Caroline Rosales: „Als würden Frauen keine sexuellen Gedanken im Alltag haben!“

Caroline Rosales Interview Buch Das Leben keiner Frau

Mit dem eigenen Älterwerden muss sich jeder irgendwann auseinandersetzen. Während ich mir mit Ende 20 noch keine Gedanken um mein Alter und mein Aussehen gemacht habe, schleiche ich jetzt mit 35 auch schon um das ein oder andere Anti-Aging Produkt herum. Mit meinem jüngeren Ich möchte ich nicht mehr tauschen, aber auf die ein oder andere Falte könnte ich auch sehr gut verzichten. Und dann ist da ja auch noch die Frage, welche Dinge ich meiner Tochter weitergeben möchte und welche Erlebnisse und Gefühle ich ihr durch mein Verhalten unbedingt ersparen möchte. Die baldige Vierfach-Mama und Schriftstellerin, Caroline Rosales, hat vor Kurzem ein großartiges Buch zum Älterwerden herausgebracht: Das Leben keiner Frau. Ich habe es in wenigen Tagen gelesen und kann es euch sehr empfehlen (auch für die Mutter, Tante, Schwester oder Schwiegermutter).

Liebe Caro, es geschah lange nicht mehr, dass mich ein Roman so sehr berührt hat. Ich habe noch Tage danach über das Leben von Melanie nachgedacht. Ich bin ja selbst auch Tochter und Mutter. Was hat dich dazu veranlasst, über solch eine Geschichte zu schreiben? 

Caroline Rosales: Vielleicht genau das. Ich bin auch beides – Tochter und Mutter einer siebenjährigen Tochter. Und da stellen sich viele Fragen. Was möchte ich meiner Tochter als Frau weitergeben? Was möchte ich anders machen, als meine eigene Mutter, meine Tanten und allen Frauen, der vorherigen Generationen. Als ich klein war, entsprang es völlig der Normalität seiner Tochter zu sagen: ,Du solltest keinen Nachtisch mehr essen.‘ Oder auch: ,Such dir einen netten Freund und heirate.‘ Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei, dennoch vererbt sich eine gewisse Misogynie trotz feministischer Haltung von Generation zu Generation weiter. Und dann hat mich das Unsichtbarwerden im Alter interessiert, dieser langsame Bedeutungsverlust, den ältere Frauen beschreiben, wenn sie plötzlich keiner mehr ansieht, ihnen weniger zugehört wird, die eigene Mutter langsam stirbt. Es gibt so vieles, was ich als Autorin über ein Frauenleben schreiben wollte, das meiste steht da noch gar nicht. 

In der Literatur kommt es recht selten vor, dass eine Frau mit Mitte 50 so offen über ihr Leben, ihre Gedanken und vor allem über ihr Sexleben spricht. Warum ist das so?

Ja, das stimmt und das ist doch bescheuert, oder? Als würden Frauen keine Pornografie konsumieren, keine sexuellen Gedanken im Alltag haben und vor allem nicht auch Affären haben. Wenn meine Protagonistin Melanie mit sich im inneren Monolog ist, dann denkt sie natürlich auch an Sex, gerade in genormten, pornografischen Kategorien. Das hängt auch sehr eng mit ihrer Sicht auf ihren Körper und ihrem Alter zusammen. Und dann hat sie natürlich auch sehr viel schlechten Sex. Die Begegnungen, bei denen man denkt: ,Das ist so schlecht, so lächerlich. Was mache ich hier eigentlich noch?‘ Davon zu schreiben, das bisschen eigenes Erleben sadistisch an seiner Protagonistin auszuleben, macht ja auch Spaß.

War es deine Absicht, dass jede Frau am Ende deines Buches darüber nachdenkt, welche Frau sie später gern sein will? Lieber die geschiedene Melanie, die offen ihre Meinung ausspricht, ihren Weg geht, auch mal schlecht gelaunt ist und Wert auf ihr Äußeres legt? Oder doch lieber Melanies Schwester, die in einem Vorort von München als „glückliche“ Hausfrau ein gesellschaftlich erwartetes Leben lebt?

Hmm, nicht unbedingt. Aber wahrscheinlich habe ich darüber nachgedacht und damit wohl viele Leserinnen. Am Ende, und das klingt so abgedroschen, aber am Ende schreibt man zuerst das Buch für sich selbst und um sich selbst, die Fragen, die das Thema aufwirft zu beantworten. Irgendwie dachte ich, dass ich am Ende einer guten Antwort näher wäre. Ich war schließlich schon die verheiratete, bräsige Frau und auch die geschiedene Single-Frau. Aber ich habe auch keine Lösung gefunden, welchem Bild ich eher entsprechen möchte. Leider. 

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Caroline Rosales Interview Buch Älterwerden

In den Wochen kurz nach Melanies 50. Geburtstag steht Melanie vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens. Oder ist das tragische Ende vielleicht doch ein Happy End?

Naja, jedem Scheitern wohnt ja auch der Zauber des Neuanfangs inne. Also dazu kann und möchte ich gar nicht mehr sagen, außer: Accept the mystery! 

Wie willst du gern zusammen mit dir selbst Älterwerden?

Da bin ich mir noch nicht sicher. Ich muss bis dahin noch gütiger werden, verzeihender. Dann, auf der anderen Seite, warum überhaupt? Ich hoffe einfach, dass ich älter werde, der Versuchung weiterhin widerstehe, mich plastisch verjüngen zu lassen und dass, wenn ich alt bin, meine bald vier Kinder und mein Freund noch gerne Zeit mit mir verbringen. 

Was findest du selbst gut am Älterwerden? 

Eigentlich nur, dass ich schon viele Kämpfe durchgestanden habe – und nun etwas entspannter sein kann. Mit fast 40 Jahren habe ich mein Studium geschafft, ich bin Journalistin, arbeite für einen tollen Verlag, kann Bücher schreiben und da sind Leute, die sie gerne drucken wollen. Das kann mir niemand mehr nehmen. Auch, dass meine Kinder bald alle auf der Welt sind und ich diese ganze Mutterschaftsfrage für mich nicht mehr beantworten muss, schafft mir viel Luft und weniger Grübeln. 

Was für ein Buch würdest du gern einmal lesen?

Ich würde gerne noch ein Buch lesen, das ist, wie eines meiner Lieblingsbücher „Die Einsamkeit der Primzahlen“. Also wenn jemand eines kennt. 

Liebe Caro, vielen Dank für das Interview und alles Liebe für dich!

Fotocredit: Anette Hauschild/Ostkreuz

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