Jenny (36) und Christian (41) leben mit ihrer kleinen Tochter Leni (7 Wochen) in Potsdam in der Templiner Vorstadt. Die selbstständige Unternehmerin und der Berufssoldat hatten einen holprigen Weg zum Familienglück. Dieser Weg war gepflastert von Startschwierigkeiten, einer ungeplanten Schwangerschaft und einer Fehlgeburt. Wie sie daran gewachsen sind und den schwierigen Spagat zwischen Job und Familie meistern, haben sie uns bei einem persönlichen Gespräch am warmen Kamin verraten.
Wie habt ihr euch kennengelernt? War es Liebe auf den ersten Blick?
(beide lachen) Christian: Nein, nicht bei jedem.
Jenny: Du warst von Anfang an in mich verliebt?
Christian: Naja, ich habe zumindest deutliches Interesse gezeigt.
Jenny: Das stimmt.
Klingt nach einem spannenden Beziehungsanfang. Wie lief das genau ab?
Jenny: Ich war lange Single und habe eine Bekannte und ihren Mann gefragt, ob sie jemanden kennen, der auch Single ist. Meine Kriterien waren: Soldat in Uniform, blond, Nerd und ‘ne Brille. Da haben sie mir spontan ein Bild von einem Freund gezeigt. Und bei Christian spielte sich ungefähr die gleiche Situation ab.
Christian: Ja, ich kannte die beiden auch, weil der Mann bei der Bundes-wehr ist, genau wie ich. Und ich habe sie gefragt, ob sie jemanden kennen, der Single ist und da haben sie mir Jenny vorgeschlagen.
Jenny: Und dann hatten wir ein Blind Date an seinem Geburtstag. Da wollte ich aber eigentlich gar nicht hingehen. Denn nachdem sich herausstellte, dass er schon zwei Kinder hat und die größere Tochter sowie die gesamte Familie ebenfalls zur Party kommen würden, wurde mir das zuviel. Ich wollte mich vor der Party drücken, bin dann aber doch hingegangen und da stand er dann in einem zerknautschten Hemd vor mir.
Christian: Das war nicht zerknautscht.
Jenny: Doch! Das war nur halb gebügelt und überhaupt kamen wir nicht richtig zum Quatschen, weil so viele Leute dort waren. Am Ende des Abends fand ich ihn ganz nett, aber mehr nicht. Aber ich wollte ihm eine zweite Chance geben und wir trafen uns in einem Café. Er fuhr mit dem Motorrad vor und hatte ganz angeklatschte Haare. Und ich dachte: Och nee, erst das zerknautschte Hemd, dann die angeklatschten Haare. Aber bei unserem dritten Date hat er mir in Werder ein Spaghettieis und eine wilde Motorradfahrt spendiert. Und da ist bei mir der Funke übergesprungen. Von dem Tag an ist er nie wieder gegangen.
Was macht denn Christian für dich zum perfekten Nerd?
Jenny: Er ist halt nicht so machohaft unterwegs. Mir gefällt sein zurück-haltendes Auftreten, sein verschmitztes Lächeln und dass er sich mit Computern, Autos, Technik und vielem anderen auskennt. Dafür ist er aber ein richtiger Erklärbär. Wenn man ihn zum Beispiel etwas Simples zum Thema Ölwechsel fragt, muss man damit rechnen, dass man keine schnelle Antwort bekommt, sondern einen breit angelegten Vortrag über Motoren im Allgemeinen. Wenn ich irgendwann mal bei Günther Jauch sitze, ist er definitiv mein Telefonjoker.
Wie schnell war euch klar, dass ihr Eltern werden wollt?
Jenny: Für mich stand das von Anfang an fest, ich habe es auch sofort kommuniziert. Christian wollte eigentlich kein Kind mehr, weil er ja schon zwei Töchter hat.
Christian: Bei mir waren schon zwei Beziehungen mit Kindern schiefgegangen. Durch eine gescheiterte Ehe hatte ich viele Ängste und Bedenken, ob das nochmal was für mich ist. Aber durch sanften Druck von Jenny konnte ich diese Vorbehalte loslassen.
Jenny: Wir sind nach einem dreiviertel Jahr zusammengezogen. Unser erster gemeinsamer Urlaub auf Korfu endete später in einer Schwangerschaft. Das war gar nicht geplant, aber wir haben uns für die kleine Maus entschieden. Ende der 14. Woche habe ich das Kind leider verloren. Es passierte bei einem Urlaub im Harz, während der Corona-Zeit. Ich kam ins Krankenhaus und Christian durfte aufgrund der Sicherheitsbestimmungen nicht an meiner Seite sein. Erst zwei Tage später durfte er für eine Stunde zu mir und hat mich aus dem Krankenhaus abgeholt.
Wie ging es euch nach diesem großen Verlust? Wie seid ihr mit diesem Schicksalsschlag umgegangen?
Christian: Ich habe mich einfach nur hilflos gefühlt. Als Mann kann man es ja nur begrenzt nachfühlen, wie es sich als Frau anfühlt, diese enge Bindung zwischen Mutter und Kind. Darum habe ich versucht, für Jenny da zu sein. Zum Glück hatte mein Arbeitgeber Verständnis für unsere Situation und ich konnte mir für einige Zeit freinehmen und im Homeoffice arbeiten.
Jenny: Das war echt schlimm damals. Das Herz tat sehr weh. Aber es hat mir sehr geholfen, dass Familie und Freunde für uns da waren. Wir haben uns darauf konzentriert, dass es weitergeht und weitergehen muss. Durch unsere Jobs waren wir beide schnell wieder im Alltag angekommen. In Gesprächen mit Bekannten haben wir mehr und mehr erfahren, dass es vielen Paaren ähnlich erging und viele Menschen mit so einem Verlust umgehen müssen.
Wann habt ihr entschieden, es nochmal zu probieren?
Jenny: Ungefähr ein halbes Jahr später haben wir wieder angefangen, bewusst zu üben. Das hat dann aber nicht sofort geklappt, wie ich es mir dachte. Als ich nach einem Jahr nach dem Verlust immer noch nicht schwanger war, wurde ich nervös und wir wollten eigentlich mit einer Hormontherapie beginnen. Es kam ganz anders. Nach einer Geburtstagsfeier im Harz fühlte ich mich am nächsten Tag unwohl.Ich sagte: „Ich habe einen Kater, aber es fühlt sich nicht an wie ein Kater.” Daraufhin habe ich einen Schwangerschaftstest gemacht und er war positiv.
Hattest du bei der zweiten Schwangerschaft Angst, dass du das Kind wieder verlieren könntest?
Jenny: Die Schwangerschaft verlief problemlos. Ich hatte kaum Beschwerden. Trotzdem fieberte ich der Feindiagnostik entgegen und dachte, hoffentlich ist alles gut. Als das dann geschafft war, ist mir ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Es hat uns unglaublich beruhigt, zu wissen, dass es ihr richtig gut geht.Leider konnten wir kein schönes Ultraschallfoto machen, weil die Kleine so viel strampelte.
Lief die Geburt dann genauso harmonisch ab wie die Schwangerschaft?
Christian (lacht): Erzähl du!
Jenny: Es begann mitten in der Nacht. Wir waren beide im Tiefschlaf und gegen 0 Uhr wachte ich auf, weil ich dachte, ich hätte ins Bett gemacht. Da war die Fruchtblase geplatzt und wir sind ins Krankenhaus gefahren. Nach 40 Stunden habe ich mir eine PDA geben lassen und hing am Wehentropf, aber es passierte nichts. Nach 44 Stunden kam sie dann per Kaiserschnitt zur Welt. Das war sehr emotional. Ich war von den langen Wehen sehr erschöpft und habe während der gesamten Operation geweint, weil ich so aufgeregt war, dass sie jetzt wirklich geboren wird. Als sie mir dann auf die Brust gelegt wurde, war ich einfach nur überglücklich.
Wie lange hast du gebraucht, um dich von der Geburt zu erholen?
Jenny: Gar nicht lange. Wir haben sogar auf dem Weg vom Krankenhaus nach Hause noch einen kleinen Zwischenstopp eingelegt. Wir sind in mein Geschäft gefahren und haben meinen Mitarbeiterinnen stolz die kleine Leni präsentiert. Da ich keine Probleme mit der Kaiserschnittnarbe hatte, konnten wir schon ein paar Tage später bei schönstem Sonnenschein spazieren gehen und unsere kleine Familie genießen. Dass Christian schon vorher Papa war, ist auch ein Vorteil. Er kennt viele Handgriffe, konnte wickeln und füttern. Und er sieht viele Dinge, die für mich als junge Mutter neu sind, gelassener.
Leni ist jetzt 7 Wochen alt, und trotz Elternzeit hast du einen vollen Terminkalender – wie kommt das?
Jenny: Die größte Herausforderung für mich ist es, Job und Kind miteinander zu vereinbaren. Als selbstständige Unternehmerin hatte ich mit meinem Job quasi schon ein Baby und dann kam noch ein zweites dazu. Diese beiden Babys so abzustimmen, dass ich beiden gerecht werde, ist echt nicht einfach. Ich arbeite momentan jeden zweiten, dritten Tag, immer um Lenis Tagesablauf herum. Wenn sie tagsüber schläft, nutze ich die Zeit zum Beispiel für die Buchhaltung. Zwischen dem Stillen kann ich auch E-Mails lesen oder WhatsApp-Nachrichten beantworten, das geht alles.
Mittlerweile nehme ich Leni auch zu Kunden mit. Die sind immer begeistert, wenn ich mit Baby vorbeikomme. Außerdem gehen wir alle zwei Wochen zu einer Krabbelgruppe, die ich mitgegründet habe. Demnächst wollen wir auch zum Babyschwimmen und zum Momfitness, dann werde ich hoffentlich auch wieder ein bisschen fitter.
Du hast bereits mit 30 Jahren dein eigenes Unternehmen gegründet und mit Raumspot einen Laden für Innenausstattung eröffnet. Was war für dich als junge Gründerin am schwierigsten?
Jenny: Das Hauptproblem am Anfang war die Finanzierung. Ich habe lange mit der Bank diskutieren müssen, um einen Kredit zu bekommen. Da drohten meine Pläne fast zu scheitern. Letztendlich musste ich mit viel weniger Geld auskommen, als ich gebraucht hätte. Also hatte ich den Laden am Anfang nur zur Hälfte mit Möbeln bestückt, weil ich mir mehr nicht leisten konnte.
Und natürlich war ich anfangs 24/7 im Geschäft. Es gab so viel zu tun: Die Abläufe mussten koordiniert, Aufträge reingeholt, Mitarbeiterinnen eingearbeitet werden und vieles mehr. Aber durch mein Wirtschafts-studium und meine 13-jährige Erfahrung als leitende Angestellte in einem Potsdamer Unternehmen hatte ich das nötige Know How, um die Leitung eines Unternehmens zu stemmen.
Trotzdem lief bei der Eröffnung einiges schief?
Jenny: Ja, einen Tag vor der Eröffnung haben wir noch Möbel reingebracht. Da huschte auf einmal eine Ratte durch den Laden. Das war ein Schreck! Das kam wahrscheinlich dadurch, dass die Räumlichkeiten vorher 5 Jahre nicht besetzt waren. Wir haben nur gehofft, dass das bei der Eröffnung nicht passiert und zum Glück hat sich tags darauf keine Ratte mehr blicken lassen.
Das Universum meinte es gut mit euch…
Jenny: Ja, denn später gehörten wir zu den Gewinnern der Corona-Krise. Alle wollten ihr Zuhause verschönern und haben neue Möbel gekauft. Mein Geschäft konnte sich weiter etablieren.
Welche Tipps hast du für andere Gründer:innen in Potsdam?
Jenny: Es lohnt sich auf jeden Fall, die vielen Förderprogramme der Stadt zu nutzen. Dort gibt es Mitarbeiter:innen, die können einem einen Unternehmensberater zur Seite stellen und helfen beispielsweise dabei, Immobilien zu finden. Außerdem sollte das Thema Finanzierung sehr gut durchdacht werden, das ist wirklich kein Zuckerschlecken. Und es braucht das Bewusstsein, dass man sehr viel Zeit investieren muss. Selbstständig sein ist kein “9 to 5”-Job, sondern Arbeit rund um die Uhr. Und es ist schon ein enormes finanzielles Pensum, das monatlich unter anderem für Versicherungen, Beiträge an die Handwerkskammer und Mitarbeiter:innen ausgegeben werden muss.
Und wichtig für die Familienplanung: Wer wie ich einen bestimmten Umsatz erwirtschaftet, bekommt kein Elterngeld. Meine Mitarbeiterinnen müssen momentan für mich mitverdienen. Ich habe ein super gutes und starkes Girl-Team an meiner Seite. Dafür bin ich sehr dankbar. Sie halten mir den Rücken frei und rocken das Geschäft.
Mit einer Expertin für Innenausstattung – wer entscheidet eigentlich darüber, wie euer Zuhause eingerichtet ist?
Jenny: Ich!
Christian: Das stimmt. Es gibt trotzdem ein paar Dinge, die ich bei unserem Einzug in die Wohnung durchsetzen konnte. Jenny hat sich ziemlich erschrocken, als das ganze Wohnzimmer voller Lautsprecher stand. Auch der Schallplattenspieler musste mit einziehen, obwohl ich so gut wie nie dazu komme, ihn zu nutzen.
Welches sind eure nächsten Ziele als Familie?
Christian: Wir hätten gerne ein Eigenheim. Zum einen wäre dann mehr Platz für uns, zum anderen könnte ich mir eine Werkstatt einrichten, um an meinem alten Mercedes, Baujahr 1987, rumzuschrauben. Der steht im Moment in einer Garage am anderen Ende der Stadt und bräuchte mal wieder ein bisschen mehr Zuwendung.
Jenny: Wir wollen auf jeden Fall in Potsdam bleiben, am liebsten hier in der Templiner Vorstadt. Es ist nah am Wasser, nah am Hauptbahnhof und nicht weit nach Caputh. Auf kurze Wege zur Arbeit und unsere tägliche Laufrunde am Uferweg mit dem Kinderwagen möchten wir nicht mehr verzichten.
Liebe Jenny, lieber Christian, vielen Dank für eure Offenheit und alles Gute für euch!
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