Vor der Geburt geht es vor allem um eins: um die Geburt. Wo soll das Baby zur Welt kommen? Wie soll das Kinderzimmer eingerichtet werden? Welche Trage ist die Beste? Stoffwindel oder Wegwerfmodell? Klinik oder das eigene Zuhause als Geburtsort? Die Liste der Dinge, die zu erledigen sind, erscheinen endlos lang und 10 Monate reichen kaum, um einen Haken an alle To-dos zu setzen. Und dann kommt er, der wahrscheinlich aufregendste Tag in eurem Leben. Euer Körper hat einen kleinen Menschen gebaut und bringt ihn nun zur Welt. Wow!
Ein ganz neuer Abschnitt beginnt. Ab sofort seid ihr eine Familie. Ob zu dritt, zu viert, zu fünft, es ist jedes einzelne Mal der Start von etwas ganz Neuem. Der Körper muss sich erholen, das Bonding zwischen dem neuen Erdenbürger und seinen Eltern hat oberste Priorität und das sensible Hormon- und Emotionssystem pegelt sich ganz neu ein. Wichtig ist, dass das Erlebte verarbeitet werden kann und es genug Raum dafür gibt, Schritt für Schritt in der neuen Gegenwart anzukommen, um die Zukunft kraftvoll und positiv anzugehen. Kein Wunder, dass das Wochenbett, das direkt im Anschluss an die Geburt beginnt, auch als viertes Trimester bezeichnet wird. Eine Doula, übersetzt “Dienerin der Frau” kann euch in allen Phasen des Mutterwerdens begleiten. Denn das Wochenbett ist ein ganz besonderer Zustand, der Schutz, Wärme und Geborgenheit voraussetzt. Dementsprechend ist es eine gute Idee, sich so viel Hilfe wie möglich zu holen. Diese Phase ist ein ganz besonderer Übergang zwischen altem und neuen Leben. Sie sollte zelebriert werden, um euch und eurem Baby die besten Voraussetzungen für einen gemeinsamen Start ins Leben zu liefern. Eine Doula ist allerdings keine Alternative zur Hebamme, die die Betreuung im Wochenbett übernimmt, sondern vielmehr eine wertvolle Ergänzung. Ohne medizinische Verantwortung sorgt sie für Wohlbefinden auf ganz vielen Ebenen. Je nachdem, was gerade gebraucht wird.
Das Wochenbett in anderen Kulturen
Das Wochenbett teilt sich in verschiedene Phasen auf. Das Frühwochenbett umfasst die ersten sehr entscheidenden zehn Tage. In dieser Zeit wird bei stillenden Müttern die Milch produziert, der Körper erholt sich von der Geburt und gegebenenfalls auftretenden Verletzungen. Das Wunderorgan Gebärmutter schafft es, sich innerhalb weniger Tage wieder, auf die Größe einer Faust zurückzubilden. Doch auch nach zehn Tagen bleibt es unfassbar wichtig, dass das Wochenbett eingehalten wird. Ein Merksatz sagt, eine Woche im Bett, eine Woche am Bett und eine Woche um das Bett herum. Manche Frauen genießen diesen Zustand so lange es geht und nehmen acht Wochen aus der Welt heraus, andere werden schon nach zwei Wochen hibbelig. Es gibt für diese Zeit keinen Standard und es bleibt eine total persönliche Entscheidung jeder Frau, wie lange sie sich zurückgezogen von der Welt wohlfühlt, nachdem alle Wunden verheilt sind und sich ein kleiner Alltag mit Baby eingestellt hat.
Viele traditionelle Kulturen beziffern das Wochenbett mit 40 Tagen, die mit besonderen Ritualen begleitet werden.
Beispielsweise in China werden diese ersten vierzig Tage der Mutterschaft als „Zuo Yuezi“ (einen Monat lange sitzen) bezeichnet. Diese Zeit umfasst einen besonderen Schutzraum, der von Verwandten primär mitgetragen wird. Konkret heißt das, die Mutter verlässt nicht das Haus, wird vor Kälte und Reizen geschützt. Sie muss sich um nichts kümmern, sondern widmet sich ausschließlich dem Baby, der Heilung und dem Ankommen. Vor allem die Großmutter übernimmt eine wichtige Rolle als Köchin, Babysitter und emotionale Stütze. Überlieferte Rezepte aus der traditionellen chinesischen Medizin unterstützen den Körper der Mutter bei der Milchbildung und Regeneration.
In Mexiko wird die Zeit nach der Geburt als “Cuarentena” bezeichnet. Es scheint bei diesem Wort schon durch, was gemeint ist. Die Mutter begibt sich für vierzig Tage in eine Art Quarantäne, in der es klare Regeln gibt. Nicht baden, kein Sex, nicht nach draußen gehen und bestimmte Lebensmittel wie Schweinefleisch, Zitrusfrüchte und kalte Gerichten sollten vermieden werden. Auch hier kommt der engen Familie und der Ernährung eine wichtige Rolle zu.
In Indien werden die neuen Mütter nach den Regeln des Ayurveda oft in ihrem Elternhaus verwöhnt, in das sie für die Zeit des Wochenbetts zurückziehen. Die Familienangehörigen kochen leicht verdauliche Speisen, verfeinert mit Ghee, also geklärter Butter, und Gewürzen. Mutter und Baby werden mit Ölmassagen verwöhnt und dürfen die Küche nicht betreten. Bis zu drei Monate dauert dieser Zustand an und sorgt dafür, dass die junge Familie eine solide, gesunde Grundlage hat, um gemeinsam in die Welt zu starten.
Was all diese Traditionen gemeinsam haben, liegt auf der Hand. Die Unterstützung durch die Familie, die absolute Entlastung der Mutter und nährendes Essen, das auf die ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. Wichtig ist, dass die Mutter sich diesem besonderen Zustand des Ausruhens komplett hingibt, sich vor Kälte schützt und Verbindungen zur Außenwelt minimiert. All diese Erkenntnisse sind über die Jahrtausende entstanden und gelten für ein Wochenbett in Nuuk (Hauptstadt von Grönland) genauso wie für Potsdam.
Wochenbetttradition trifft Gegenwart
Allerdings sorgen die familiären und gesellschaftlichen Strukturen (oder Geschwisterkinder) oftmals dafür, dass die 40 Tage des Wochenbetts mittlerweile oft anders verlebt werden. Ohne Hilfe durch die Familie und den Partner, der vielleicht direkt oder nach wenige Tagen wieder arbeiten muss, ist es für eine frisch gebackene Mutter quasi unmöglich, sich zu erholen und zu besinnen. Natürlich kommt der Rolle der Hebamme, die täglich beziehungsweise regelmäßig vorbeikommt, eine große Bedeutung zu. Versorgung der Wunden, Tipps zur Babypflege und natürlich ein offenes Ohr sind immer inklusive und Teil der Wochenbettbesuche, die xsox ein wichtiger Pfeiler im Leben der jungen Mutter sind.
Ergänzend dazu gibt es aber noch ein weiteres Angebot, das immer mehr an Bedeutung gewinnt: die Wochenbett-Doula. Eine Doula ist eine Person, die keinerlei medizinische Verantwortung übernimmt, sondern sich um emotionale, spirituelle oder einfach die organisatorischen Belange kümmert. Vielleicht ist die Doula von Anfang an dabei,unterstützt die Vorbereitung auf die Geburt durch Massagen, ist Sparringspartner bei der Erstellung des Geburtsplans und kann dabei helfen, auch mental eine positive Einstellung zur Geburt zu bekommen.
Während der Geburt kommt ihr bedingt durch die aktuell herausfordernde Situation in der Geburtshilfe eine besondere Rolle zu. Durch die Doula kann eine 1:1 Betreuung während der Geburt sichergestellt und so dazu beitragen werden, dass weniger Interventionen nötig sind. Nach der Geburt kann sie auf ganz vielfältige Weise unterstützen und einen Teil des sprichwörtlichen Dorfes ersetzen, das es braucht, um ein Kind großzuziehen oder auch erst mal auf dieser Welt zu begrüßen. Ergänzend zur Hebamme und Familie hält die Doula ihre schützende Hand über Mutter und den neuen Erdenbürger.
Hilfe annehmen im Wochenbett
Die Geburt ist gemeistert, der kleine Mensch auf der Welt. Vielleicht habt ihr bis zu diesem Zeitpunkt alles geplant und durchdacht. Nun staunt ihr, was wirklich auf euch zukommt. Die Brüste sind beim Milcheinschuss aus Beton, die Hormone sorgen für eine Gefühlsachterbahn, der Wochenfluss ist viel stärker als gedacht und dieses neue Leben muss erst mal verdaut werden. Umso schöner, wenn es die Möglichkeit gibt, sich wirklich in eine kuschelige Höhle zurückzuziehen, um das zu zelebrieren, was ist. Ohne Müssen, Sollen und Machen. Stattdessen ist das Motto zurückziehen, ausruhen und machen lassen. Um das zu ermöglichen, gibt es Doulas, die vor allem auch im Wochenbett unterstützen und für die Bedingungen sorgen, damit alle gemeinsam gut in dieser Welt und ihren neuen Rollen ankommen.
Gutes Essen für ein neues Leben
Eine besondere Rolle im Wochenbett spielt nahrhaftes Essen. Leicht und kräftigend, anregend für Blutbildung und Milchfluss. Um die Mutter beim Heilen zu unterstützen, gibt es herzhafte Brühen, wärmende Currys und gesunde Shakes, die den Körper wieder aufpäppeln. Kleine Snacks zum Stillen und genügend Flüssigkeit sind genauso wichtig. Denn der Energieaufwand, den das Stillen fordert, sollte nicht unterschätzt werden. Für all das kann eine Doula sorgen. Schon vor der Geburt könnt ihr gemeinsam das Menü zusammenstellen und besprechen, worauf die werdende Mutter Lust hat. Die Doula kann dann direkt vor Ort frisch kochen oder sie erledigt das schon vorab und bringt das Essen einfach vorbei. Mittlerweile gibt es auch großartige Lieferdienste für Postpartum-Menüs, die ihr Angebot genau auf die Bedürfnisse der neuen Mutter abstimmen. Da kommt nicht nur der Heilung entgegen, sondern entstresst und sorgt dafür, dass der Pizza-Lieferdienst nicht allein für euer Wohlbefinden verantwortlich ist. So übernehmt ihr die Verantwortung für euren Körper. Auf diese Weise können eventuelle Wunden am besten heilen, das Hormonchaos wird ausgependelt und zusammen könnt ihr in Ruhe das neue “Wir” definieren.
Zurück in den Körper
Es gibt nichts Körperlicheres als Schwangerschaft und Geburt. Was der Körper in dieser Zeit leistet, ist einfach unglaublich und verdient eine Parade. Wenn man sich ganz genau vor Augen führt, was in dieser Zeit passiert, sollte die Wichtigkeit des Wochenbetts noch deutlicher werden. Die Gebärmutter, die Brüste, die Wirbelsäule, Knie und Füße, einfach alle Bereiche des Körpers haben so einen wahnsinnigen Job gemacht und müssen erst mal wieder in ihre alte und doch ganz neue Rolle zu finden. Um das möglich zu machen, braucht der Körper vor allem eins: Ruhe und Entspannung. Gar nicht so einfach, wenn sich ständig das Handy meldet, die Brustwarzen brennen und die ersten Besucher ungeduldig vor der Tür scharren. Auch hier kann eine Doula extra unterstützen. Zum Beispiel durch Massagen, speziell abgestimmt für das Wochenbett. Eine sanfte Bauchmassage hilft bei der Rückbildung, aber auch die Füße, der Nacken oder der Kopf freuen sich über die Aufmerksamkeit. Einer Faszienmassage kommt besonders bei traumatischen Geburten eine besondere Rolle zu. Denn auf diese Weise kann das Erlebte besser verarbeitet und wieder abgegeben werden. Ein zusätzliches Ritual ist das Bengkung Bellybinding, das ursprünglich aus Malaysia stammt. Dabei wird ein Tuch vom Schambein unter die Brust mit einer besonderen Technik geknotet. Auf diese Weise wird die Mutter zusätzlich gewärmt, Becken, Rücken und Hüfte werden gestützt und sogar auf den Wochenfluss und das Stillen hat diese Methode einen positiven Einfluss. In Kombination mit ästhetischen Ölen und einer Massage wird dieser Effekt sogar noch verstärkt. Andere stärkende Rituale sind die Anwendung von Heilmitteln aus der Traditionell Chinesischen Medizin, Kräuter, aber auch Vaginal Steaming und ruhige Bewegungen aus dem Yoga in den ersten 40 Tagen fördern das Selbstbewusstsein, das Wohlbefinden und das Bonding mit dem neuen Erdenbürger. Je nach Doula variiert das Angebot. Manche haben einen starken Fokus auf Körperarbeit, andere kennen sich richtig gut mit Yoga aus oder können durch Mediationen und Atemarbeit zusätzliche Unterstützung bieten.
Balsam für die Seele
Eine Doula entlastet, unterstützt und schafft Raum für das Ankommen als Familie. Es geht vor allem darum, zu entlasten und zu stärken. Das kann bedeuten, eine Runde mit dem Baby zu drehen, während die Eltern Schlaf nachholen. Dazu gehören aber auch Besorgungen oder Hilfe im Haushalt. Oft ist es aber auch einfach nur die Präsenz. Da sein, Hilfe anbieten, wenn gewünscht über die Erlebnisse der Geburt reden. Eine Schulter zum Anlehnen anbieten und einen sanften Übergang in eine ganz neue Lebenssituation gewährleisten. Jede Familie ist individuell. Ensprechend unterscheiden sich die Angebote, die allerdings alle ein Ziel haben: Die ersten vierzig Tage und auch die Zeit darüber hinaus, so zu gestalten, dass ein geschützter Rahmen entsteht, der der frisch gebackenen Familie die Ruhe, Kraft und den Halt bietet, um ganz neu zu wurzeln.
Doulas sind eine großartige Ergänzung und Hilfe im Wochenbett, dabei ersetzen sie niemals die Hebamme, die im Wochenbett vorbeikommt. Vielmehr ist die Doula eine Freundin auf Zeit, die den Raum hält, Grenzen wahrt und mit vielen kleinen Gesten zu einem großen Wohlgefühl beiträgt.
Text: Rebecca Gürnth
Kennt ihr schon das Interview mit Anne? Sie sagt ganz klar: “Man muss nicht gleich alles von Anfang an können!”