Familieninterview: „Ich musste lernen, den Druck rauszunehmen.“

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Jasmin (39) und Kai (45) haben drei Kinder – Maja (11), Karlo (8) und Jasper (6). Die Sozialarbeiterin und der Berufssoldat haben ihr Familienglück in Potsdam gefunden – ohne familiäre Unterstützung. Wie schwer das ist und warum eine vierte Elternzeit die Rettung für ihr Familienleben ist, das haben sie uns beim persönlichen Gespräch in ihrer Küche verraten.

Wie habt ihr euch kennengelernt?

Jasmin: Wir waren damals Nachbarn in Berlin, ich habe im Erdgeschoss gewohnt und Kai über mir im 3. Stock. Wir kannten uns zwar vom Sehen, aber hatten nicht viel miteinander zu tun. Nach etwa einem Jahr ist er mir dann bewusst aufgefallen und wir haben was miteinander angefangen. Allerdings, wenn man mich heute fragt, sage ich, wir sind seit 16 Jahren ein Paar und für Kai sind wir erst seit 13 Jahren zusammen.

Wie kommt es zu dieser unterschiedlichen Wahrnehmung?

Jasmin: Für mich war etwas früher klar, dass wir Weggefährten werden und Kai hat sich noch drei Jahre Zeit gelassen. Wir waren Freunde mit gewissen Vorzügen, allerdings wollte ich von Anfang an eine richtige Beziehung haben, während er an etwas Ernsthaftem nicht interessiert war. Erst als ich aufgegeben und mich zurückgezogen habe, ist bei Kai der Groschen gefallen.

Kai: Ja, anfangs war ich noch nicht so weit. Ich kam aus langjährigen Beziehungen und wollte keine feste Bindung. Ich habe mein freies Leben im Kiez in Friedrichshain genossen, die Kulturszene, der Multikulti-Mix, das hat mich beeindruckt, weil es etwas war, das ich aus meiner Heimatstadt Rostock so nicht kannte. Tatsächlich war mir lange gar nicht bewusst, dass Jasmin mehr wollte als ich.

Wie ging es dann mit euch weiter?

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Jasmin: Nachdem wir 2010 offiziell zusammengekommen sind, ging alles recht schnell. Wir sind nach Potsdam in eine gemeinsame Wohnung gezogen, im April 2011 war ich schwanger und im Oktober haben wir schon geheiratet. 2012 haben wir unser Haus gebaut.

Warum habt ihr euch für Potsdam entschieden?

Jasmin: Wir sind beide Dorfkinder. Wir wussten, wenn wir eine Familie gründen wollen, ist Berlin nicht unsere Stadt.

Kai: Es war zu viel, zu laut. Und da ich ja bei der Bundeswehr arbeite, haben wir geschaut, welche Dienstorte in Frage kommen und da war Potsdam recht schnell klar, weil ich hier relativ zentral bin, um verschiedene Ziele zu erreichen. Zu unserer ersten Wohnungsbesichtigung sind wir sogar gefahren, ohne dass wir Potsdam kannten.

Jasmin: Eigentlich wussten wir nur vom Hörensagen: Potsdam ist hübsch und hat nicht so viele Einwohner. Und als Soldatenfamilie wollten wir viel Zeit miteinander verbringen. In Potsdam wohnen ja viele Soldatenfamilien, die sich oft nur am Wochenende sehen, weil der Mann pendelt. Das wollten wir vermeiden. Kai ist mittlerweile in Gatow stationiert und das ist eine halbe Stunde mit dem Rad, das passt für uns gut.

Das Thema Hausbau wird für viele Paare zum Beziehungskiller. Sie streiten sich oft und scheitern an der Erfüllung ihres gemeinsamen Traums – wie war das bei euch?

Jasmin: Der Hausbau ist uns nicht schwergefallen, das hat uns Spaß gemacht. Darum haben wir uns vor Kurzem auch nochmal entschieden, das Haus umzubauen. Wir haben aus drei Schlafzimmern vier gemacht, so dass jedes Kind sein eigenes Reich hat und auch die Küche wurde komplett neugestaltet. Also Bauen ist für uns keine Herausforderung als Paar.

Kai: Die eigentliche Herausforderung liegt woanders: Im Grunde genommen sind wir regelmäßig unterschiedlicher Meinung. Das heißt, wenn jemand von einer Idee begeistert ist, ist es die Regel, dass der andere weniger begeistert ist und wir erstmal zwei gegensätzliche Positionen haben. Dann geht es darum, dass wir uns über einen längeren Zeitraum aufeinander zubewegen und uns auf einen gemeinsamen Weg einigen können.

Jasmin: Oder ist es auch so, dass wir zwar die gleiche Vorstellung haben, aber wir kommunizieren komplett unterschiedlich. Ich bin eher auf der Gefühlsebene und er ist durch und durch rational. Da müssen wir dann erstmal rausfinden, was der andere meint. Und auch wenn es manchmal hart ist, sich miteinander auseinanderzusetzen, wollen wir das unbedingt. Wir sind beide Scheidungskinder und wissen, was es heißt, wenn sich die Eltern trennen. Also kämpfen wir dafür, dass wir gemeinsame Lösungen finden.

Familieninterview fünfköpfig Potsdam

Wart ihr euch denn von Anfang an einig, dass ihr drei Kinder wollt?

Jasmin: Kai wollte immer vier!

Kai: Ich habe drei Geschwister und von daher war mir immer klar, dass es eine größere Familie werden soll. Vielleicht war es auch der Wunsch, nicht dem gesellschaftlichen Standardprofil mit zwei Kindern entsprechen zu wollen. Und jetzt sind wir bei drei….

Jasmin (lacht): Und es bleibt auch bei drei!

Kai: Ja, ist schon alles gut so. Dadurch, dass ich beruflich sehr viel unterwegs bin und lange Tage habe, bleibt viel an Jasmin hängen, was die Organisation und Koordination im Alltag angeht. Außerdem sind wir ja zugereist und haben keinerlei familiäre Unterstützung in der Nähe.

Jasmin: Unsere Familie ist überall in der Welt verstreut: Kanada, England, Schweden, Österreich, Rostock. Also wir sind alleine auf weiter Flur und haben nur uns. Bis auf einige seltene Familientreffen haben wir wenig Kontakt zur Familie. Meine Mama ist mit meinen Geschwistern nach Kanada gezogen. Wir telefonieren zwar, aber sie hat Jasper nur zweimal gesehen – als er 1 Jahr alt war und dann nochmal, als er 6 Jahre alt war. Da gibt es wenig Berührungspunkte.

Familieninterview fünfköpfig Potsdam

Jasmin, wie schaffst du das ohne familiäre Unterstützung, wenn dir keiner den Rücken freihält?

Jasmin: Naja, ich wuppe den Alltag weitestgehend alleine. Zum Glück musste Kai als Soldat zwar bisher nicht länger weg. Die längste Zeit, die wir mal am Stück getrennt waren, waren fünf Wochen. Aber auch wenn er nur wenige Tage unterwegs ist, kann es für mich schwierig werden. Vor kurzem war er für drei Tage in Holland und ich hatte drei Elternabende hintereinander. Da hat unsere Tochter Maja mit den Jungs Abendbrot gemacht. Das geht jetzt immer besser, da die Kinder selbstständiger werden.

Du bist trotz drei Kindern im Schulalter aktuell in Elternzeit – wie kommt das?

Jasmin: Genau, ich habe nochmal für ein Jahr Elternzeit genommen, um die Kinder zu begleiten. Maja ist jetzt im letzten Grundschuljahr, Jasper ist in der 1. Klasse und das sind beides wichtige Jahre, finde ich. Bei Jasper geht es jetzt darum, Stabilität reinzubekommen und bei Maja dreht sich alles um die Frage, wie es danach weitergeht. Um den Druck rauszunehmen und herauszufinden, welches der passende Weg für sie ist, bin ich für sie da.

Letztendlich tue ich es auch für mich. Denn ich habe immer versucht, gut im Job zu sein, den Haushalt zu schmeißen und eine supergute Mama zu sein. Und irgendwann bin ich damit richtig krachen gegangen. Ich hatte einen Nervenzusammenbruch und danach ging ein paar Monate gar nichts mehr. Da habe ich erstmal lernen müssen, dass ich nicht überall supergut sein muss und dass ich das auch gar nicht kann. Und dass es auch egal ist, ob ich die Fenster einmal die Woche putze oder einmal im Jahr.

Ich habe gelernt, loszulassen und darum nutze ich dieses Jahr Elternzeit jetzt auch aktiv für mich, um auf meine Gesundheit und meine Bedürfnisse zu gucken. Wenn die Kinder in der Schule sind, gehe ich jetzt dienstags zum Ballett und mittwochs zum Pilates. Das tut mir gut.

Kai, merkst du auch, dass Jasmin jetzt entspannter ist?

Kai: Ja klar, alleine die Nachmittagstermine der Kinder zu koordinieren und sie von A nach B zu bringen, ist sehr aufwendig. Maja spielt Volleyball, Jasper ist beim Fußball und Karlo macht Parcours, Judo und Leichtathletik. Dazu kommen Kindergeburtstage und so weiter… Jetzt muss Jasmin nicht mehr zwischen Büro und Nachmittagsaktivitäten hin- und herhetzen. Es ist deutlich spürbar, dass sie jetzt mehr Luft hat, um zu sich zu finden.

Ihr wohnt in einer sehr ruhigen Einfamilienhaussiedlung – wie gut versteht ihr euch mit euren Nachbarn?

Kai: Das ist ja das Schöne! Dadurch dass wir in unserem Wohngebiet fast alle zur gleichen Zeit gebaut haben, sind wir auch alle in ähnlichen Lebenssituationen. Unsere Kinder sind im gleichen Alter, wohnen nur ein paar Meter voneinander entfernt und sind miteinander groß geworden.

Jasmin: Ja, wir haben wahnsinnig tolle Nachbarn. Im Laufe der Jahre sind tiefe Freundschaften entstanden, sowohl zwischen uns Erwachsenen als auch zwischen den Kindern. Und bei uns ist immer High Life! Hier spielt sich gefühlt das ganze Leben der Nachbarschaft ab. Wir haben am Wochenende selten unter fünf Kindern hier. Maja liebt es, mit ihren Freunden regelmäßig die Küche zu verunstalten und stundenlang zu backen, Karlo und Jasper sind mit ihren Jungs den ganzen Tag am Fußball kicken, also hier ist immer was los. Einmal im Jahr haben wir hier in der Siedlung unser Straßenfest, wo wir alle zusammenkommen, gemeinsam essen und ins Gespräch kommen. Auch mal die Nachbarn zu treffen, die man nicht täglich sieht, ist sehr schön.

Familieninterview fünfköpfig Potsdam

Ihr hattet bis vor kurzem einen eigenen Wohnwagen, mit dem ihr verreist seid, aber ihr habt ihn wieder verkauft – warum?

Kai: Das war mehr so eine romantische Vorstellung. Wir waren damit einmal im Jahr an der Nordsee, weil Jasmin als Kind oft auf der Insel Amrum war. Dort haben wir Urlaub auf dem Campingplatz gemacht – zwischen den Dünen, das war schon toll. Aber für den Rest des Jahres stand der Wohnwagen nur rum. Das fanden wir sinnlos, also kam er wieder weg. Diesen Sommer waren wir trotzdem auf Amrum, aber in einer Ferienwohnung, auch für nächstes Jahr haben wir dort wieder gebucht.

Jasmin: Ja, Amrum ist einfach mein Seelenort. Dort kann ich auftanken, den Akku laden und zu Kräften kommen. Zwischen ganz viel Natur und wenig Menschen. Als kleines Mädchen war ich dort jedes Jahr mit meiner Oma sechs Wochen im Urlaub und konnte mich wunderbar erholen. Aber vielleicht tingeln wir nochmal mit einem Wohnwagen durch die Welt, wenn die Kinder aus dem Haus sind, wer weiß…

Warum erst dann?

Jasmin: Weil ich das sehr anstrengend finde, auf so engem Raum zu fünft zu sein. Gerade wenn man kein schönes Wetter hat und es wenig Rückzugsmöglichkeiten gibt, hat das für mich einfach wenig Erholungswert.

Apropos Erholung – wie sieht denn für euch das perfekte Wochenende aus?

Jasmin: Kai steht früher auf, während die Kinder und ich gerne ausschlafen. Uns ist es wichtig, dass wir gemeinsam frühstücken. Danach gehen wir gerne spazieren – entweder im Katharinenholz oder Richtung Sanssouci.

Außerdem machen wir gerne einmal die Woche einen gemeinsamen Filmabend. Und wir spielen sehr viel. Wir siedlern gerne und im Moment ist Skyjo der Renner, gerade vor dem Schlafengehen spielen wir das oft.

Familieninterview fünfköpfig Potsdam Familieninterview fünfköpfig Potsdam

Außerdem spielt ihr gerne mit euren beiden Haustieren, den Ratten Daisy und Dizzy – wie seid ihr auf Ratten gekommen?

Kai: Wir wollten keine Katzen, die kommen zu oft unter die Räder und Hunde gehen auch nicht.

Jasmin: Nein, Kai hat eine Hundehaarallergie und da haben wir überlegt, was für ein Tier wir haben wollen. Auf Ratten kamen wir, weil die pflegeleicht sind und zudem nicht so alt werden. Im Schnitt nur 2 Jahre, aber Daisy und Dizzy sind jetzt 1 Jahr alt und bei unserer guten Pflege werden sie bestimmt älter.

Welche sind die wichtigsten Werte, die ihr euren Kindern mitgeben wollt?

Jasmin: Dass sie sich trauen, sie selbst zu sein. Dass sie ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln und Grenzen setzen können, für sich einstehen und liebevoll mit sich selbst sein können.

Liebe Jasmin, lieber Kai, vielen Dank für eure Offenheit und alles Gute für euch 5!

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