Mit Kleinkindern zum Polarkreis – im selbst ausgebauten Van

Wie ist es wohl, bei zweistelligen Minusgraden in einem Auto zu übernachten? Unsere Autorin Janina Focke hat diese Erfahrung mit ihrer Familie gemacht. Sie erfüllte sich mit Mann und ihren beiden Kinder den Traum von einer Reise zum Polarkreis. Im tiefsten Winter fuhren sie im selbst ausgebauten Campervan dorthin. Uns berichtet sie, wie es dazu kam, warum es sich lohnt mit der Familie zum Polarkreis zu fahren und wie solche Touren mit der ganzen Familie möglich sind. Die Tipps für eure eigene Tour und Highlights findet ihr im Anschluss.

Unsere Reise zum Polarkreis

Draußen sind es -21 Grad, unser Abwassertank ist eingefroren, die Batterie streikt und zum ersten Mal stellen auch wir uns die meist gestellte Frage zu dieser Tour: Warum? Aber erstmal zum Anfang. Wo alles begann:

Von der Schnapsidee zum DIY Camper

In einem kleinen Pub in den schottischen Lowlands. Da saßen wir, mein – damals noch Freund, jetzt – Mann und ich und malten uns unsere Zukunft aus. In ein paar Monaten würden wir eine Familie sein, unser erstes Kind war auf dem Weg. Wie könnte also ein Familienurlaub aussehen? Flexibel wollten wir sein. Da kam die Idee von einem Camper auf. Auf der Rückseite unseres Schottland-Reiseführers kritzelten wir den ersten Entwurf. Selber ausbauen müsste man, sagte mein Freund. Den Wagen genau nach unseren Wünschen gestalten. Damit wir möglichst lange unterwegs sein können, ohne auf Campingplätze angewiesen zu sein. Na gut, sagte ich. Ich bin dabei. Diese Zeichnung haben wir bis heute aufbewahrt.

2019 war das und man kann ahnen, wie die Geschichte weitergeht: Nach der Geburt kam erstmal Corona, plötzlich bauten alle einen Van aus. Wir schauten uns die Preise an und dabei ziemlich dumm aus der Wäsche. Zwar fanden wir einen Wagen in unserer Preisvorstellung, doch plötzlich gab es Lieferschwierigkeiten an allen Ecken und Enden. Die Kosten für Bauteile schossen in die Höhe. Angebot und Nachfrage halt. Wir verfluchten den Vanlife-Hype.

Traumziel: Rentiere und Polarlichter gucken

Als unser Wagen einigermaßen fertig ausgebaut war, waren wir bereits zu viert. Naja, was lange währt, sagten wir uns… Die erste Reise sollte etwas Außergewöhnliches sein. Eine Belohnung für die Arbeit, Zeit und Nerven, die wir bei dem Projekt gelassen haben. Jobbedingt kann mein Mann im Winter am besten frei nehmen. Also kramten wir gedanklich in unseren Winter-Wunschzielen und landeten beim Polarkreis. Dort findet jährlich der Wintermarkt der Samen* statt. Einmal Rentiere und Polarlichter gucken, das wär’s. Dazu sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass ich noch nie im Winter gecampt habe. Aber hey, warum nicht mal ausprobieren?

Der erste Versuch scheiterte kläglich: Wir verbrachten noch die erste Urlaubshälfte mit Restarbeiten am Auto und hatten auf dem Weg dorthin immer wieder mit Pannen zu kämpfen: Lecks am Wassertank, undichte Leitungen, kaputte Pumpe. Ständig floss Wasser durch den Wagen. Wir erreichten den Polarkreis, allerdings zu spät: Der Markt fand ohne uns statt und wir fuhren zurück mit dem festen Vorsatz, die zu wiederholen. In gut. Genug gelernt hatten wir auf dem Trip.

*Die Samen sind ein indigenes Volk, das weite Teile Skandinaviens besiedelt. Der Markt findet jeden Februar in Jokkmokk statt, dem ersten Ort oberhalb des schwedischen Polarkreises.

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Mit Plan und Fellen gegen die Kälte schützen

Das war vor einem Jahr. 2024 sind unsere Kinder zwei und vier und unser Wagen so weit vorbereitet, dass wir eine richtig lange Winter-Tour wagen konnten. Gedämmt bis in die letzte Ritze, eine leistungsstarke Heizung an Bord, Heizmatte am Tank unterm Auto. Dazu Wollkleidung für jede Klamottenschicht, Wärmflasche, echte Felle, Taschenöfen, Thermo-Fußsäcke… Einfach alles, was uns irgendwie vor Kälte schützen konnte. Dazu sahen wir uns Videos von anderen Van-Reisenden an, die im Winter in ähnlichen Gebieten unterwegs waren. Wir verfolgten das Wetter auf unserer Route vorab, um ein Gefühl für die erwartbaren Temperaturen zu bekommen und informierten uns, welche Straßen gesperrt sind. Kurzum: Wir gingen mit Plan und Verstand an die Tour. Niemanden würde ich raten, diese Tour „mal einfach so“ zu tuckeln.

Reisen mit Kindern zum Polarkreis Vanlife Reisen mit Kindern zum Polarkreis Vanlife

Knapp einen Monat haben wir Zeit zu reisen, also nehmen wir noch ein paar andere Länder auf dem Weg mit. Übers Baltikum tasten wir uns an die kälteren Gefilde ran. Machen Halt in Warschau, Riga und Tallinn. Erreichen dort erstmals zweistellige Minusgrade, hauptsächlich nur nachts. So richtig in Winterlaune kommen wir, als wir mit der Fähre nach Helsinki durch Eisschollen fahren. Spektakel, sowas hatten die Kinder noch nie erlebt. Die Faszination Schnee und Eis packt sie. Stadtbesuche wie in Helsinki sind dankbar, weil wir alle 20 Minuten einkehren können: zum Kaffeetrinken, in die Bücherei, in Geschäfte  – oder einfach durchs Rumlaufen warm bleiben. Regelmäßig aufwärmen ist ein Muss.

So gehen die Tage gut rum und wir erreichen Rovaniemi, Lapplands Hauptstadt, ohne Probleme. Mittlerweile sind es auch tagsüber -12 Grad und die Zeit, die wir am Stück draußen verbringen können, wird immer weniger. Die Umgebung dafür immer bizarrer, weil einfach alles in Schnee und Eis gehüllt ist. Laternenpfosten werden zu wilden Skulpturen, Tunnel geben kein Echo mehr her, weil die Steine von einer glitzernden Schneeschicht überzogen ist, die alles an Schall schluckt.

Weiterfahrt zum Nordkap mit der kältesten Nacht unseres Lebens

Reisen mit Kindern zum Polarkreis Vanlife

Als wir erfahren, dass die Straßen zum Nordkap aktuell nicht gesperrt sind, beschließen wir, uns noch einen weiteren Reisetraum zu erfüllen und hoch in den Norden zu fahren. Die Aufregung steigt und wir können gar nicht fassen, dass Auto und Kinder die Tour so gut mitmachen. Beim Eintritt in den Polarkreis ist auch noch alles in Ordnung; wir posieren an der magischen Grenze vor einem riesigen Obelisken, besuchen das Postamt des Weihnachtsmannes dort und schlendern durch das angrenzende Weihnachtsdorf… Nicht wissend, dass uns die kälteste Nacht unseres Lebens bevorsteht.

Auf der Weiterfahrt in ein Skigebiet kommt eins zum anderen: Wir versäumen, den Akku zu laden, der für unsere Stromversorgung an Bord zuständig ist. In der Nacht fallen die Temperaturen auf -28 Grad und unsere Heizung kommt an ihre Grenzen. Normalerweise schlafen wir bei 18 Grad Innentemperatur und ziemlich gut. Diese Nacht ist definitiv anders. Zwar hatten wir die Kinder schon vorausschauend in Wollanzüge zum Schlafen gesteckt und kuscheln uns alle vier nebeneinander auf das Hauptbett, um unsere Körperwärme zu nutzen. Aber ich, die hinten an den Hecktüren schläft, wälze mich unruhig hin und her und merke, dass mein Körper mehr mit Heizen als Schlafen beschäftigt ist.

Irgendwie geht die Nacht vorbei, zumindest konnten sich die Kinder ausruhen. Der Blick auf unsere Temperaturanzeige erklärt uns dann so einiges: Es sind fünf Grad im Camper. Immerhin plus. Trotzdem kann man daran nichts schönreden, das ist einfach nur kalt. Als uns dann klar wird, dass die Batterie nicht mehr genug hergibt, um den Herd anzuwerfen, ist die Laune erstmal richtig im Keller. Wir können weder Kaffee kochen, noch Wärmflaschen vorbereiten, keine heißen Mahlzeiten zubereiten. Einfach NICHTS, um der Kälte ein bisschen was entgegen zu setzen. Plan B muss her. Der sieht kurzfristig so aus, dass wir ins Pistenrestaurant siedeln, um uns mit Kaffee und heißer Schokolade aufzuwärmen. Fürs Langfristige checken wir die Wetterlage und finden raus, dass es an der Küste fast 20 Grad wärmer ist.

Happy End am norwegischen Fjord

Und jetzt kommt das Schöne am Vanlife ins Spiel: Wir setzen uns einfach ins Auto und fahren dorthin. Siehe da: Nach dreieinhalb Stunden sind wir an einem lauschigen Campingplatz am norwegischen Fjord. Wir duschen heiß, der Akku ist voll geladen. wir kochen wieder warm und kuscheln uns ein. Wären wir jetzt am Ziel, könnte ich sagen: Happy End. Tatsächlich aber haben wir nur den unangenehmen Teil hinter uns gebracht.

Was dann folgt ist ein Strom aus Erinnerungen, in dem ich glaub‘ ich bis an mein Lebensende baden werde: Wir erreichen das Nordkap, besuchen den Wintermarkt der Samen, sehen in Polarlichter und füttern Rentiere, machen Lagerfeuer neben unserem Camper und fahren Schlitten über einen zugefrorenen See. Um nur die großen Momente zu nennen. Das Kleine dazwischen – die ausgiebige Familienzeit, die wahnsinnig schöne Landschaft, die Dankbarkeit eine solche Reise machen zu können – trägt uns durch die Rückfahrt über Schweden nach Hause. Und niemals hätte ich gedacht, dass ich einmal behaupten werde: Wintercamping kann richtig schön sein.

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Tipps für eine Winterreise an den Polarkreis

Ihr bekommt auch Lust, mit einem Camper oder Wohnmobil an den Polarkreis zu reisen? Mit Kindern? Hier kommen meine Tipps für euch:

Auto und Verkehr

Fähre Tallinn-Helsinki

Die Fähre vom Baltikum nach Finnland fährt mehrmals täglich und die Preise variieren je nach Anbieter, Reisezeitraum und ob bzw. welches Fahrzeug ihr mitnehmt. Kleinkinder bis zu 5 Jahre reisen kostenlos. Es lohnt sich auf jeden Fall, Preise zu vergleichen. Wir haben zum Beispiel den Fehler gemacht, über eine Plattform zu buchen und haben mehr bezahlt als beim Fährbetreiber selbst.

Nordkap

Wer im Winter zum Nordkap reisen möchte, sollte sich vorab informieren, welche Straßen aktuell gesperrt sind. Bei hohem Schneeaufkommen oder schlechten Wetter kann die Zufahrt per Kolonne geregelt werden. Das bedeutet, dass auf den letzten 15 Kilometern niemand alleine fahren darf. Wir sind auch direkt hinter der Schneefräse gefahren, die uns den Weg freigeräumt hat. Hier findet ihr die aktuelle Verkehrslage in Norwegen und mögliche Straßensperrungen alle Bedingungen für den Kolonnenverkehr.

In jedem Fall sollte nur ein:e erfahrene:r Fahrer:in ans Steuer. Ihr solltet den Wagen wirklich gut kennen und schonmal bei winterlichen Bedingungen gefahren sein, weil die Strecke im Winter extrem anspruchsvoll ist. Teilweise sind die Straßen eine einzige Eisfläche.

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Verkehrs- und Raststätten-Übersicht in Schweden

Da wir bis auf Ausnahmen auf Campingplatz-Übernachtungen verzichtet haben, mussten wir regelmäßig Raststätten ansteuern, um Wasser aufzufüllen oder abzulassen und die Latrine zu entleeren. Auch übernachten ist in der Regel erlaubt. Auf dieser Seite findet ihr neben aktuellen Verkehrsmeldungen alle Raststätten mit Informationen zur jeweiligen Ausstattung (leider nur auf Schwedisch).

Für die Kinder

Unterhaltung und Spiele

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass auf der Tour nicht das halbe Kinderzimmer dabei sein muss, damit sich die Kinder nicht langweilen: Wir hatten drei Dokumententaschen gepackt, die klein, leicht und platzsparend sind: Eine Maltasche, eine Spieletasche und eine Techniktasche für Toniebox und TipToi. Dazu Vorlesebücher, das war’s. Der Van und alles, was draußen passiert, ist spannend genug. Für draußen hatten wir eine kleine Schneeschaufel und Eisförmchen mit. So konnten wir jederzeit unsere kleine Eisdiele aufbauen.

Warme Kleidung

Der Posten Kleidung sollte fest im Urlaubsbudget eingeplant sein, weil man bei zweistelligen Minustemperaturen nicht so einfach mit der Wintergarderobe zurechtkommt, die man hier in Deutschland so trägt. Wasserfeste und warme Kleidung ist unverzichtbar. Auch wenn Wollsachen oft teuer sind, haben sie unsere Kinder ausreichend warm gehalten. Wer lang genug vorab plant, kann auch antizyklisch kaufen und ein paar Schnapper machen. Oder gebraucht kaufen, oder ausleihen. Nur nicht an der falschen Stelle sparen. Tipp für warme Füße: Ein Innenschuh aus Filz. Und für warme Hände hatten wir Taschenöfen dabei.

Highlights am Polarkreis

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Museum Arktikum Rovaniemi

Das Arktikum in Lapplands Hauptstadt Rovaniemi ist nicht nur eine gute Möglichkeit, sich nach einem Stadtbummel aufzuwärmen, sondern informiert auch über die Geschichte, Geografie und Kultur der Region. In den barrierefrei zugänglichen Besucherräumen könnt ihr mit euren Kindern heimische Tiere wie Elche, Rentiere und Robben entdecken oder bestaunen, wie die Samen früher gelebt und sich gekleidet haben.

Polarkreis Rovaniemi mit Weihnachtsmann-Dorf

Hier überquert ihr die „magische Grenze“ und könnt sogar noch eure Weihnachtswünsche loswerden. Denn hier ist das offizielle Postamt des Weihnachtsmannes. Direkt daneben ist ein Weihnachtsdorf, in dem ihr mit ein bisschen Glück Elfen sehen könnt. Ein insgesamt sehr touristisches Angebot mit Souvenirshops und Restaurant, aber trotzdem sehr schön gestaltet

Post vom Nordkap

Auch wenn das Nordkap streng genommen nicht der nördlichste Landpunkt Europas ist, ist es doch ein besonderer Ort. Im Winter kommt noch die abenteuerliche An- und Abfahrt dazu, das ist schon eine Reise wert. Für das Besucherzentrum waren wir zu spät vor Ort, aber immerhin haben wir die Chance genutzt, eine Postkarte von dort aus auf Reisen zu schicken. Bis nach Deutschland hat sie ganze drei Wochen gebraucht.

Polarlichter Hotspot in Schweden

Die beste Chance auf Polarlichter hat man beim klarem Himmel, zwischen 18 und 24 Uhr in einer lichtarmen Umgebung. Wir konnten sie nachts in einem Wald beobachten, fernab von Straßenlaternen. Wer die Möglichkeit hat, auf einen zugefrorenen See zu gehen, sollte das ausprobieren. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, besucht die Aurora Sky Station in Abisko. Das ist eine Polarlichter-Beobachtungsstation auf 900 Metern Höhe, die ihr mit einem Sessellift erreicht

Hundeschlittentouren

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Einmal von Huskys durch tiefverschneite Wälder gezogen zu werden, diese einmalige Erfahrung durfte ich in der Umgebung von Kiruna machen. In der Stadt findet ihr verschiedene Tourenanbieter. Das Angebot reicht von ein paar Stunden über Tagestouren bis hin zu einer Woche Husky-Schlittenerlebnis. Auch nächtliche Touren zum Polarlichtergucken sind dabei. Für Kinder sind Touren ab fünf Jahren möglich.

Wintermarkt der Samen

Seit über 400 Jahren findet im schwedischen Jokkmokk der Wintermarkt der Samen statt. Was früher hauptsächlich dem Rentierhandel diente, ist mittlerweile ein moderner Markt mit ausgiebigem Rahmenprogramm geworden. Noch immer verkaufen Samen hier Rentierprodukte von Fellen über Fleisch bis hin zu Kleidung. Es gibt aber auch einen Kunsthandwerkmarkt, ein Festzelt und gastronomische Angebote aus der schwedischen Küche. Dazu finden auf dem zugefrorenen See der Stadt Rentierschlittenrennen, Huskytouren und sogar Hubschauber-Rundflüge statt. Für den Besuch sollte man auf jeden Fall ein paar Tage einplanen und die kleinen Nebenschauplätze aufsuchen, bei denen Sami frisch für Gäste kochen oder ihre Rentierherde zeigen.

Habt ganz viel Spaß und genießt eure Reise!

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