Was sagst du da? Warum „alleinerziehend“ als Wort manchmal voll daneben ist!

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„Alleinerziehend“ – mal ehrlich, welche Bilder kommen dir dazu in den Sinn? Die erschöpfte, ständig beschäftigte Mama? Oder der fröhliche Vater vom letzten Elterntreffen? Die Wahrheit liegt für die meisten Alleinerziehenden wohl irgendwo dazwischen. Denn Ein-Eltern-Familien sind vor allem eines – nicht alle gleich! Wer rein rechtlich gesehen als alleinerziehend gilt, welche Klischees Alleinerziehenden begegnen und warum der Begriff „alleinerziehend“ manchmal voll daneben ist, darüber schreiben wir hier.

Rund 2,6 Millionen Menschen sind in Deutschland momentan alleinerziehend, davon in knapp neun von zehn Fällen Mütter mit ihren Kindern. Steuerklasse 2 können Alleinerziehende beantragen, wenn sie mit mindestens einem Kind unter 18, für das sie Kindergeld beziehen, in einem Haushalt leben. Und zwar ohne weiteren Erwachsenen. Eine WG, zum Beispiel mit einer anderen Alleinerziehenden, ist in Ausnahmefällen möglich – allerdings nur, wenn die Haushaltsführung getrennt bleibt, also zum Beispiel ein Untermietvertrag vorliegt und im Alltag beide Mitbewohner:innen ihre Ausgaben klar getrennt finanzieren. Aber was heißt es eigentlich wirklich, alleinerziehend zu sein?

Vorurteil 1: Alleinerziehende sind alle gleich

„Wir sind als Alleinerziehende nicht alle gleich und uns auch nicht immer einig“, bringt Sara Buschmann es auf den Punkt. 2021 hat sie die Online-Plattform Solomuetter.de gegründet. Neben der Möglichkeit zur Vernetzung bietet die Seite politische und alltagspraktische Infos für Alleinerziehende. Sara selbst hat eine mittlerweile fünfjährige Tochter, von deren Vater sie seit vier Jahren getrennt lebt. „Was ich inzwischen schätze an meinem Alltag als Alleinerziehende, ist, dass ich selbstbestimmt und selbstverantwortlich mit meiner Tochter leben kann. Andererseits weiß ich natürlich auch, wie viel Kraft eine Trennung erfordert und was dabei organisatorisch und rechtlich alles an Herausforderungen auf dich zukommen kann.“

Aber nicht alle Alleinerziehende haben eine Trennung hinter sich oder mussten den Tod ihres Partners oder ihrer Partnerin verkraften. Manche waren nie mit dem Vater oder der Mutter ihres Kindes zusammen und einige Alleinerziehende entscheiden sich sogar ganz bewusst, ihr Kind ohne Partner – manchmal sogar über eine Samenspende – zu bekommen. Auf der Seite „planningmathilda.com“ informiert die psychologische Beraterin Jennifer Suthold Frauen, die ihr Kind ohne Partner:in bekommen wollen, über die Schritte, die dafür nötig sind. Gemeinsam mit einer weiteren Mutter hat sie vor kurzem sogar einen Verein gegründet: Solomütter Deutschland e.V.

Vorurteil 2: Alleinerziehende sorgen komplett allein für ihre Kinder

Der Alltag als Alleinerziehende:r kann ganz unterschiedlich aussehen. Habe ich einen sicheren und gut bezahlten Job oder komme ich finanziell gerade so über die Runden? Wie geht es mir seelisch und körperlich? Welche Möglichkeiten der Kinderbetreuung habe ich und wie stark ist mein soziales Netz? Eine gute und zeitlich flexible Kinderbetreuung, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und verlässliche Freunde sind für Alleinerziehende überlebenswichtig.

Komplett allein täglich für das eigene Kind oder die eigenen Kinder zu sorgen und „quasi nebenher“ die ganze Alltagsorganisation stemmen zu müssen, ist dagegen ein Knochenjob. „Nicht umsonst zeigen Studien, dass Alleinerziehende oft nicht so gesund sind wie Mütter in Paarfamilien und dass auch Kinder von Alleinerziehenden im Vergleich zu Kindern aus Paarfamilien gesundheitliche Nachteile haben. Das ist eine Folge der hohen Belastung“, so Nicola Stroop vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter in NRW. Und tatsächlich sind längst nicht immer beide Elternteile verfügbar. Mehr als 800.000 Kinder erhielten Ende 2018 laut einer Statistik des Bundesfamilienministeriums Unterhaltsvorschuss, weil sie keinen laufenden Unterhalt von ihren getrennt lebenden Elternteilen erhielten. Und längst nicht immer haben Kinder Alleinerziehender dauerhaft Kontakt zu beiden Eltern.

Umgekehrt gibt es aber viele Familien, in denen sich nach einer Trennung Vater und Mutter gleichberechtigt um die gemeinsamen Kinder kümmern. Das kann in Form des Wechselmodells geschehen, bei dem die Kinder abwechselnd und (fast) zu gleichen Teilen bei beiden Eltern leben. Gleichberechtigte Elternschaft ist aber auch anders organisiert möglich. Denn selbst, wenn das Kind überwiegend bei einem Elternteil wohnt, kann der andere Elternteil über die Besuchszeiten hinaus den Kontakt mit ihm halten und für es da sein. Trotzdem macht es natürlich einen Unterschied, auf wie viele Schultern sich die Aufgaben des Alltags verteilen. Großeltern, enge Freunde und gegebenenfalls auch neue Partnerinnen oder Partner spielen für Alleinerziehende eine wichtige Rolle, um sich im Alltag unterstützt und eben nicht „allein auf weiter Flur“ zu fühlen.

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Mit einem solch stabilen Netz, womöglich wieder in einer Partnerschaft, stellt sich natürlich die Frage: bin ich überhaupt noch alleinerziehend? Letztlich bleibt es mir selbst überlassen, ob ich mich zum Beispiel als Teil einer Patchworkfamilie noch als alleinerziehend bezeichne. Solange ich mit meinem Kind allein in einer Wohnung gemeldet bin, behandelt mich das Finanzamt jedenfalls als alleinerziehend und ich erhalte dadurch zumindest einige steuerliche Vorteile.

Vorurteil 3: Alleinerziehend kann ich auch mit Partner:in sein

Kann ich auch „gefühlt alleinerziehend“ sein? Was ist mit Müttern (oder Vätern), die zwar in einer Partnerschaft leben, von ihrem Partner oder der Partnerin im Alltag aber so gut wie keine Unterstützung bekommen? Viele wirklich Alleinerziehende ärgern sich, wenn Menschen in Paarbeziehungen sich als „quasi alleinerziehend“ beschreiben. Denn natürlich ist es eine ganz andere Hausnummer, auch in Ausnahmesituationen wie zum Beispiel bei Krankheit alleine verantwortlich zu sein. Und auch steuerlich werden verheiratete Eltern noch immer gegenüber Ein- Eltern-Familien bevorzugt. Letztlich geht es, unabhängig von der Familienform, aber wohl um die Frage: wer übernimmt im Alltag täglich die Verantwortung und Fürsorge für die Kinder und wer nicht? Hier können auch Alleinerziehende mit einem stabilen sozialen Netz und verlässlicher Unterstützung gut aufgestellt sein. Und umgekehrt kann auch in Partnerschaften ein enormes Ungleichgewicht bestehen – was nicht umsonst oft direkt zur Trennung führt.

„Alleinerziehend“ als Begriff ist viel zu eng gedacht!

Alleinerziehend zu sein ist eine Familienform, die mit nur einem Begriff gar nicht ausreichend erfasst wird. Nicht alle Alleinerziehende sind arm, aber es gibt, gerade für alleinerziehende Mütter, ein nicht zu unterschätzendes Risiko, nach einer Trennung finanzielle Probleme zu bekommen. Nicht alle Alleinerziehende sind isoliert, aber zwischen Beruf, Familie und den Verpflichtungen des Alltags bleibt oft tatsächlich wenig Zeit, soziale Kontakte zu pflegen. Rund neun von zehn Alleinerziehenden sind Frauen, aber es gibt deutschlandweit immerhin rund 400.000 alleinerziehende Väter. Und wer rein steuerrechtlich alleinerziehend ist, kann dennoch in einer neuen Partnerschaft leben.

Klug ist es also sicher, sich nicht an Begriffen aufzuhängen, oder gar darüber streiten, wer nun „richtig alleinerziehend“ ist. Statt dessen können wir uns als Alleinerziehende Hilfe suchen oder Ein-Eltern-Familien in unserem Umfeld unsere Unterstützung anbieten. Und wir können uns auch politisch für ausreichende Kinderbetreuung, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und ein Steuersystem einsetzen, das Alleinerziehende gleichwertig behandelt. Im Alltag gibt es viele Wege, wie ich mit meinem Kind leben kann und genügend Begriffe dafür. Ob ich mich als getrennt- oder als alleinerziehend bezeichne, als Ein-Eltern-Familie, Single Dad oder Solomutter – wichtig ist doch letztlich, wie es mir und meinem Kind geht. Und darüber sagt ein Wort allein erst einmal gar nichts aus.

Fotocredit: pexels /Ketut Subiyanto

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