Mit 25 Jahren gründete Thekla Wilkening zusammen mit ihrer Freundin Pola Fendel ihr erstes eigenes Unternehmen. Die Kleiderei war zu dieser Zeit das erste Fashion-Sharing-Modell in Deutschland. Vor Kurzem brachte die Klimaaktivistin, Nachhaltigkeitsexpertin und Mama eines Sohnes ihr erstes Buch heraus. In ihrem Buch “Das Bio-Pizza-Dilemma*” teilt Thekla mit uns LeserInnen ihre Erfahrungen und zeigt Wege, wie wir den Wandel zu einer nachhaltigeren Welt schaffen können.
POLA Magazin: Liebe Thekla, was steckt hinter dem Namen „Das Bio-Pizza Dilemma“?
Thekla Wilkening: Die Pizza ist etwas, was (fast) alle Menschen lieben – alle auf ihre eigene Art, denn wir haben fast alle unsere eigene Lieblingspizza. Wir wollen mit dem Titel aussagen, dass Nachhaltigkeit eigentlich wie Pizza ist. Etwas, was wir alle lieben können – jede*r von uns aber auf seine Weise. Und das Dilemma, auf das wir im Titel anspielen ist die neuerdings grün angepinselte Marketing-Maschinerie, die uns erzählt, dass wir mit unseren besseren Konsumentscheidungen die Welt retten können. Das stimmt aber nicht, sondern soll von den wahren Klima-Killern ablenken und die Bürger*innen im Widerstand halten.
In deinem Buch zitierst du den Soziologen Stephan Lessenich: „Wir leben keineswegs über unsere Verhältnisse. Wir leben über die Verhältnisse anderer.“ Was ist damit gemeint?
Wir leben in einer Externalisierungsgesellschaft. Ich arbeite seit zehn Jahren in der Textilindustrie, da wird dieser Effekt besonders deutlich. Deutschland ist der zweitgrößte Abnehmer von Textilien aus Bangladesch, einem der ärmsten Länder der Welt. Mit einem Import von billiger Kleidung im Wert von knapp 5 Milliarden US Dollar, die wir dann hier verkaufen, um das Gefühl zu bedienen, uns ständig neue Looks leisten zu können, externalisieren wir auf unfairste Weise. 98% der Arbeiter*innen in der Textilindustrie werden nicht fair bezahlt, es gibt nicht genug Arbeitsschutz dafür Gewalt, Sexismus, Rassismus, Umweltverschmutzung vor Ort. Wenn wir hier im globalen Norden nach der Arbeit noch schnell ein bisschen Feel-Good-Shopping betreiben, belohnen wir uns auf ihre Kosten. Dasselbe gilt natürlich für unsere Autos, Smartphones, Nahrungsmittel und vieles mehr.
Durch die Pandemie wurden die Klimaziele erfüllt, die Natur hat sich erholt und die Welt hat sich beruhigt. Doch leider gibt es keinen Grund zu feiern, denn es lag nicht an dem umweltpolitischen Handeln. Was wünscht du dir für die Zukunft?
Do less shit: Ich würde mir wünschen, dass wir aufhören die falschen Dinge zu unterstützen. Subventionen für eine Landwirtschaft, die weder nachhaltig noch tierfreundlich ist, müssten abgeschafft werden, genauso wie diese für fossile Energieträger. Ich wünsche mir, dass wir komplett auf erneuerbare Energien umstellen und eine faire CO2 Bepreisung haben, die sozial ist und klima-positives Verhalten fördert und belohnt. Der Handel mit Produkten, die nicht fair produziert wurden, sollte sofort verboten werden und den Irrglauben, wir müssten in einem binären, von weißen Männern dominierten Gesellschaft leben, sollten wir endlich kollektiv aufgeben und stattdessen gleichberechtigte Diversität feiern!
Wie würde eine perfekte Welt deiner Meinung nach aussehen?
Fair, solidarisch, innovativ, von einem positiven Menschen- und Lebensgefühl ausgehend. Zeichnen wir die Utopie einer klima-positiven Gesellschaft, also ein Leben in grünen, ruhigeren Städten, in denen wir zwecks Wärmedämmung und natürlicher Kühlung verdichteter Leben, dafür aber auch größere, begrünte, unversiegelte Flächen hätten, auf denen gemeinsames Leben im Austausch stattfindet, klingt das immer ein bisschen wie aus dem Computerspiel Die Sims. Statt grauen Häusern, die monochrom in Straßen übergehen, lediglich durchbrochen von parkenden Autos und gehetzten Bürger*innen, lieber helle, Sonnenlicht reflektierende Fassaden, grüne, wilde Flächen und darauf ein buntes, fröhliches Treiben. Warum erlauben wir uns selbst diese Welt nicht? Es muss ja nicht perfekt sein, aber das wäre doch schon nahe dran.
Wie können wir bei der Modeindustrie den Überblick behalten, wo jetzt fast jedes Brand eine nachhaltige Linie hat oder die Jeans-Kollektion mit Bio-Baumwolle bewirbt?
Fast gar nicht, das ist die schlechte Nachricht. Es gibt ein paar Siegel, die sehr stark sind, das von der Fair Wear Foundation und der Global Textile Standard zum Beispiel. Aber es sind bei weitem noch nicht alle Modelabel dabei, diesen Standards nachzukommen. Viele produziere weiterhin im globalen Süden unter ausbeuterischen Bedingungen, wie ja schon beschrieben. Die gute Nachricht ist: wenn wir beginnen, unsere Kleiderschränke hybrider zu füllen, mit Mode, die wir mieten, pre-loved kaufen oder tauschen, ist es ganz leicht, Ressourcen zu schonen und trotzdem viel Spaß mit Mode zu haben. Damit setzen wir als Konsument*innen dann auch ein Statement, nämlich dass, das wir nicht mehr einverstanden sind damit, wie Mode produziert wird.
Was sollte sich jeder bewusst machen, bevor er/sie etwas kauft?
Hinterfragen, ob es wirklich die beste Art und Weise ist, das eigene Geld in diesem Moment anzulegen.
Jeder Mensch kann zum Klimaschutz beitragen. Doch wo fängt man an besten an?
Aktiv werden, lernen, Wissen anhäufen. Das eigene Verhalten bewusst reflektieren, dann hinterfragen und dieselben Ansprüche an die großen Konzerne stellen. Die großen Themen der Zukunft werden der Abbau jeglicher rassistischen Strukturen sein, damit wir eine fremdenfreundliche Gesellschaft bilden können. Und das Stärken unserer eigenen Resilienzfähigkeit, in dem wir uns ein soziales Netzwerk aufbauen, auf das wir uns verlassen können. Das kann, muss aber kein politisches sein. Das Leben auf dieser Erde wird sich verändern, wie es das auch immer schon getan hat, aber in einer Geschwindigkeit und mit Auswirkungen, die wir uns alle noch nicht vorstellen können. Je flexibler wir darauf reagieren können, desto besser.
Was wünscht du dir von dem Buch?
Fotocredit: Denys Karlinskyy
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