Der Tag, an dem Tomke geboren wurde! Mareikes Hausgeburt

Hausgeburt, Geburt, Baby

Heute kommt Gast-Mama Mareike zu Wort. Anfang Mai kam ihre zweite Tochter in ihrem neuen Haus zur Welt. Eigentlich wurde ihr von einer Hausgeburt abgeraten, aber manchmal kommt es bekanntlich ja anders, als man denkt….

Bei der zweiten Schwangerschaft und der damit verbundenen Geburt soll der Körper, dank der ersten Geburt, wissen, was er zu tun hat. Ein mancher sagt, die zweite Geburt geht schneller. Little T. , wie ich liebevoll unser zweites Kind nenne, wollte es spannend machen. 

Fehlalarm!

Die letzten Wochen meiner Schwangerschaft zogen sich hin. Es lag nicht an meinem körperlichen Befinden, denn das war mehr als gut. Ich konnte mich noch sehr gut bewegen, fuhr regelmäßig Rennrad auf meinem Rollentrainer, machte Yoga, putzte das Haus, bügelte Bettwäsche und grub den Garten um. Mir ging es hervorragend. Ich hatte nur keine Lust mehr zu warten. Am Mittwoch, wenige Tage vor dem errechneten Entbindungstermin, mitten bei der Gartenarbeit, setzten die ersten Wehen ein. Doch es stellte sich schnell heraus: Fehlalarm!

Am nächsten Tag war alles wie gehabt. Am Freitag, dem errechneten Termin, bin ich noch am Morgen auf der Yogamatte rumgeturnt. Doch langsam entwickeltet sich eine Wehentätigkeit, die regelmäßig und länger andauernd war. Der Mann bereitete alles Notwenige vor. Er rief die Beleghebamme an und wir entschieden uns, noch etwas abzuwarten und ihr später Bescheid zu geben, sollten die Wehen konstant oder intensiver werden. Sie war bereit und wartete auf unser GO! Der Mann packte dann alles weitere ein, was wir für die Klinik benötigen würden. Er informierte unsere hilfsbereiten Nachbarn, die Levke (Kind 1) für die Geburt zu sich nehmen würden. Er holte Levke aus der Kita ab und brachte sie gleich zu den Nachbarn. Es war also alles organisiert. Wir waren bereit!

Fehlalarm Nr. 2?

Gerade mal 4% alle Geburten fallen tatsächlich auf den errechneten Entbindungstermin und wir… gehörten dann doch nicht zu diesen 4%. Denn plötzlich waren meine Wehen weg und eine große Enttäuschung machte sich bei mir breit. Alle warteten auf mich und meinen Körper. Zur Sicherheit, sollte es dann doch in der Nacht wieder losgehen, schlief Levke ihre aller-, aller-, allererste Nacht nicht bei ihren Eltern, sondern bei den Nachbarn. Die alles so unglaublich toll vorbereitet haben. Wir sind noch mal eine Runde spazieren gegangen, aber es veränderte sich nichts an der Flaute. Also war das wohl Fehlalarm Nr. 2 ?! 

Es war für mich ein komisches Gefühl, unser „großes“ Kind nicht bei uns zu haben. Letztendlich hat sie die Nacht aber besser überstanden als ich. In dieser Nacht machte ich mich verrückt. Ich machte mir Vorwürfe und viele Gedanken. Mich bedrückte das Gefühl, anderen zur Last zu fallen. Ich wollte niemanden unnötig belasten. Weder unsere Nachbarn, noch Levke oder unsere Hebamme. Klar, niemand gab mir je das Gefühl und dennoch hatte ich es. 

Geburtshindernis durch Schulterdystokie

Um mit der ganzen Situation klar zu kommen, entschied ich mich, da ich sowieso sehr zeitig wach war, mich am Samstagmorgen auf mein Rennrad zu setzten. Ich hatte die Hoffnung, dadurch meinen Kopf frei zu radeln. Loszulassen und das Gedankenkarussell zu verlassen. Für einen kurzen Moment ist es mir gelungen. Am gleichen Tag hatte ich gemeinsam mit unserer Beleghebamme einen Termin in der Geburtsklinik. Alle Untersuchungen waren gut und das Kind könnte in den nächsten Tagen kommen. Die vergangenen Tage waren also nicht umsonst, sondern mein Körper hatte schon vorgearbeitet. Meine Hebamme merkte, dass ich enttäuscht war, dass ich mir Gedanken machte. Ich verkopfte und verkrampfte immer mehr. Dann kam das Thema Hausgeburt auf.

Einen Tag nach ET haben wir uns also für eine Hausgeburt vorbereitet. Was die Hebamme nicht wusste: Dass ich mir so sehr eine Hausgeburt gewünscht hatte, man mir aber erzählt hatte, dass mir es nicht erlaubt sei. Die Geburt von Levke war für uns eine traumatische Erfahrung und noch heute beschäftigt sie mich sehr. Im Geburtsprotokoll stand die Diagnose: „Geburtshindernis durch Schulterdystokie“. Diese Diagnose sollte der Grund sein, weshalb eine Hausgeburt für uns nicht in Frage kommen sollte. Ich war auf positive Art etwas neidisch auf alle, die die Möglichkeit einer Hausgeburt hatten. Und wenn man dann vor der Gynäkologin sitzt und sie dir sagt, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass auch bei dieser Geburt die Möglichkeit einer Schulterdystokie bestehe, fühlt es sich nicht gut an.

Tja, falsch informiert. Denn die Schulterdystokie, die vermutlich nicht wirklich eine war, war kein hinderlicher Grund, der gegen eine Hausgeburt sprach. 

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„Ruf die Hebamme an, es geht los!“.

Das Wochenende verlief entspannt, ich war wieder im Garten und habe versucht, nicht so viel nachzudenken. Am Dienstag war ein weiterer Termin in der Klinik. Muttermund durchlässig bei 1 Zentimeter. Ich erhielt noch eine Massage des Muttermunds. Mit Wellness hatte das nicht so viel zu tun. Ich bin super fit, mit normalem zügigen Gang (den typischen städtischen Stechschritt hatte ich auch schwanger noch drauf) in die Klinik gekommen, nach der Massage bin ich rausgeeiert. Da war nun dieser typische Gang, den man bei vielen Schwangeren beobachten kann. Doch weiter ist erstmal nichts passiert. Wir warteten ab und dann am Mittwoch zwischen Abendessen und Grey’s Anatomy kamen wieder Wehen. Um einen weiteren Fehlalarm zu vermeiden, wollte ich die Wehentätigkeit erstmal beobachten und stoppte per App die Dauer und Abstände der Wehen. Als die Wehen dann stärker wurden, wollte ich mich lieber noch mal hinlegen. Ich war noch von den letzten Tagen etwas geschafft und dank Supermond war die Nacht zuvor auch nicht wirklich erholsam. Tja, doch das mit dem Schlaf wurde dann nichts. Ich stand schneller als gedacht am Wickeltisch, veratmete die starken Wehen und meinte nur noch zum Mann: „Ruf die Hebamme an, es geht los!“.

Um 22:03 Uhr rief der Mann also die Hebamme an. Sie machte sich auf den Weg zu uns und traf um 23:15 Uhr bei uns ein. In der Zwischenzeit veratmete ich die Wehen, mal an der Küchenzeile, am Esstisch oder auf dem Gymnastikball. Ich konnte meinen Bewegungsdrang voll ausleben. Es war genau das, was mir bei Levkes Geburt fehlte. Da war ich dank Dauer-CTG am Bett gefesselt. Meine Hebamme untersuchte mich zwischen zwei Wehen. Ich wollte ganz schnell wissen, wie weit ich war. Sie fragte mich, was ich mir wünsche. Ich entgegnete ihr: „Schlimmstenfalls 4 cm, schön wären aber so 8cm.“ Und es waren an die 8 cm. Erleichterung! Meine Hebamme bereitete alles mit der Hebammenstudentin für die Hausgeburt vor und rief die zweite Hebamme an.

„Ich wollte mich einfach nur übergeben.“

Zwischendurch motivierte sie mich durch bestärkende Worte. Es war ein schönes Gefühl, hier in den eigenen vier Wänden zu sein, das Kind schlief oben im Kinderzimmer, mein Mann war da und wir hatten eine Hebamme an der Seite, die uns einfühlsam, liebevoll und bestärkend zur Seite stand. Ich tönte in den Wehen, mir war übel. Ich wollte mich einfach nur übergeben. Aber leider blieb die erhoffte Erleichterung aus. Die zweite Hebamme war nun auch angekommen. Ich verspürte einen enormen Druck am Steiß und wünschte mir etwas gegen die Schmerzen. Ich erhielt eine Massage und Wärmeanwendung durch die zweite Hebamme. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber es tat gut. Ich gehöre eher zu den Menschen, die in stressigen und schmerzhaften Momenten nicht berührt werden wollen. Doch in diesem Moment war es einfach so erlösend. Eventuell lag es einfach auch daran, dass ich mich mit dem ganzen Setting unglaublich wohl fühlte.  

Unzählige Male verlangte ich Schmerzmittel und wollte ins Krankenhaus. Ich fühlte mich so kraftlos. Ich dachte, ich hätte nicht mehr die Kraft, weiter zu machen. Zum Glück hatte ich meinen Mann an meiner Seite, der wusste, dass egal wie oft ich nach Schmerzmitteln und Krankenhaus verlangte, es genau das war, was ich nicht wollte. Er und auch die Hebammen bestärkten mich, sie wussten ich hätte noch die Kraft. Ich brauchte nur diesen einen Impuls, der mich über meine eigene Grenze bringt. Ich war sehr unruhig und lief durch das Erdgeschoss. Veratmete die Wehen am Flügel, am Tisch, lag in der Seitenlage auf dem Sofa. Ich wollte auf Toilette, aber unser Bad ist oben, und das schaffte ich nicht mehr. Ich hatte Schmerzen. Ich wollte nicht mehr, ich war geschafft. Eine Woche Latenzphase mit vielen Emotionen lagen hinter mir und nun sollte ich noch gefühlt einen Marathon laufen. Ich wollte nun in die Badewanne. Ich habe immer gedacht, dass die Badewanne und ich unter der Geburt nicht wirklich zusammen passten, denn ich gehöre eher zu den Menschen, die es kühl mit ganz viel frischer Luft brauchen. Was alle Beteiligten wohl oder übel miterlebten, denn ich hatte im Erdgeschoss die Fenster und Terrassentür gekippt.

„Also lag ich in einer Badewanne im Hauseingang…“

Also ließ der Mann ein Bad ein. Dazu beschreibe ich euch kurz die Kulisse:  Wir haben noch eine alte Badewanne im neuen Hauseingang. Wir sind noch mitten im Umbau. Wir haben ein altes Haus gekauft und durch die Pandemie haben wir noch nicht alle Bauprojekte fertig gestellt. Dazu gehört auch das Badezimmer im Erdgeschoss. Das ehemalige Badezimmer soll zum Hauseingang werden und der ehemalige Hauseingang soll zum großen Badezimmer umgebaut werden. Derzeit ist also das ehemalige Badezimmer schon zu einem provisorischen Hauseingang umfunktioniert worden. Fenster wurde zur Tür, Toilette und Waschbecken mussten weichen, nur die Badewanne steht noch im ehemaligen Badezimmer an Ort und Stelle. Also lag ich in einer Badewanne im Hauseingang – zwischen Garderobe, Schuhen und Gartenschlauch. Kerzenschein und meine Schmerzen haben alles um mich herum vergessen lassen. Da die Badewanne nicht wirklich isoliert ist, wurde ständig mit dem Wasserkocher neues heißes Wasser gebracht. Abwechselnd saßen mein Mann und die Hebammen bei mir auf dem Boden und unterstützten mich. Um 1:37 Uhr erhielt ich etwas Homöopathie. Um 1:48Uhr dachte ich meine Fruchtblase sei geplatzt. Da sich aber um 1:54 Uhr die Glückshaube vorwölbte, ich dachte nun kommt das Köpfchen, war das um 1:37 Uhr nicht die geplatzte Fruchtblase…

Ich habe geschrien (sehr sehr laut), gedrückt und geatmet, wie man es mir sagte. Ich hatte auf einmal eine Kraft und den starken Willen, mein Kind zu gebären. Und dann um 2:03 Uhr lag Little T. mit mir in der Badewanne. Tomke kam in einer verschlossenen Fruchtblase zur Welt, was, so habe ich mich belesen, sehr selten vorkommt.

Nun waren wir zu viert

Wir hatten es also geschafft, eine gesunde kleine Tomke war von mir zu Hause geboren worden! Die große Schwester lag schlafend in ihrem Zimmer und wurde dann vom Mann geweckt und ins Badezimmer/Hauseingang gebracht. Nun waren wir zu viert. In der Zwischenzeit bereiteten die Hebammen alles im Wohnzimmer vor. Mir wurde aus der Badewanne geholfen und wir sind aufs Sofa gewechselt. Levke durfte die Nabelschnur anfassen und der Papa durchtrennte sie dann. Betrachte ich die Bilder von dem Moment auf dem Sofa, sah ich echt scheiße aus. Dank Mascara hatte ich wunderschöne Waschbäraugen, aber ich war unglaublich glücklich. Es war alles so perfekt. Dann stand noch die Geburt der Plazenta an. Um 02.36 Uhr war das dann auch geschafft. Dann folgte eine Begutachtung der Plazenta und anschließend wurde mein Damm inspiziert, alles schick. Keine Verletzung und eine vollständige Plazenta. Sie liegt nun bei uns im Tiefkühlfach und wartet darauf, in den Garten unter einen Baum gepflanzt zu werden.

Nun zelebrierten wir die Hausgeburt gemeinsam mit allen Anwesenden. Die Hebammen zündeten Kerzen an und sangen ein Geburtstagslied für Little T., es gab für uns alle ein Gläschen Prosecco zum Anstoßen. Was für ein schöner Moment! 

Gegen 4 Uhr war Aufbruchsstimmung und wir gingen langsam hoch ins Schlafzimmer. Glücklich schliefen wir gemeinsam mit Little T. ein. 

Durch die lange Latenzphase war es eine lange Geburt. Was mich körperlich und seelisch an meine Grenzen und ein Stück weiter darüber hinausbrachte. Ich bin gewachsen, durch Stolz und dieses unglaublich starke Glücksgefühl. Es sollte so kommen, denn so hatte ich die Hausgeburt, die ich mir gewünscht hatte. Rückblickend war es schon ganz viel Glück und ein purer Zufall, dass ich diese tolle Hebamme als Beleghebamme im Januar diesen Jahres, also wirklich sehr spontan, finden durfte. Und dass diese tolle Hebamme mir nun auch noch diesen Wunsch der Hausgeburt erfüllt hat, ist für mich ein kleines Wunder. Danke!!!! 

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Ach, am nächsten Morgen war ich dann wieder ich und strotzte vor Energie und Tatendrang. Es fühlte sich für mich nicht so an, als hätte ich vor wenigen Stunden mein Baby geboren. Noch heute muss ich mich regelmäßig daran erinnern, dass ich mich eigentlich noch im Wochenbett befinde. Mein Körper hat sich sehr schnell regeneriert. Ich weiß meinen Körper und das, was er täglich leistet, viel zu selten zu schätzen. Also an dieser Stelle auch ein Dank an dich!   

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Text und Bilder: Mareike Aue

Für unsere Serie “Der Tag, an dem …” freuen wir uns über jede Mama und jeden Papa unter euch, die die Erlebnisse ihrer Geburt mit uns teilen möchten. Bei Interesse schreibt uns gern eine Mail an: info@pola-magazin.de!

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1 Kommentar(e)

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  1. Vielen Dank für diesen Einblick in deine Hausgeburt. Es stimmt, dass dabei eine gute Hebamme einschätzen kann, wann eine Fahrt ins Krankenhaus medizinisch notwendig ist. Meine Freundin ist auch gerade schwanger und deswegen suchen wir gerade nach der passenden Geburtshilfe.