Julia (40) war 17 Jahre mit ihrem Partner zusammen, hat drei Kinder – Nikita (14), Ilja (8) und Elena (5) mit ihm bekommen und sich Anfang des Jahres von ihm getrennt. Nun wohnt sie in einer neuen Wohnung, betreut die Kinder im Wechselmodell mit ihrem Ex-Partner und findet sich so langsam in ihrer neuen Rolle als Teilzeit-Mama zurecht. Wie schwer die letzten Monate für sie waren, welche Dinge ihr helfen und wie es ihr geht, wenn die Kinder beim Papa sind, hat sie uns bei einem persönlichen Gespräch auf ihrer Dachterrasse verraten.
Liebe Julia, hattet ihr zu Beginn eine glückliche Beziehung?
Ja, wir hatten eine sehr glückliche Beziehung. Ich war 24 Jahre alt, als ich ihn kennengelernt habe. Davor habe ich ein Jahr in den USA gelebt. Und ich glaube, wir waren füreinander bestimmt, denn auch er zog in diesem Jahr, in dem ich wieder zurückkam, ganz frisch nach Potsdam. Wir haben uns dann im Hotel seines Vaters kennengelernt. Und wir waren relativ schnell sehr verliebt. Unsere Liebe war so stark, dass ich mir nicht vorstellen konnte, mit einem anderen Mann Kinder zu bekommen. Nach anderthalb Jahren war ich dann auch schon mit Nikita schwanger. Und er war und ist wirklich ein toller Papa.
Und was ist dann passiert?
Ich finde ja schon, dass ich eine coole und besondere Frau bin. (lacht) Aber ich war für ihn mit den Jahren einfach so selbstverständlich. Und das hat mir dann nicht mehr gereicht. Klar, wir haben alle unsere Jobs und die Familie und rundherum so viele Aufgaben, die viel Zeit in Anspruch nehmen. Aber ich habe mich dann gefragt, was wir machen, wenn die Kinder irgendwann aus dem Haus sind?! Und das war mir am Ende einfach zu wenig.
Ich bin sehr autonom, habe viele Freundinnen und fahre auch allein mit den Kindern in den Urlaub, aber von Zeit zu Zeit brauche ich auch jemanden, bei dem ich auftanken kann. Ich vergleiche mich immer mit einem Kaktus. Ein Kaktus braucht nicht viel, um schön auszusehen, aber selbst ein Kaktus muss irgendwann gegossen werden. Und er hat einfach vergessen, mich zu gießen.
Ich hätte natürlich auch alles so laufen lassen können, denn ich kann mich auch selbst glücklich machen. Ich liebe mein Leben und ich habe es geliebt, ein Familienmensch zu sein. Aber ich habe mich auch immer gefragt, wofür ich meinen Partner habe. Wenn er nichts zu unserer Partnerschaft dazugeben kann, wofür brauche ich ihn dann noch? Jeder Mensch benötigt auch mal ein nettes Wort, Feedback, etwas Aufmerksamkeit und Bestätigung.
Habt ihr euch professionelle Hilfe gesucht?
Ja, wir haben auch eine Paartherapie gemacht, aber ich kann ihn in seinem Wesen ja nicht verändern. Aber wir sind gut auseinander gegangen. Ich finde, unser Verhältnis und die Kommunikation sind jetzt viel besser. Er macht das auch wirklich toll. Aber bevor ich diesen Schritt gegangen bin, habe ich mir die Entscheidung nicht leicht gemacht.
“Wenn die Kinder bei mir sind, bin ich Mama und Papa und wenn sie weg sind, bin ich wieder Single-Girl”
Und dann hast du eure Beziehung beendet?
Ja, er war natürlich nicht begeistert, denn ich bin ja gegangen. Aber ich glaube, wir brauchen beide auch noch Zeit. Am Anfang habe ich mich auch auf mein neues Single-Leben gefreut, aber ich habe unterschätzt, erst einmal selbst klarkommen zu müssen. Wenn ich ihn dann wieder gesehen habe, habe ich natürlich auch geweint. Mit der Zeit wird es zwar besser, aber man muss seine neue Rolle auch erstmal finden. Wenn die Kinder bei mir sind, bin ich Mama und Papa und wenn sie weg sind, bin ich wieder Single-Girl. Ich koche leidenschaftlich gern und wenn die Kinder nicht bei mir sind, vermisse ich unseren Austausch beim gemeinsamen Abendessen.
Wie schnell hast du eine neue Wohnung gefunden?
Ohne meinen gut bezahlten Job hätte ich niemals diesen Schritt gehen können. Denn um in Potsdam weiter gut leben zu können und eine neue Wohnung zu finden, in der auch meine drei Kinder Platz haben, brauchst du richtig viel Geld. Ich kenne auch Paare, die weiterhin in einer gemeinsamen Wohnung leben, obwohl sie sich getrennt haben, denn sie können sich einfach keine weitere Wohnung leisten.
“Die meisten bemitleiden mich, dass ich jetzt Single bin, aber Single Mom zu sein, kann auch ein Upgrade sein.”
Und wie teilt ihr euch auf?
Wechselmodell. Sie sind eine Woche bei mir und dann wieder eine Woche bei ihrem Papa. Aber ich merke, dass sieben Tage auch eine lange Zeit sind. Die Kleine vermisst ihren Papa schon nach fünf Tagen und auch mir fehlen sie nach einigen Tagen, wenn sie bei ihrem Papa sind.
Und wie ist es zwischen euch als Eltern, wenn ihr euch seht?
Ich brauche erstmal Abstand. Wenn ich ihn sehe, fühle ich immer einen Schmerz. Ich bin auch einfach noch so wütend auf ihn, dass er mir nicht das geben konnte, was ich mir von ihm gewünscht habe. Wir hätten ja auch einfach so weitermachen können, denn jetzt fange ich wieder bei Null an. Ich habe zwar keine Torschlusspanik, denn ich benötige in naher Zukunft keine Beziehung, denn ich will erstmal auftanken, aber ich brauche schon einen Mann. Ich vermisse körperliche Nähe und die ist mir sehr wichtig.
Wie hat euer Umfeld reagiert?
Die meisten bemitleiden mich, dass ich jetzt Single bin, aber Single Mom zu sein, kann auch ein Upgrade sein. Klar, es ist viel mehr Organisation und man benötigt viel mehr Absprachen. Aber die Gesellschaft muss sich davon lösen, dass Single-Mütter Opfer sind. Wenn wir uns selber so schwach und benachteiligt sehen, wie soll die Welt da draußen dann erfahren, dass wir Mütter das auch allein schaffen?!
Wir haben nicht alles verloren, sondern wir haben auch viel dazugewonnen. Wir haben mehr Zeit und können uns in den kinderfreien Wochen voll auf uns konzentrieren, aber es ist auch wichtig, ein Netzwerk zu haben. Viele meiner Freundinnen sind auch alleinerziehend oder Teilzeit-Mütter und wir stärken und unterstützen uns dann gegenseitig. Das ist meine Familie, denn meine Eltern und Geschwister wohnen weit weg.
Sei 50 Prozent gut in deinem Job und 50 Prozent gut in deiner Rolle als Mutter. Und das ist völlig okay!
Und was hilft dir dabei, so stark zu bleiben?
Bei jedem Kind habe ich mehr dazugelernt. Du kannst nicht 100 Prozent Kraft in deinen Job stecken und auch noch 100 Prozent Mama sein. Sei 50 Prozent gut in deinem Job und 50 Prozent gut in deiner Rolle als Mutter. Und das ist völlig okay! Wir müssen nicht in jeder Rolle perfekt sein. Uns stehen nur 100 Prozent zur Verfügung. Aber das musste ich auch erstmal lernen, denn wir haben alle nur diese eine Gesundheit und das eine Leben.
Wie ging es euren Kindern, als ihr ihnen eure Trennung verkündet habt?
Wir haben uns mit ihnen zusammengesetzt und es ihnen ausführlich erklärt. Der Große hat gleich geweint, denn er hat die Konsequenzen sofort begriffen. Die anderen beiden haben es positiv aufgenommen und fanden es gut, dass es dann ab jetzt weniger Streit gibt und ihnen nun zwei Wohnungen zur Verfügung stehen. Und ich glaube, es macht es auch einfacher, dass wir keine neuen Partner haben.
Und wie geht es dir, wenn die Kinder nicht da sind?
Es ist ganz unterschiedlich. Manchmal freue ich mich sehr, wenn die Woche vorbei ist, denn es ist wirklich anstrengend. Aber manchmal überkommt mich auch die Trauer, denn ich vermisse ihre Anwesenheit und die Nebengeräusche.
Sätze, die man als Teilzeit-Mama nicht mehr hören kann, sind zum Beispiel: “Ist doch schön, jetzt hast du viel mehr Zeit für dich!” oder “Ist das nicht total anstrengend für die Kinder?”. Wie stehst du dazu?
Zum ersten Satz: Man hat einfach anders Zeit. Wenn die Kinder nicht da sind, muss ich alles erledigen und die Zeit für mich genießen. Wenn meine Kinder da sind, macht man nämlich einen Job für zwei. Man muss einfach zusehen, dass man immer genug Kraft und Energie dafür hat und mit seinen Kräften haushaltet. Und man kann natürlich nicht mehr so spontan sein.
Und zum zweiten Satz: Ja, das Hin und Her ist schon anstrengend für sie. Sie müssen halt jede Woche ihre Koffer packen. Ich versuche aber auch nach und nach, eine Grundausstattung für jedes Kind zu kaufen. Für die Gefühle der Kinder habe ich ein gutes Beispiel: Wenn die Mama eine Löwin und der Papa eine Giraffe ist, dann sind die Kinder halb Löwe und halb Giraffe. Wenn sie beim Papa sind, essen sie nur Pflanzen und es läuft alles gemächlich ab. Danach kommen sie zur Mama und können sich austoben und Fleisch essen. Doch wenn sie den Wohnort wechseln, müssen sie immer erst das alte Tier abstreifen und zum Neuen werden. Doch eigentlich möchten sie Beides sein, denn beide Tiere stecken in ihnen. Und ich glaube, dass sie immer nur das eine Tier sein dürfen, ist das Schwierigste für sie.
Wie klappt dein neuer Alltag? Und wünschst du dir einen neuen Mann?
Eigentlich ganz gut. Und nein, eigentlich möchte ich erstmal allein bleiben. Und ich glaube, es ist auch nicht so einfach, denn wenn sich jemand für mich entscheidet, gibt es mich nur zu viert.
“Ich habe auch gedacht, dass es mir durch die lokale Trennung viel besser gehen wird, aber meinem Herzen war das total egal.”
Hast du Tipps für andere Teilzeitmamas oder für Mütter, die darüber nachdenken, sich von dem Partner zu trennen?
Ja, man hat nur dieses eine Leben und es wird nicht besser. Bleibt nicht mit eurem Partner zusammen, nur weil ihr Kinder habt. Aber trennt euch nicht gleich, nur weil ihr ab und zu einen Streit habt. Nehmt euch Zeit für eure Probleme und holt euch professionelle Hilfe. Unterschätzt eure Kinder nicht, denn sie haben ein Gespür dafür, ob sich die Eltern lieben. Und wenn ihr euch dann getrennt habt, solltet ihr schnell herausfinden, was euch gut tut. Ist es der Besuch einer besten Freundin oder eine Reise?
Auch wenn es euch erstmal nicht gut geht, ist das auch völlig okay. Von außen wird von uns immer so viel verlangt, aber wir haben erstmal einen Schmerz, den wir überwinden müssen. Wir wollen immer so viel schaffen, aber in der Trennungszeit geht es darum, damit fertig zu werden. Ich habe auch gedacht, dass es mir durch die lokale Trennung viel besser gehen wird, aber meinem Herzen war das total egal.
Liebe Julia, vielen Dank für deine Offenheit und alles Liebe für euch!
Ihr habt noch nicht genug von unseren Potsdamer Familien? Dann schaut doch mal in unser Interview mit Laura & Benedikt rein. „Eine möglichst geschlechtsneutrale Erziehung ohne Rollenklischees ist uns beiden sehr wichtig.“ Viel Spaß beim Weiterschmökern.
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