Budenkoller mit Kleinkind: kein Kontakt zu Gleichaltrigen, unkontrollierte Gefühlsausbrüche mit dicken Krokodilstränen und für die Kinder ist der Lockdown auch nicht leicht. Es reicht jetzt langsam mal. Seit Monaten ackern wir uns durch die Belastungen von Arbeit, Homeschooling und Haushalt unter Pandemie-Bedingungen. Die Tage sind so gleichförmig wie im Knast. Ans Ausgehen kann man sich schon gar nicht mehr erinnern und der letzte Router-Neustart hat mit seinen wild blinkenden Lichtern eine regelrechte Disco-Wehmut ausgelöst. Also alles beschissen? Auf gar keinen Fall, denn gerade Eltern von sehr kleinen Kindern haben durch die Corona-Zwangspause eine ideale Situation, um für immer und ewig mit dem Nachwuchs zu bonden. Keine Zombienachmittage mit Mutti, weil die Party am Vorabend so entartet ist. Keine Partnerschaft im Staffelstab-Modus, weil Job, Familie und Me-Time in die Quadratur des Kreises passen müssen. Wein und Bier werden jetzt genossen und überhaupt hat man das beruhigende Gefühl, dass man rein gar nichts verpasst. Noch nie hat man so viele Menschen mit ihren Kindern über den Fußballplatz rennen sehen. Einige wussten bestimmt gar nicht mehr, dass sie einen Fußball im Keller und ein agiles Kind im Kinderzimmer haben.
Elefant im Kinderzimmer
Auch, wenn das Zubettgeh-Ritual zwei Stunden dauert, ist das nicht so schlimm, denn wir können Netflix starten, wann immer wir wollen. Nichts drängt uns, nichts wartet auf uns und der Social Media Feed von Freunden macht auch kein schlechtes Gewissen mehr, wir sitzen ja alle in derselben Corona-Falle. Endlich mal richtig Zeit für die Kinder. Und um über Gefühle zu reden! Statistisch gesehen ist ein Kind nämlich nicht nur ein kleines Wunder, sondern auch ein Stresstest für die glückliche Partnerschaft. Wissen wir eigentlich. Trotzdem verfällt man leicht dem Glauben, dass die eigene, unfassbar romantische Lovestory doch nicht von Fragen nach der Toilettenreinigung oder der spontanen Anschaffung einer Heim-Brauerei im Wert eines Kleinwagens ins Straucheln gerät. Und schon gar nicht, dass die Frucht dieser großen Liebe Anlass für Streitereien sein könnte. Tatsächlich aber fragt man sich in der noch jungen Elternrolle, wer das eigentlich ist, der da auf allen Vieren einen vermutlich tollwütigen Elefanten imitiert? Im Kinderzimmer mag das als korrektes Verhalten durchgehen, im Umgang mit der Paarbeziehung ist etwas mehr Sensibilität geboten.
A little bit lucky in der Liebe
Wer ein Dasein als endloser Liebes-Lothar vermeiden will, der muss lernen, wirklich miteinander zu reden. Das kann ganz schön hart sein und wird zu Recht „Arbeit“ genannt. Statt einen Ehevertrag aufzusetzen, sollte man vielleicht eher mit einem „Arbeitsvertrag“ in den Bund fürs Leben starten, denn das würde die Sache nicht gleich vom Ende her betrachten und zudem das Versprechen einer wirklichen Auseinandersetzung beinhalten. Eine glückliche Partnerschaft ist kein Zufall. Spätestens wenn Kinder da sind, muss die Lovestory sowieso an den Verhandlungstisch, denn eine gerechte Aufteilung und die eigene Bedürfnisbefriedigung ist nun mal kein Selbstläufer. Schenkt euch also reinen Wein ein und redet, als würdet ihr euch lieben – mit diesen drei Regeln:
1. Wenn man etwas hört, das erschreckend ist oder – Oh Gott – wie Kritik klingt, dann zeugt das in allererster Linie von Vertrauen und das ist eine gute Nachricht.
2. Wenn man erkennt, dass das Gegenüber eine komplett andere Gefühlslage hat, kann man das erstmal so hinnehmen. Klappe halten und zuhören! Man muss kein Leben als emotionaler Synchronschwimmer führen, um eine glückliche Partnerschaft zu haben.
3. Manchmal gibt es keine Lösung, sondern nur Toleranz und die Chance, an der eigenen Einstellung zu arbeiten. Klingt anstrengend, ist es auch. Aber letztlich lernen wir uns besser kennen und das ist spannend und vor allem notwendig, sonst gibt irgendwann nur noch ein Wort das andere, aber zu sagen hat man sich nichts mehr.
Text: Andrea Glaß
Ihr bekommt nicht genug? Noch mehr Kolumnen gibt es hier!
Foto: Pexels // cottonbro