Willkommen zurück! Wer wird hier eigentlich eingewöhnt?

Willkommen zurück Baby Kleinkind Kolumne

Wo bitte ist das Baby? Achso, es ist noch da, nur ist es jetzt ein Kleinkind. Das Schatzi kann plötzlich laufen und wandelt nun fröhlich brabbelnd durch die Wohnung. Leider hinterlässt es dabei einen Pfad der Verwüstung. Das Kleinkindalter sollte besser Zerstörungsalter heißen, denn sobald etwas Wertvolles, Fragiles oder Unwiederbringliches in Reichweite der speckigen Kinderhände gerät, hat sein letztes Stündlein geschlagen. Außerdem birgt der neue Arbeitstitel gleich wieder emotionale Herausforderungen: Abstillen, Eingewöhnen und Loslassen ist nämlich gar nicht so leicht. Willkommen zurück! 

Wer wird eigentlich eingewöhnt?

Der behutsame Wechsel von Muttermilch zum Fläschchen und fester Nahrung fühlt sich mitunter noch an wie ein Etappensieg, hat man doch endlich seinen Körper zurück und könnte zumindest theoretisch wieder Dinge tun, die man früher vor seinen Eltern verbarg und heute seinen Kindern strikt verbieten würde. 

Beim Thema Eingewöhnung ist der Trennungsschmerz schon deutlicher. Sicher, in der Kita oder Tagespflege wartet ein bunter, aufregender und altersgerechter Alltag auf das Kind mit ersten Freunden und Bezugspersonen, zu denen meistens schon nach kurzer Zeit eine vertrauensvolle Bindung besteht. Aber gerade in den ersten Tagen fragt man sich bei der Übergabe an die warmherzige Fremdbetreuung manchmal, wer hier eigentlich eingewöhnt wird. Nach einem Jahr intensiver Baby-Bindung zeigt sich die plötzliche Abwesenheit des Nachwuchses manchmal sogar körperlich mit einem kleinen Adrenalinstoß und man muss sich kurz vergegenwärtigen, dass man sein Kind ordnungsgemäß in sichere Obhut gegeben und nicht auf dem Weg zur Arbeit an der Bushaltestelle vergessen hat.

Der Phantomschreck macht zumindest wieder wach und somit leistungsfähig, denn das soll man ja jetzt wieder sein. Der erste Geburtstag bedeutet schließlich nicht nur zahlreiches neues Spielzeug, dessen Einzelteile abends unter Schränken und in Wäschetruhen gefunden werden wollen, sondern oft auch den Wiedereinstieg in den Job. 

Herzlich willkommen zurück im Job

Schön, wenn man mit einem „Herzlich willkommen zurück!“ am alten Arbeitsplatz empfangen wird und sich höchstens mit den vielen Funktionen der neuen Büro-Kaffeemaschine zurechtfinden muss, nicht selten hat sich während der Babypause aber ein ganz neuer Geist eingeschlichen. Ansprüche, Wünsche und Bedürfnisse mehrerer Parteien stehen dann zur Diskussion und müssen ausverhandelt werden. Hier und da wird auch mal mit Anwälten verhandelt, denn gerechte Bedingungen für arbeitende Eltern sind noch längst keine Selbstverständlichkeit.

Sozialkontakte nehmen wieder zu und damit ebenso Gespräche mit Erwachsenen. Frisch aus der Elternzeit ist der Austausch zum Thema Kind natürlich naheliegend. Dass auch andere Eltern mit dem Thema Loslassen zu kämpfen haben, weiß man spätestens dann, wenn die Frage nach dem Alter des Erstgeborenen der Kollegin mit „43 Monate“ beantwortet wird.

Loslassen wird zu einer dauerhaften Übung

Während wir versuchen, in die Erwachsenenwelt zurückzufinden, beginnt das Kind zu begreifen, dass es eine eigenständige Person ist, die Dinge selbst bewirken kann. Dabei stößt nicht nur unser Kleinkind an Grenzen: Wenn der Lauflernwagen sich nicht über die Türschwelle schieben lässt, lernen Eltern die verschiedenen Rottöne kennen, die die pure Wut in das sonst so niedliche kleine Gesicht treibt und über sich selbst, wie man Haltung bewahrt, wenn aus Versehen das seit Tagen vermisste Handy im Lautlos-Modus mitgewaschen wurde, weil man sogar nach intensiver, vermeintlich kleinkindgerechter Befragung keine Antwort auf dessen Verbleib bekommen hat – nur ein zauberhaftes Lächeln und die Gewissheit, dass das mit dem Loslassen wohl jetzt eine dauerhafte Übung werden wird. 

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Andrea (38) ist Potsdamerin, hat eine 11-jährige Tochter und hat 2019 ihr 2. Kind zur Welt gebracht. Ihre bisher erschienenen Kolumnen und ihre Gedanken zur Schwangerschaft, Geburt und die Zeit mit Baby könnt ihr hier nachlesen

Text: Andrea Glaß 

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