„Der Schritt von zwei auf drei Kinder ist enorm!”

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Als sich Lisa (31) und Arvid (30) vor elf Jahren am ersten Studientag an der Freien Universität in Berlin kennenlernten, funkte es relativ schnell bei den zweien. Die beiden Lehrer (Lisa ist aktuell in Elternzeit) haben mittlerweile drei Kinder – Theo*, (6 Jahre), Eva* (4 Jahre) und Noah* (11 Monate) und leben im Potsdamer Norden.

Ihr habt euch am ersten Tag an der Universität kennengelernt. Natürlich sind wir neugierig – seid ihr gleich ein Paar geworden?

Lisa: Nein, nicht gleich. Am ersten Studientag gab es abends in einer Bar ein Erstsemester-Treffen und da haben wir zufällig an einem Tisch gesessen. Wir haben uns den ganzen Abend unterhalten und waren uns gleich sehr sympathisch. Nach einem Monat sind wir dann zusammengekommen.

Und wie ging es dann weiter?

Arvid: Am Anfang hat Lisa allein und ich in einer WG gelebt, aber wir haben uns dann relativ zeitnah eine gemeinsame Wohnung im Wedding gesucht. Wir haben dann beide ein Auslandssemester in Norwegen verbracht und danach war uns relativ schnell klar, dass wir nicht mehr in Berlin leben wollten. Es war uns zu dreckig und zu laut.

Warum fiel eure Wahl auf Potsdam?

Arvid: Da ich in Berlin aufgewachsen bin, war ich schon öfter mal in Potsdam. Ganz aufs Land zu ziehen, kam für uns erstmal nicht infrage und Potsdam hat uns beiden einfach gut gefallen. Und wie man sieht, ist es ja für viele Menschen ein schöner Kompromiss zwischen Großstadt und Landleben. Während unseres Masterstudiums haben wir schon in Potsdam gelebt und sind dann immer nach Berlin gependelt. Und zu dieser Zeit machte sich dann auch schon Theo auf den Weg.

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Und habt ihr dann ganz normal weiter studiert?

Lisa: Ja. sofort. Wir haben uns die Kinderbetreuung und das Studium von Anfang an geteilt. Jeder war zweieinhalb Tage in der Uni und das war echt traumhaft. Die ersten Wochen habe ich abgepumpt und dann waren erstmal Semesterferien. Theo hat ziemlich schnell gelernt, dass ich wiederkomme. In dieser Zeit hat er dann schon angefangen, ein bisschen was zu essen. Wenn ein Uni-Tag bei mir relativ lang war, dann sind Arvid und Theo mitgekommen und in der Pause habe ich dann gestillt.

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Am Ende des Studiums kam Eva zur Welt. Wie habt ihr euch da organisiert?

Arvid: Am Ende des Studiums hat Lisa noch ihre Masterarbeit zu Ende geschrieben und ich habe mit dem Referendariat begonnen. Da das Referendariat eine so intensive Zeit ist, hat Lisa erst einmal in Teilzeit gearbeitet. Als ich dann fertig war, hat Lisa das Referendariat begonnen und ich habe reduziert. Beide Kinder wurden in einer auf Elterninitiative setzenden Gruppe betreut. Das hat uns sehr gut gefallen und auch Noah wird bald dort eingewöhnt.

Vor eurem 30. Geburtstag habt ihr drei Kinder bekommen. Habt ihr euch bewusst dafür entschieden, so jung Eltern zu werden?

Lisa: Ja. Meine Eltern und Großeltern sind auch jung Eltern geworden und ich wollte das schon immer. Unsere Kinder hatten lange Zeit zwei Ururomas. Traurigerweise lebt nur noch die eine Ururoma. Sie ist jetzt 95 Jahre alt.
Während meines Studiums hatte ich ein Stipendium und dadurch war das auch finanziell möglich. Der Druck wäre enorm gestiegen, wenn wir nebenbei auch noch einen Job gebraucht hätten.

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Arvid, du bist mit 23 Jahren zum ersten Mal Papa geworden. Wie war das für dich?

Arvid: Lisa ist in einer harmonischen großen Familie aufgewachsen, bei mir war das nicht der Fall. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich ein Kind war. Trotzdem fand ich schon immer die Vorstellung schön, eine eigene Familie zu gründen. Aber ohne Lisa hätte ich mich wahrscheinlich nicht getraut. Sie hat mir immer das Gefühl gegeben, jung Mutter werden zu wollen, und dann habe ich darüber nachgedacht. Mit Lisa konnte ich es mir einfach gut vorstellen.

Meine Freunde und Kommilitonen fanden das zuallererst etwas komisch, als ich ihnen von Lisas Schwangerschaft berichtet habe, weil sie natürlich noch nie über die Familienplanung nachgedacht hatten. Aber sie konnten es auch gut nachvollziehen, da wir ja von Anfang an so eng waren und es immer ernst gemeint haben.

Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass ich so eine riesige Verantwortung bekommen werde. Mir war klar, dass ich für das Kind da sein muss, aber die fehlende Selbstbestimmung war ein riesiger Einschnitt für mich. Das hatte ich nicht so erwartet. Wenn man den ganzen Tag nicht mehr machen kann, was man selber möchte, dann ist das wirklich eine enorme Veränderung. Auch die Beziehung verändert sich, denn man diskutiert auf einmal über die Zeit. Man hat halt nur ein gewisses Zeitbudget und das mussten wir eben gemeinsam einteilen. Am Anfang ist man da ja auch noch etwas unterentwickelt und wirft dem anderen Dinge wie: „Du hattest mehr Zeit für dich!“ etc. vor. Aber da lernt man relativ schnell, das alles auszuhandeln.

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Und wurde es dann mit jedem weiteren Kind einfacher, da ihr ja wusstet, worauf ihr euch einstellen müsst?

Arvid: Ja, bei Eva war es deutlich einfacher. Natürlich hat man mit zwei Kindern noch weniger Zeit, aber die Veränderung von einem zu zwei Kindern ist dann nicht mehr so groß. Man muss halt lernen, sich anders zu organisieren. Wenn man keine Kinder hat, ist man viel flexibler und kann manche Dinge auch mal auf den letzten Drücker machen. Das geht nun nicht mehr.

Und wie war die Umstellung für dich, Lisa?

Lisa: Mir tut es unheimlich gut, ein sehr regelmäßiges Leben zu haben. Ich mag einen geregelten Tag und Struktur und ich konnte das Studium und mein Kind relativ gut organisieren. Den Schritt von zwei auf drei Kindern fand ich nochmal enorm. Familien mit drei Kindern haben mich in der Schwangerschaft schon vorgewarnt und gesagt, dass es sich immer ein bisschen zu viel anfühlt. Und ich finde, das trifft wirklich zu! Man hat immer eine konstante Überforderung. Man hinkt bei allem immer etwas hinterher. Die ersten beiden Kinder kamen ja relativ zeitnah hintereinander und wir hatten dann schon wieder ein paar Freiräume. Jetzt mit dem dritten Kind fängt man wieder bei Null an.

Welchen Vorteil seht ihr, wenn man jung Eltern wird?

Lisa: Ich dachte, wir entgehen der Rush-Hour des Lebens, vor der uns immer alle gewarnt haben und ich dachte auch immer, wir können uns alle Aufgaben besser aufteilen, wenn wir jung sind.

Arvid: Ich finde es super, dass ich alles mit ihnen machen kann. Außerdem hatten wir beide auch immer sehr engagierte und fitte Großeltern und das wünschen wir uns auch für unsere Kinder. Außerdem entwickelt man sich zusammen mit den Kindern und hat selber noch keine festgefahrene Meinung. Wir gucken einfach gemeinsam, wie wir die Welt entdecken wollen. Die Vorstellung, älter zu werden, fertig zu sein und alles Gelernte dann eins zu eins an seine Kinder weiter zu geben finde ich schrecklich.

Wie stellt ihr euch euer Leben ab 40 vor?

Lisa: Unser Leben ist noch nicht zu Ende geplant, hoffentlich geht es spannend weiter. Trotzdem könnte ein wenig Zeit für ein paar ruhige Minuten mit einem Buch am See sein.

Arvid: So genau möchte ich das noch gar nicht wissen. Bisher waren unsere spontanen Ideen zu großen Entscheidungen immer die richtigen und diese Spontaneität würde ich gerne behalten.

Ändern sich die Eltern-Kind-Beziehungen, umso mehr Kinder man hat?

Arvid: Ja. Von zwei auf drei Kinder ändert sich die Beziehung, da man es nicht schafft, mit allen drei Kindern so viel Zeit wie vorher allein zu verbringen. Gleichzeitig entwickeln die Kinder eine neue und enge Beziehung zu einem weiteren Menschen, die auch sehr wertvoll ist. Vor allem für mich als Einzelkind war das ein Lernprozess.

Und was ist euch bei der Erziehung eurer Kinder wichtig?

Lisa: Vieles. Wir erziehen relativ bewusst und begleiten die Kinder. Wir pressen sie nicht in bestimmte Schubladen und sie müssen sich nicht genauso verhalten, wie wir das vorgeben. Erziehung ist für uns gleichzeitig nicht nur reines Bauchgefühl, sondern auch die Berücksichtigung des Entwicklungsstände der Kinder und die Reflexion unserer eigenen Verhaltensweisen.

Arvid: Gleichzeitig geben wir ihnen aber auch die Stabilität, die sie benötigen. Wir geben ihnen eine Richtung vor, ohne sie zu Dingen zu zwingen. Und das ist gar nicht so einfach. Aber je älter sie werden, umso besser können sie kommunizieren und verstehen, was wir wollen. Es gibt Dinge, die müssen einfach sein, so wie beispielsweise das Zähneputzen. Aber ich fand es selber auch immer doof, wenn ich Dinge einfach machen musste, weil man sie schon immer so gemacht hat. Ich würde sagen, wir erziehen bedürfnisorientiert, ohne die eigenen Bedürfnisse zu vergessen.

Wie fühlt es sich eigentlich an, während einer Pandemie in Elternzeit zu sein?

Lisa: Man ist total einsam. Sonst habe ich immer an Kursen teilgenommen, denn mir hat es Spaß gemacht, andere Mütter kennenzulernen. Manche Kurse kann man aktuell zwar machen, aber man hat ein ständiges schlechtes Gewissen. Wir kennen wirklich nur ganz wenige Kinder im Alter von Noah, bei den anderen Kindern war das ganz anders.

Du hattest zwei Hausgeburten. Was ist das Besondere daran?

Lisa: Theo habe ich im Krankenhaus bekommen und da hatte ich eine tolle Hebamme, die mich die ganze Zeit begleitet hat. Da hatte ich einfach Glück, denn zu dieser Zeit gab es keine weitere Frau im Kreißsaal und die Hebamme hatte Zeit für mich. Das habe ich mir auch für die weiteren Geburten gewünscht und bei einer Hausgeburt hat man eine Hebamme, die einen von Anfang an begleitet. Zu Hause konnte ich mich einfach gut fallen lassen und mich vor unnötigen Interventionen schützen.

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Wie teilt ihr euch die Care-Arbeit und den Haushalt auf?

Arvid: Wir versuchen schon sehr, dass die Verantwortung für die Kinder und den Haushalt gleichmäßig verteilt ist, aber das klappt eben mal besser und mal schlechter. Da Lisa in Elternzeit ist und ich einen Vollzeitjob habe, funktioniert das aktuell natürlich nicht so gut. Wir sind beide keine Menschen, die am glücklichsten sind, wenn sie zu Hause sind. Wir arbeiten beide sehr gern.

Lisa: Für mich geht das aber nur, wenn ich weiß, dass die Kinder in tollen Einrichtungen betreut werden. Sonst habe ich ein schlechtes Gewissen.

Wann habt ihr selber mal eine Auszeit?

Arvid: Eigentlich nur, wenn die Kinder im Bett sind. Momentan ist es echt schwierig. Ich habe jetzt auch aufgehört, Basketball zu spielen, da es zeitlich einfach nicht machbar ist. Mein Job und die Kinder füllen mich aktuell voll aus. Aber ich hoffe, dass sich das bald wieder ändert.

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Und wo ist euer Lieblingsort in Potsdam?

Lisa: Wir sind super gern in der Feldflur unterwegs. Durch die Pandemie ist unser Radius auch viel kleiner geworden. Aber auch der Neue Garten gefällt uns gut. Ich gehe da gern mit dem Kinderwagen spazieren. Vor der Corona-Zeit waren wir im Winter sehr oft in der Biosphäre und haben dort unsere Nachmittage verbracht.

Was ist das Schönste am Kinderhaben?

Lisa: Meinen Kindern beim Großwerden zuzusehen und sie zu begleiten. Sie sind alle ganz unterschiedlich und einzigartig.

Arvid: So viele Sachen. Ich lerne so viel von ihnen und kann ihnen gleichzeitig aber auch vieles beibringen. Und sie überraschen mich wirklich jeden Tag.

Und das Schwierigste?

Lisa: Die wenige Zeit, die man hat. Mein Tag hat einfach nicht genug Stunden.

Arvid: Man hat ständig die Erwartung, dass es etwas besser laufen könnte.

Liebe Lisa, lieber Arvid, vielen Dank für das Interview und alles Liebe euch 5!

* Namen von der Redaktion geändert

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