Wie verd***t schaffen wir eine gleichberechtigte Partnerschaft? Zwei Bücher – eine Antwort

Musterbruch“ von Patricia Cammarata* und „Für Sorge“ von Jo Lücke*, zwei neue Bücher zum Thema Gleichberechtigung und gerechter Verteilung von Fürsorgearbeit, sind gerade erschienen. Unsere Autorin Sarah Zöllner hat sie sich angesehen.

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Gleichberechtigung in der Partnerschaft?

Irgendwie wissen wir, dass es anders gehen muss. Unser Baby kommt auf die Welt und auf einmal sitzen wir als Mütter zuhause und kochen Brei (oder füttern ihn aus dem Gläschen), während unsere Männer im Beruf weiter Entscheidungen treffen, mit ihren Freunden zum Sport gehen, oft ihr Leben führen, als sei nichts passiert. Und spätestens nach drei, vier Jahren ist es soweit: Wir verdienen als Frauen spürbar weniger, kennen uns einfach besser aus mit allem, was die Kinder betrifft – und entsprechend bleibt auch fast alles rund um die Familie an uns hängen. Ungerecht? JA. Irgendwie logisch, so wie viele Paare auch heute noch leben? Auch das. Zwei gerade erschienene Bücher nehmen sich dieses dicke Brett vor und fragen: Wie kann es anders gehen? Wie können wir echte Gleichberechtigung leben, auch wenn es (fast) alle anders machen?

Das Wichtigste, was ich aus beiden Büchern ziehe:

  • Eine unfaire Verteilung von Fürsorgearbeit ist eine klassische Falle, in die auch Paare, die es eigentlich anderes machen wollen, nur allzu leicht stolpern. Weil unsere ganze Gesellschaft in vielerlei Hinsicht auf genau diese ungerechte Verteilung von Care-Arbeit ausgerichtet ist.
  • Als ersten Schritt ist es wichtig, dass wir uns bewusst machen: Wir sind durch unsere eigenen Erfahrungen als Kinder, durch Bilder in den Medien und die Meinung anderer stark geprägt, so dass wir oft gar nicht merken, wie automatisch wir das nachleben, was andere uns vorgeben. Wollen wir es bewusst anders machen, kostet das Kraft, denn wir schwimmen damit erst mal gegen den Strom.
  • Genau das „Gegen-den-Strom-Schwimmen“ lohnt sich langfristig aber sehr, denn dadurch wird unsere Partnerschaft nicht nur gleichberechtigter, wir erhalten als Frauen und Männer auch neue Freiräume und geraten nicht ständig an die Grenzen unserer Kraft.
  • Nicht zuletzt ebnen wir, indem wir es gemeinsam anders machen, den Weg für eine Gesellschaft, in der unsere Töchter sich hoffentlich nicht mehr anhören müssen: „Du stillst doch, warum bleibst du nicht das erste Jahr mit dem Kind zuhause?“ oder unsere Söhne: „Warum bleibst du zuhause, ist dir dein Job nicht wichtig?“
  • Beide Bücher haben den absolut lohnenswerten Ansatz, statt über die „Umstände“ zu klagen, echte (individuelle) Lösungen zu finden. Dabei verneinen sie nicht, dass wir unser Familienleben und unsere Entscheidungen nicht losgelöst von den gesellschaftlichen Werten und Rahmenbedingungen treffen können, die uns nun einmal umgeben.

Im Detail: Was bekommt ihr, wenn ihr die Bücher lest?

Mit ihren lila Covern sehen die beiden Bücher von Jo Lücke und Patricia Cammarata ziemlich ähnlich aus. Inhaltlich sind sie dennoch verschieden. Hier auf einen Blick, was ihr bekommt, wenn ihr sie lest:

musterbruch patricia cammarata buch rezensionMusterbruch“ von Patricia Cammarata
Beltz Verlag, Paperback
255 Seiten | 21 Euro

Hier wird nicht um den „heißen Brei“ herumgeredet. Stattdessen erfahren wir auf einen Blick, was wir als Paar tun können, um endlich gleichberechtigter zu leben (so wir es denn wollen) – und warum das alles oft immer noch so schwer ist.

Ein Riesenplus: Der klare Aufbau des Buches und Bullet-Points am Ende jeden Kapitels, durch die auch mit wenig Zeit das Wichtigste nachgeschlagen werden kann. Gerade für Eltern mit oft nur zehn Minuten „Lesezeit“ auf dem Klo oder abends im Bett Gold wert!

Nicht zuletzt ist die Sprache großartig (ebenso, wie übrigens die Illustrationen der Grafikerin Teresa Holtmann, alias frolleinmotte). Patricias Tonfall erinnert ein bisschen an die kluge Freundin, die mit einem Augenzwinkern genau das auf den Punkt bringt, was wir eigentlich insgeheim wissen, uns aber nicht so recht eingestehen wollen. Und das ohne Klugscheißerei, einfach nur klar, direkt – und zugleich sympathisch.

für sorge jo lücke buch rezensionFür Sorge“ von Jo Lücke
Knaur Verlag | Paperback
288 Seiten | 16 Euro

Jo Lückes Buch kommt sprachlich weit akademischer daher. Begriffe wie Care-Arbeit, Female Choice, Androzentrismus oder auch „Intertemporale Nutzenverschiebung“ sind für Menschen, die noch gar nicht in dem Thema Fürsorgearbeit „drin“ sind, erst einmal schwere Kost – werden aber natürlich erklärt und ermöglichen dadurch den Blick in einen Diskurs, der sonst noch immer hauptsächlich in einer relativ kleinen, feministisch engagierten „Bubble“ stattfindet.

Inhaltlich schlägt auch Jo Lücke den Bogen von den Rahmenbedingungen und kulturellen Normen, unter denen Eltern nun einmal leben („Sie sorgt, er verdient das Geld“), hin zu den konkreten Folgen, die das für Paare im Alltag hat. Spannend ist zum Beispiel die Unterscheidung zwischen „strukturellem und psychologischem Patriarchat“: Einerseits also Rahmenbedingungen, die Männer und Frauen eine gleichberechtigte Partnerschaft erschweren, andererseits aber auch Glaubensätze wie „Care-Arbeit ist Arbeit aus Liebe, dafür braucht es keine besondere Anerkennung oder gar Bezahlung“, die uns als Frauen und Männer oft hindern, überhaupt neue Wege in Erwägung zu ziehen.

Vom Aufbau her ist das Buch eher etwas zum „In Ruhe lesen“ – hoffentlich landet es dadurch, gerade gekauft, nicht auf dem Stapel der Bücher, die Eltern ohnehin „schon immer mal“ lesen wollten, wozu ihnen aber schlicht die Zeit fehlt!

Wissenswertes zu den Autorinnen:

Jo Lücke setzt sich seit Jahren als Referentin und Autorin für eine faire Verteilung von Fürsorgearbeit – neudeutsch Care-Arbeit – ein, also dem täglichen Klein-Klein, das in Familien anfällt: Kinder wecken, Frühstücksboxen richten, noch schnell die Küche aufräumen, auf dem Weg von der Arbeit frisches Gemüse besorgen, an das Geschenk für den nächsten Kindergeburtstag denken, das Kind abholen, seinen Wutanfall begleiten, Mittagessen kochen usw. Auch Patricia Cammarata, Psychologin und Bestseller-Autorin („Die Mental Load Falle“), hält seit Jahren Vorträge zu den Themen Mental Load und fairer Verteilung von Aufgaben in der Familie.

Mein Fazit: Lesen lohnt sich. Machen erst recht!

Insgesamt zwei tolle und lesenswerte Beiträge zur Debatte um Equal Care und gleichberechtigte Elternschaft – „Musterbruch“ als kluger und unterhaltsamer Einstieg, „Für Sorge“ zur Vertiefung mit etwas mehr Zeit. Kauft euch die Bücher, empfehlt sie, drückt sie euren Partnern oder Partnerinnen in die Hand. Und vor allem, fangt an, umzusetzen, was darin steht. Es lohnt sich!

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