Melina Veronika (31) lebt seit fast 3,5 Jahren in Berlin, ist seit dem letzten Sommer verheiratet und Mama einer 9 Monate alten Tochter. 2019 erlebte sie eine Fehlgeburt und gehörte damit zu den 12-15% der Schwangeren, die in den ersten 12 Wochen eine Fehlgeburt erleiden. Im Interview erzählt sie uns, wie sie die Zeit nach der Fehlgeburt erlebt hat und was die Gesellschaft noch besser machen muss!
POLA: Liebe Melina, wie lange liegt deine Fehlgeburt zurück?
Von der Fehlgeburt haben wir im Mai 2019 erfahren, einen Tag später hatte ich schon die Operation.
Hattest du schon eine Vorahnung?
Es kam ganz unerwartet und dennoch nicht überraschend. Ich hatte mich vorher nie wirklich mit diesem Thema auseinandergesetzt, aber ich habe es kurz vor dem Termin bei meiner Frauenärztin irgendwie geahnt. Vielleicht, weil meine sehr starke Schwangerschaftsübelkeit schon vor Ende des dritten Monats plötzlich verschwand. In den meisten Fällen kann man den Grund für eine Fehlgeburt nicht feststellen. Bei uns lag es an einer Partialmole. Hierbei wurde eine Eizelle von zwei Spermien befruchtet, was einen Genschaden zur Folge hatte und somit das Baby nicht überlebensfähig war.
Und wie ging es danach weiter?
Ich lies mich einige Wochen krankschreiben, damit ich die Geschehnisse in Ruhe verarbeiten konnte und schrieb Briefe an und über das Baby, die ich zusammen mit den Ultraschallbildern in dem zuvor angefangenen Schwangerschaftstagebuch aufbewahre. Außerdem verbrachte ich viel Zeit bei meiner Mutter, die ebenfalls mal eine Fehlgeburt erleiden musste.
Wie seid ihr als Paar mit der Fehlgeburt umgegangen?
Mein Mann tröstete mich sofort und hielt mich ganz fest. Am Tag der Operation lagen wir uns in den Armen und weinten zusammen. Ich glaube, als Frau hat man damit mehr zu kämpfen, weil es für den Mann noch nicht richtig greifbar war, generell die ganze Schwangerschaft. Wir legten die Kinderplanung dann erstmal für ein paar Monate auf Eis, um das Ganze sacken zu lassen.
Wie ging es dir damals nach der Fehlgeburt und wir geht es dir heute?
Ich war natürlich furchtbar traurig, hatte aber keine Schuldgefühle oder Ähnliches. Ich glaube daran, dass alles im Leben einen Grund hat. Auch heute macht es mich traurig, wenn ich daran zurückdenke, aber gleichzeitig bin ich auch glücklich darüber, dass ich schon das Zuhause von zwei Babys sein durfte.
Hattest du noch eine weitere Schwangerschaft? Wie bist du da mit deinen Ängsten umgegangen?
Ja, mittlerweile sind wir glückliche Eltern unserer nun schon 9 Monate alten Tochter. Wir waren super froh darüber, dass wir wieder sofort schwanger wurden, als wir es darauf anlegten. Allerdings waren wir die ersten Monate auch sehr nervös, wenn es zu den Arztterminen ging und redeten auf dem Weg dorthin kein Wort miteinander. Als wir unsere Tochter dann täglich in meinem Bauch spüren konnten, verschwanden die Sorgen komplett und wir hatten tiefstes Vertrauen, dass dieses Mal alles gutgehen würde.
Inwiefern hat dich diese Erfahrung verändert?
Ich fühle mich irgendwie reifer und mutiger als je zuvor. Außerdem vertraue ich dem Universum nochmal mehr, dass alles im Leben kommt, wie es kommen soll. Ich bin dankbar für diese Erfahrung, sie hat mich zu einer starken Mutter gemacht.
Und hätte dir damals eine Selbsthilfegruppe mit betroffenen Frauen/Paaren geholfen?
Wenn ich niemanden in meinem Umfeld mit dem gleichen Schicksal gehabt hätte, vermutlich schon. Darum verbrachte ich so viel Zeit mit meiner Mutter. Wir haben uns stundenlang darüber austauschen und zusammen weinen können. Ich glaube, sie konnte durch mich ihre Fehlgeburt auch etwas verarbeiten. Mir tat es jedenfalls sehr gut und ich habe mich verstanden gefühlt.
Was wünscht du dir von der Gesellschaft?
Dass den Frauen zugehört wird! Fehlgeburt sollte kein Tabuthema mehr sein und es darf auch nicht heruntergespielt werden. Es ist egal, wie weit die Entwicklung des Kindes war. Es ist und bleibt eine sehr schmerzhafte Erfahrung und der Verlust eines geliebten Menschen. Ich finde auch, dass man als Mutter, Vater, Familie das Recht auf einen Sonderurlaub wegen Todesfall haben sollte.
Außerdem sollten alle Frauenärzt:innen vernünftig darüber aufklären, dass man nicht zwangsläufig sofort eine Ausschabung benötigt, sondern auch versuchen kann, das Kind auf natürlichem Wege zu gebären. Mir wurde das Angebot nicht gemacht, ich hätte mich aber wahrscheinlich auch trotzdem für die Operation entschieden.
Oft ist es den Eltern auch nicht bewusst, dass es auch bei Fehlgeburten ein Bestattungsrecht gibt, egal wie klein das Baby war. Auch das habe ich erst im Nachhinein herausgefunden.
Was hat es mit dem Bestattungsrecht auf sich?
Es gibt eine Bestattungspflicht bei tot geborenen oder während der Geburt verstorbenen Kinder, die mindestens 500 Gramm wiegen. Fehlgeburten sind Kinder, die unter 500g wiegen, aber auch diese können auf Wunsch eines Elternteils und auf dessen Kosten bestattet werden.
Als Außenstehende:r ist immer etwas unsicher und weiß nicht so richtig, wie man zum Beispiel mit der besten Freundin umgehen sollte, wenn diese gerade eine Fehlgeburt erlebt hat. Welche Erfahrungen hast du gemacht oder was hättest du dir gewünscht?
Zuhören ist das A und O. Es ist wie mit jedem anderen Trauerfall auch. Das Beste, was man anbieten kann, ist seine Zeit. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, meine Freunde und Familie waren da, haben mir zugehört, immer und immer wieder. Ich habe niemals einen blöden Spruch zu hören bekommen.
Liebe Melina, vielen lieben Dank für deine offenen Worte und alles Liebe euch 3!
Ihr wollt auch gern, dass eure Geschichte bei uns erscheint? Bei Interesse schreibt uns gern eine Mail an: info@pola-magazin.de!
Foto (Header): unsplash // Yuris Alhumaydy
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