Meine Hassliebe zum Bahnfahren mit Kindern

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Bahnfahren mit Kindern kann so schön sein: Einsteigen, eine Kinderfahrkarte lösen und einen Spielzeug-Zug kassieren, für Unterhaltung aus dem Fenster glotzen, an dem Land und Leute vorbeirauschen und am Endbahnhof in die Arme der Liebsten (Oma, Opa, Freunde, werauchimmer) fallen. Werbung Ende.
Nun zur Realität: Bahnfahren mit Kindern könnte so schön sein. Wenn nicht… Ja, wo fange ich da an? Vielleicht am Bahnhof, beim Einsteigen. Oder noch besser: Davor. Ich reise oft alleine mit Kind(ern). Das heißt also auch mit Sack und Pack, in denen neben Kleidung noch Kuscheltiere, Regenklamotten, Gummistiefel, Vorlesebücher und das ein oder andere Lieblingsspielzeug verstaut sein müssen.

Mit den Nerven am Ende ehe die Bahnfahrt angefangen hat

Man stelle sich also eine Ein-Person-Karawane vor. Ich schiebe, ziehe, rolle, schleppe – und zwar Kinderwagen, Koffer und Rucksack, wenn´s hart auf hart kommt noch ein Baby in der Trage dazu. Und dann gibt es keinen Aufzug zum Gleis. Oder: Der Aufzug ist gerade außer Betrieb. Natürlich. Na gut, wenigstens sehe ich eine Rolltreppe. Ach schade, die ist wohl auch kaputt. Oder fährt nur nach unten. Ich schreibe hier nicht von Ausnahmen, sondern von regelmäßigen Ausfällen, die meine Nerven schon überstrapazieren, ehe die eigentliche Reise losgeht. Umstehende Mitreisende haben es plötzlich schrecklich eilig, irgendwo hinzukommen, egal wohin, Hauptsache schnell weg. Auch ein guter Trick: Den Blick senken. „Hoffentlich spricht die mich nicht an…“ ICH HÖRE EURE GEDANKEN! Dann kommt da manchmal noch die ältere Dame, die der Blickdiagnose nach an Arthrose leidet, aber ein zu gutes Herz hat, um keine Hilfe anzubieten. Das ist sehr lieb, aber ich sehe eigentlich genügend Personen, die vielleicht weniger Schaden nähmen, wenn sie beim Herauftragen helfen.
Als ich noch neu war im Muddi-Game stand ich manchmal minutenlang am Treppenaufgang in der Hoffnung, freiwillige Hilfe zu bekommen. Fehler. Mittlerweile spreche ich knallhart Jede(n), der oder die fit genug aussieht und gerade vorbeikommt – auch die mit gesenktem Blick. Kein Pardon. Und siehe da, wenn auch zähneknirschend, aber Hilfe ist immer irgendwie zu finden.

Die Qualität der Reise steht und fällt mit dem Zugmodell

Hat man es erst mit allem Plunder in den Zug geschafft, heißt es hoffen auf das richtige Modell. Denn ICE ist nicht gleich ICE – und das erkennt man auch am Kleinkindabteil. Lucky Punch, wer im ICE 4, dem neusten Modell landet. Hier gibt es immerhin Platz für einen Kinderwagen (ich betone EINEN), und eine Spielwand mit Memory-Steinen für die großen Kleinen. Dafür fehlt die aufklappbare Wickelablage. Geschenkt.
Und dann gibt es noch den ICE 2. Hier haben sich die Ingenieur*innen gedacht: Warum nichtmal was wagen und den Kleinkindbereich im Durchgang von Klo zu zweiter Klasse machen? Mit durch Bewegungssensor gesteuerten Türen. Mal was ganz Neues. Ich hätte eine Antwort: Weil es schwachsinnig und nervig ist! Eltern haben keine Sekunde Ruhe, weil der neugierige Nachwuchs jederzeit in der Glastür zerquetscht zu werden droht. Die ist mit ihrem Auf-zu-auf-zu natürlich ganz besonders spannend. Den Minis kann man da keinen Vorwurf machen. Auch geil: Stillen, wenn alle Nase lang jemand vorbeilatscht. Ich persönlich habe kein Problem damit in der Öffentlichkeit, kann aber verstehen, wenn man seine Nippel nicht jedem Mitreisenden präsentieren möchte und daher die Abgeschiedenheit eines Abteils schätzt. Von Mittagsschlaf fange ich erst gar nicht an. Da muss man schon das Sandmännchen persönlich sein, um seinen Nachwuchs ins Schlummerland befördert zu bekommen.
Meine Idee für kommende Zug-Upgrades: Ein Laufband in oder am Kleinkindabteil wär geil. Wie oft sehe ich verzweifelte Elternteile gangauf-gangab latschen, damit das Geplärre aus der Trage bloß ein Ende nimmt. Blöd, dass man dafür auch noch Gepäck und eventuelle Geschwisterkinder unbeaufsichtigt lassen muss.

Keine Bahnfahrt ohne Brezel

Hat man allerdings ein passendes Modell erwischt und liegen weder Weichenstörung, noch ärztlicher Notfall, noch Verzögerungen im Betriebsablauf oder Sonstiges vor – ja, dann kann Bahnfahren mit Kindern auch richtig geil sein. Da gehen im Abteil oder Familienbereich munter die Brezelstücke rum, von denen man nicht weiß, ob sie schon vertrocknet unterm Sitz lagen oder aus der Bäckertüte einer anderen Familie stammen. Egal – die Kids lutschen glücklich dran rum. Spielzeug wird geteilt, getauscht, weggenommen und wiedergegeben. Die Minis beschäftigen sich miteinander, irgendein Elternteil hat immer ein Auge drauf. Der Rest darf sich einfach mal entspannen vom Hustle der Reisevorbereitung und aus dem Fenster glotzen. Oder in Ruhe stillen, wenn man mit Baby und Kleinkind unterwegs ist. Neulich war ein Hund mit im Familienbereich, alle Kinder durften ihn mal streicheln – Premiumunterhaltung. Im Gegensatz zu Autofahrten muss man nicht zum Essen, Pinkeln oder Rumlaufen anhalten und kommt theoretisch schnell von A nach B. Die Umwelt freut sich sowieso. Es gibt also genügend Gründe, für Familienausflüge auf Schienen statt Schnellstraße zu setzen und doch bleibt es ein Nervenkitzel. Zwo, eins, Risiko… Ich jedenfalls lasse mir die Illusion vom schönen Bahnfahren nicht nehmen und glaube fest daran, dass ich für jede Scheißfahrt irgendwann belohnt werde. Ob Karma- oder Bahnbonuspunkte – mir soll beides recht sein.

Text & Foto: Janina Focke

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1 Kommentar(e)

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  1. says: Marie de Jonge

    Das Reisen mit einer großen Gruppe oder mit Kindern ist nicht immer einfach. Ich habe auch festgestellt, dass es nicht immer einfach ist, einen Aufzug zu benutzen, weil sie oft klein sind. Das Umsteigen an Bahnhöfen dauert zum Beispiel immer länger.