Elternrat: Verdacht auf Kindeswohlgefährdung – was tun?

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Unser heutiger Elternrat von Elterncoachin Alexandra Fresenborg dreht sich um das Thema Kindeswohlgefährdung und folgende Frage:

„Aus unserer Nachbarwohnung höre ich des Öfteren seltsame Geräusche und Kinderweinen. Die Familie lebt sehr zurückgezogen und wenn ich die Kinder sehe, dann sind sie sehr schüchtern …“

In dem Augenblick, in dem Sie sich Gedanken machen und ein diffuses Gefühl haben, hier könnte etwas nicht stimmen, also keine normalen Geräusche, kein normales Kinderweinen, genau dann sind wir beim Thema zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung. Diese liegt vor, wenn das körperliche, geistige und seelische Wohl eines Kindes unmittelbar beeinträchtigt oder bedroht ist und die Eltern diesen Zustand nicht abstellen können oder wollen. Oder aber auch, wenn Eltern Gefahren von den Kindern nicht fernhalten.

Grundsätzlich sind Sie nicht verpflichtet, zu melden, wenn es einem Kind nicht gut geht. Sie sollten trotzdem überlegen, was Sie tun können. Ein erster guter Schritt könnte sein, dass Sie die Eltern ansprechen und es klärt sich alles auf. Ist dies nicht so, dann besteht die Schwierigkeit für Sie, dass Sie einerseits dem Kind helfen und beistehen, andererseits aber die betreffende Familie nicht durch eine eventuell mögliche falsche Verdächtigung in Schwierigkeiten bringen möchten.

Hier ein paar Tipps, wie Sie bei einem Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung reagieren können:

1. Meist ist es ein Bauchgefühl …

Für Außenstehende – etwa Nachbarn oder flüchtige Bekannte – ist es wesentlich schwieriger, eine Kindeswohlgefährdung richtig zu erkennen, als für eine speziell dafür geschulte Person oder Personen, die regelmäßig Kontakt mit dem Kind haben, z.B. Lehrer:innen oder Kita-Erzieher:innen. Erzieher:innen können sich strafbar machen, wenn sie bei einem konkreten Verdacht nicht handeln. Für Privatpersonen gilt das nicht.

Dennoch sollten Sie bei Verdacht nicht einfach wegsehen, auch wenn es keine konkreten Beweise gibt, sondern “nur” ein Bauchgefühl ist. Die Jugendämter vertreten in der Regel selbst den Grundsatz: „Lieber einmal zu oft anrufen als einmal zu wenig.” Das Jugendamt ist verpflichtet, allen Verdachtsmomenten auf Kindeswohlgefährdung nachzugehen und genau zu prüfen.

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Die Angst, dass das Jugendamt die Kinder gleich in Obhut nimmt, d.h. dass die Kinder von den Eltern getrennt werden, ist oftmals unbegründet. Vielmehr hat das Jugendamt jetzt, aufgrund einer Meldung, die Möglichkeit zu beraten oder konkrete Hilfen und Unterstützung für die Eltern zur Verfügung zu stellen. Sie erarbeiten gemeinsam mit den Eltern, welche Ressourcen die Eltern haben oder wer im näheren Umfeld konkret unterstützen könnte. Die Inobhutnahme ist meist die letzte Option.

2. Ein Verdacht auf Kindeswohlgefährdung kann auch anonym gemeldet werden

Das Jugendamt hat eine Verschwiegenheitspflicht und darf Ihren Namen oder andere Daten nicht weitergeben. Sie können einen Verdacht auch anonym beim Jugendamt melden. Dann taucht Ihr Name nicht in der Akte auf. Allerdings kann das Jugendamt Ihnen dann auch keine Rückmeldung geben oder Sie nachträglich um weitere Informationen oder Mithilfe bitten, um den Fall zu klären.

3. Eine Dokumentation ist hilfreich

Das Jugendamt wird Ihnen bei der Meldung mehrere konkrete Rückfragen stellen, z.B. worin sich Ihr Verdacht begründet, was konkret beobachtet wurde und was lediglich vermutet wird. Daher sollten Sie sämtliche Punkte, die Ihnen verdächtig vorkommen, oder Ihnen ungute Gefühle bereiten, vorher notieren – am besten mit Zeitangaben. So vergessen Sie nichts und laufen nicht Gefahr, in Spekulationen zu verfallen. Das ist besonders bei schwerwiegenden Vorwürfen sehr wichtig.

4. Beratungsstellen aufsuchen

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob ein Verdacht ausreicht, um das Jugendamt einzuschalten, können Sie sich auch zunächst bei einer Familienberatungsstelle in Ihrer Nähe Rat holen. Die Experten (z.B. eine erfahrene Kinderschutzkraft) können anhand Ihrer Beobachtungen die Situation fachlich einschätzen und Ihnen auch Tipps für das weitere Vorgehen geben.

Beispiele für Kindeswohlgefährdung:

Die gesetzliche Definition einer Kindeswohlgefährdung ist recht allgemein gehalten. Konkret kann sie zum Beispiel in folgenden Formen auftreten:

  • Vernachlässigung des Kindes: Die Grundbedürfnisse des Kindes, wie ein ausreichendes Essensangebot, saubere Kleidung, Nähe und Geborgenheit werden von den Eltern nicht erfüllt.
  • Vernachlässigung weiterer elterlicher Pflichten, z.B. der Aufsichtspflicht. Ein Kleinkind, das draußen für längere Zeit unbeaufsichtigt spielt, obwohl in der Nähe eine Gefahrenquelle (Straße, steile Treppe o. ä.) ist, befindet sich in Gefahr.
  • Körperliche Gewalt: Diese stellt in jeder Form eine Kindeswohlgefährdung dar.
  • Psychische oder seelische Misshandlung: Kinder, die zum Beispiel regelmäßig Beschimpfungen, Wutausbrüchen oder anderen herabsetzenden Äußerungen ihrer Erziehungsberechtigten ausgesetzt sind, sind in ihrer Entwicklung massiv gefährdet. Müssen Kinder immer wieder häusliche Gewalt zwischen den Eltern miterleben, bedroht auch dies ihr seelisches Wohl.
  • Sexueller Missbrauch: Gemäß §§ 176 ff. Strafgesetzbuch (StGB) ist dieser eine Straftat und wird entsprechend verfolgt. Nicht nur sexuelle Handlungen an Kindern sind sexueller Missbrauch: Ebenso gefährdet es das Kindeswohl, wenn Kinder solche Handlungen mit ansehen müssen.
  • Überbehütung: Auch das Überbehüten kann in extremen Fällen eine Kindeswohlgefährdung sein.

Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung:

Ob das Wohl eines Kindes gefährdet ist, kann sich an typischen Kriterien zeigen. Am auffälligsten sind dabei körperliche Merkmale:

  • Spuren von Gewalt, etwa: immer wieder blaue Flecke, Narben oder sogar Knochenbrüche
  • Mangelnde Hygiene, verschmutzte oder nicht witterungsgemäße Kleidung
  • Häufige Müdigkeit, Schlaf- oder Essstörungen, Konzentrationsschwäche, sowie Entwicklungsverzögerungen

Aber auch im Verhalten des Kindes können sich Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung zeigen. Beispiele:

  • Das Kind ist häufig aggressiv, schreckhaft oder extrem ängstlich gegenüber anderen.
  • Es missachtet ständig Regeln und Grenzen, ist distanzlos oder kapselt sich von anderen ab.

Fazit: Kindeswohlgefährdung bedeutet: Das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes ist gefährdet. Wenn die Erziehungsberechtigten nichts dagegen unternehmen können oder wollen, muss das Jugendamt tätig werden. Über geeignete Maßnahmen entscheidet ein Familiengericht. Körperliche Merkmale oder ein auffälliges Verhalten des Kindes können darauf hindeuten, dass sein Wohl gefährdet ist. Konkrete Verdachtsmomente sollten dem zuständigen Jugendamt gemeldet werden. Das geht auch anonym.

Wir hoffen, dieser Rat zum Thema Kindeswohl war hilfreich für euch! Hier findet ihr weitere Fragen und Elternrat-Themen rund um das Leben mit Kindern:

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