel Bewegung an der frischen Luft spielen hierbei eine wichtige Rolle. Außerdem sollte man sich positiv auf die Geburt einstimmen und darauf vertrauen, was der eigene Körper alles leisten kann. Ein Vertrauensvorschuss zu den Hebammen und Ärzten ist hierbei natürlich auch von Vorteil. Des Weiteren sollte man sich eine Geburts-Begleitung suchen, die einem auch gut tut. Das kann der Partner, die eigene Mutter oder die beste Freundin sein – wichtig ist, dass man im Kreißsaal so sein kann, wie man ist. Besonders am Anfang sind diese Personen gute Sicherheitsanker. Es gibt aber auch Frauen, die entscheiden sich ganz bewusst dafür, allein zu kommen. 

Welchen Rat würden Sie Müttern geben, die besonders große Angst vor der Geburt haben?

Es ist wichtig, dass man Sorgen so früh wie möglich mit der Hebamme bespricht. Daher ist ein engmaschiger Kontakt während der gesamten Schwangerschaft von Vorteil. Ein gewisser Respekt vor der Geburt ist ganz normal. Oft hilft eine realistische Darstellung der Maßnahmen und Möglichkeiten während der Geburt oder wenn die Frauen erfahren, welche fachliche Begleitung sie unter der Geburt erhalten. Auch durch den Geburtsvorbereitungskurs verlieren viele Frauen ihre Ängste. 

Viele Frauen sind verunsichert und packen viel zu viele Dinge in die Kliniktasche. Was wird wirklich gebraucht?

Eigentlich braucht man gar nicht so viel. Im Kreißsaal ist es hilfreich, etwas Bequemes zu tragen. Das kann ein Klinikhemd oder ein eigenes weites T-Shirt sein. Praktisch sind Badelatschen und dicke Socken mit Stoppern, wenn die Frauen zu kalten Füßen neigen. Auf der Wochenstation benötigen die Mütter auch nur ihre persönlichen Kosmetik-Produkte. Für das Baby ist alles vorhanden, also zum Beispiel Kleidung, Windeln und Schlafsack, nur für den Weg nach Hause braucht man dann die eigene Kleidung.

In Ihrem Krankenhaus spielt das Bonding eine bedeutende Rolle. Können Sie uns darüber ein wenig mehr erzählen? 

Bonding ist die Entwicklung eines emotionalen Bandes zwischen Eltern und Kind und wird durch den direkten Körperkontakt hervorgerufen. Es ist erwiesen, dass Bonding für die Entwicklung des Kindes, für die Milchbildung und die Stillbeziehung sinnvoll ist. Außerdem haben die Kinder dadurch auch eine wunderbare Wärmestabilisierung. Bei uns wird das Bonding auch auf der Wochenstation weitergeführt. 

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Worauf sollte man im Wochenbett unbedingt achten? 

Auf Ruhe und Erholung für mindestens vier Wochen! Diese Zeit sollte der kleinen Familie gehören, in der sich die alle neu zusammenfinden müssen. Es ist wichtig, dass man in dieser Zeit Unterstützung bekommt, sei es durch den Kinderarzt, die Hebamme oder durch hilfreiche Unterstützer, die Mittagessen vorbeibringen oder den Haushalt schmeißen. Denn Wollmäuse und Chaos sind am Anfang ganz normal. 

Und haben Sie auch Tipps zum Thema Stillen? Was ist, wenn das Stillen nicht gleich problemlos funktioniert?

Stillen ist eine Fähigkeit, die den Frauen und Babys in den meisten Fällen gegeben ist. Aber es ist auch ein bisschen wie tanzen lernen, man muss erstmal üben. Und manchen gelingt das eben schneller als anderen. Auf jeden Fall sollten sich Eltern durch erste Stolpersteine nicht sofort verunsichern lassen. 

Die Wochenbettdepression (auch postpartale oder postnatale Depression) betrifft nach der Geburt 15% aller Mütter. Welche Gedanken und Gefühle sind normal und ab wann sollte man sich Hilfe holen?

Da gibt es unterschiedliche Ausprägungen. Es gibt natürliche Stimmungsschwankungen, die hormonell ausgelöst werden und sich meistens auf den frühen Wochenbett-Verlauf beschränken. In dieser Zeit sind die Frauen näher am Wasser gebaut oder sie fragen sich, ob sie dem Ganzen eigentlich gewachsen sind. Diese Stimmungsschwankungen sind ganz normal und können auch schon während der Schwangerschaft auftreten. Zweifeln die Mütter allerdings an ihren eigenen Fähigkeiten oder wünschen sich, dass sie oder das Baby lieber nicht auf der Welt wären, ist Hilfe nötig. Doch das ist dann nicht mehr der Aufgabenbereich von uns Hebammen, sondern da muss man sich schnell professionelle Hilfe suchen. Es gibt zum Beispiel die Edinburgh-Postnatal-Depressions-Skala (EPDS). Das ist ein Fragebogen mit zehn Fragen, der die Stimmungslage der letzten 7 Tage erhebt. Je nach Punktzahl ist die Wahrscheinlichkeit für eine postnatale Depression gering, mäßig vorhanden oder hoch.

Liebe Frau Schulz, vielen Dank für das spannende Interview!

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