Co-Parenting oder Co-Elternschaft? Das bedeutet, dass mehrere Erwachsene gemeinsam ein Kind großziehen. Das können familienähnliche Gemeinschaften oder ganz klassisch Eltern mit einem gemeinsamen Sorgerecht sein, wie im Fall unserer Autorin Jana. Es gibt aber trotzdem eine Besonderheit bei ihrem Wechselmodell: Der Kindsvater und sie leben 300 Kilometer auseinander. In unserem Beitrag erzählt sie euch, wie diese Art der Co-Elternschaft funktionieren kann.
Co-Parenting mit 300 km Distanz
Vor etwas mehr als einem Jahr sind meine Tochter und ich von Hamburg zurück nach Potsdam gezogen – während der Vater meiner Tochter weiterhin in Hamburg wohnt. Seitdem meistern wir ein Wechselmodell der besonderen Art mit mehr 300 Kilometern Distanz dazwischen. Dennoch ist dieses Modell für uns die beste Lösung, die nach einem guten Jahr Probezeit inzwischen auch richtig gut funktioniert. Dass der Papa die Kleine spontan aus der Kita abholt oder kurzfristig ein paar Tage mit ihr zu Hause bleibt, wenn sie einmal krank ist, das funktioniert in unserem Fall leider nicht. Aber nach der Trennung stand für mich fest, dass ich mit unserer Tochter zurück nach Potsdam ziehe. Die Stadt ist nicht nur meine alte Heimat, in der ich aufgewachsen bin, sondern hier wohnt auch meine Familie, die uns in unserem Alltag viel unterstützt.
Mit dieser Entscheidung habe ich eine große räumliche Distanz zwischen meine Tochter und ihren Papa gebracht. Dennoch ist es mir wichtig, dass die beiden ein gutes und vor allem regelmäßiges Verhältnis zueinander haben, um eine intensive und liebevolle Beziehung zu wahren. Was am Anfang den Eindruck einer Sisyphos-Aufgabe hatte, ist inzwischen ein ausgereiftes System, dass alle paar Monate überprüft und aktualisiert wird.
Besuchsrhythmus im Wechselmodell
Potsdam und Hamburg im Wechsel, so lässt sich unser Besuchsmodell beim Co-Parenting prinzipiell zusammenfassen. Dabei sind Besuche in Potsdam wichtig, weil auf diese Weise die Möglichkeit besteht, dass Vater und Tochter gemeinsam an unserem neuen Alltag teilhaben können. Abholen von der Kita, ausgiebiges Spielen im Kinderzimmer und auf dem Spielplatz, auf dem wir regelmäßig Freunde treffen, sowie Begleitung zum Musikkurs – all das ist auf diese Weise möglich.
Auch wenn diese Aktivitäten nicht regelmäßig sind, stärken sie die Bindung und schaffen eine Teilhabe am Alltag unserer Tochter. Umgekehrt ist die Zeit in Hamburg ebenso wichtig, um auch hier Bindungen aufbauen zu können und den Kontakt zu den Großeltern väterlicherseits zu pflegen. Für das Pendeln nutzen wir in der Regel die Bahn, da die Verbindungen von Potsdam bzw. Berlin nach Hamburg sehr gut sind. Wir besitzen seitdem nicht nur alle Spielzüge, die die Deutsche Bahn an ihre kleinen Reisenden verschenkt, sondern sind inzwischen echte Reiseprofis, sodass die Zugfahrten insgesamt entspannt sind und auch nach der Kita keine zu große Anstrengung darstellen.
Monatelange Planung im Voraus
In der Regel planen wir unsere Zeiten ein halbes Jahr im Voraus. Somit sind wir stets über einen langen Zeitraum durchgetaktet, was Spontaneität in anderen Bereichen oft erschwert. Gleichzeitig können auf diese Weise eine verlässliche Regelmäßigkeit garantieren, die uns als Eltern für unsere Tochter wichtig ist. Dabei nutzen wir gerne auch Feiertage, um die gemeinsame Zeit von Vater und Tochter maximal zu nutzen. Hinzu kommt, dass wir aufgrund unserer Jobs über gewisse Flexibilitäten verfügen und somit auch verlängerte Wochenenden ohne Feiertage möglich sind.
Außerdem bemühen wir uns, neben der Exklusivzeit der beiden auch gemeinsame Aktivitäten zu dritt einzuplanen, die uns am Herzen liegen. Somit sind unsere Treffen mit einem hohen organisatorischen Aufwand verbunden und uns ist bewusst, dass dies in den nächsten Jahren so bleiben wird. Inzwischen haben wir jedoch einen guten Rhythmus gefunden, sodass die Absprachen inzwischen zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind.
Video-Anrufe im Alltag
Psychologen empfehlen gemeinhin, dass sich der getrenntlebende Elternteil und das Kind zwei- bis dreimal in der Woche sehen, um eine Bindung zueinander aufbauen zu können. Insbesondere in den ersten drei Lebensjahren ist dieser regelmäßige Kontakt sehr wichtig. Aufgrund der Distanz ist dies bei uns in dieser Form leider nicht möglich. Daher versuchen wir den Kontakt mit Video-Anrufen zu kompensieren. Fast täglich telefonieren die beiden miteinander, in der Regel morgens vor der Kita sowie oft auch noch einmal am Nachmittag. Auf diese Weise kann jeder von aktuellen Erlebnissen berichten und am Alltag des anderen teilhaben, sodass FaceTime für uns zu einer gut funktionieren Überbrückung bis zum nächsten Wiedersehen geworden ist.
Exklusivzeiten und Auszeiten abstimmen
Im Alltag bin ich alleinerziehend, was nicht immer leicht zu managen ist. Papa-Wochenenden bedeuten für mich damit eine willkommene Verschnaufpause und sind gleichzeitig meine Freizeit. Es hat etwas Zeit gebraucht, bis ich gelernt habe, diese ganz bewusst für mich zu nutzen und auch regelmäßig einzufordern. Je älter unsere Tochter wird, desto mehr Freiheiten werde ich Stück für Stück zurückgewinnen.
Während sie in der Anfangsphase unseres Co-Parenting auf Distanz noch gestillt wurde und mich somit in ihrer Nähe gebraucht hat, ist sie inzwischen sehr gut in unser Lebenskonzept hineingewachsen und kann problemlos ohne mich einige Tage in Hamburg bei ihrem Papa verbringen. Auf diese Weise waren in diesem Jahr bereits zwei Wellness-Wochenenden mit Freundinnen für mich möglich, die im vergangenen Jahr noch nicht umsetzbar gewesen wären, weil unsere Tochter noch nicht bereit dafür war.
Im kommenden Jahr wollen wir den nächsten Schritt unseres Wechselmodells wagen und den Zeitraum ausdehnen, sodass längere Auszeiten für mich und somit längere Exklusivzeiten für Vater und Tochter möglich sind. Sie fühlt sich wohl und es ist für alle Beteiligten ein schönes Gefühl, zu wissen, dass wir sie bei den Umstellungen so gut begleitet haben, sodass wir eine Basis aus Sicherheit und Geborgenheit in Potsdam und in Hamburg geschaffen haben.
Mental Load aufteilen
Ohne Frage fällt ein Großteil der alltäglichen Belange und Bedürfnisse in meinen Aufgabenbereich. Wann findet nochmal der nächste Eltern-Kind-Nachmittag in der Kita statt? Sind noch ausreichend Wechselsachen dort hinterlegt? Wir müssen noch einen Impftermin vereinbaren und eine neue Matschgarnitur kaufen. Solche Dinge organisiere ich in meinem Alltag meist nebenbei – oft genug auch, wenn eigentlich schon Feierabend ist.
Dass ich damit einen großen Teil meiner Freizeit für solche organisatorischen Dinge aufwende, hat mich lange Zeit frustriert, bis ich mit dem Vater meiner Tochter über diese Problematik gesprochen habe. Durch die Distanz ist bei mir der Eindruck entstanden, dass wir uns diese Dinge nicht aufteilen können. Also haben wir gemeinsam überlegt, welche Aufgaben er übernehmen kann, um diesen Mental Load aufzuteilen. Seitdem sind unter anderem neue Schuhe sowie neue Jacken, Matschhosen, Overalls und Schneeanzüge sein Aufgabengebiet, da sich diese Sachen in der Regel langfristig einplanen und besorgen lassen.
Co-Parenting: Fazit
Was inzwischen harmonisch klingt, war harte Arbeit und wird vermutlich auch immer so bleiben. Es ist ohne Frage mit einem größeren Aufwand verbunden, als wenn wir als Eltern in der gleichen Stadt leben würden. Dennoch haben wir ein für alle Seiten funktionierendes System geschaffen – trotz oder gerade wegen der Distanz. Viele der Hürden, die dadurch bestanden, haben uns dazu gezwungen, dass wir immer wieder neue Lösungen finden mussten. Auf diese Weise haben wir ständig reflektiert, was gut läuft und was angepasst werden muss. Wir sind als Eltern zusammengerückt und ein starkes Team für unsere Tochter geworden. Unser Co-Parenting auf Distanz ist kein starres Konstrukt, sondern ein flexibles Modell, dass immer wieder den Bedürfnissen aller Beteiligten angepasst wird – allen voran den Bedürfnissen unserer gemeinsamen Tochter.
Fotos: Jana Volpers
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