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Die meisten Schwangeren möchten wissen, ob ihr Kind gesund ist. Sie wünschen sich eine Einschätzung, wie hoch das Risiko für eine genetische Erkrankung oder eine Organfehlbildung bei ihrem Baby ist. Auf beide Fragen kann die Pränataldiagnostik eine Antwort geben. Sie kann auch weitere Schwangerschaftsrisiken der Mutter, zum Beispiel für eine Präeklampsie (im Volksmund: Schwangerschaftsvergiftung), beurteilen.
Privatdozent Dr. med. David Offermann (Foto), Leiter der Abteilung für Pränataldiagnostik und Gynäkologische Sonographie am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam, erklärt die Möglichkeiten und Grenzen der Pränataldiagnostik.
Was ist Pränataldiagnostik?
Dr. med. David Offermann: Unter der Pränataldiagnostik (pränatal = vorgeburtlich) versteht man in erster Linie den Ultraschall einer Schwangeren und ihres ungeborenen Kindes. Sie ist heutzutage ein wesentlicher Bestandteil der Schwangerschaftsvorsorge. Das Ziel ist die frühzeitige Erkennung von Störungen der Entwicklung des ungeborenen Kindes sowie von Schwangerschaftsrisiken der Mutter. Die wichtigsten Untersuchungen sind das Ersttrimester-Screening im ersten Schwangerschaftsdrittel und die sogenannte Feindiagnostik in der Mitte des zweiten Drittels.
Ersttrimester-Screening und Feindiagnostik
Wem empfehlen Sie ein Ersttrimester-Screening?
Das Ersttrimester-Screening und die frühe Feindiagnostik sind für jede Schwangere sinnvoll – egal welchen Alters. Es geht ja dabei nicht nur um die Risikoabschätzung, ob das ungeborene Kind eine Chromosomenstörung hat. Man muss hierzu wissen: Der Großteil der ungeborenen Kinder mit Fehlbildungen hat gar keine Chromosomenstörung. Zudem kommt der zahlenmäßig weit höhere Teil von Kindern mit einer Trisomie 21 bei Schwangeren vor, die noch unter 35 Jahren alt sind, einfach weil es viel mehr jüngere Schwangere gibt.
Was wird beim Ersttrimester-Screening untersucht?
Im Schwangerschaftsalter zwischen der 11. SSW bis zur 14. SSW, genauer gesagt bei einer Scheitel-Steißlänge des ungeborenen Kindes zwischen 45 bis 84 Millimetern, kann man das sogenannte Ersttrimester-Screening durchführen. Hierbei beurteile ich die bisherige Entwicklung des Gehirns, des Gesichtes, des Herzens, der Bauchorgane, des Rückens, der Arme und Beine sowie die Gefäße des Kindes und der Mutter, die Plazenta und das Fruchtwasser. Zusätzlich messe ich körperliche Marker beim Feten, die Hinweise auf eine möglicherweise vorliegende Störung der Chromosomen und/oder Herzfehler des ungeborenen Kindes geben können. Diese Marker sind von der Fetal Medicine Foundation vorgegeben und haben sich wissenschaftlich bewährt. Dazu gehören: die Nackenfalte oder auch NT, die Nasenbeine, die Blutflusseigenschaften im Ductus venosus arantii, die Funktion der Klappe zischen dem rechten Vorhof und der rechten Kammer am Herzen (die Tikuspidalklappenregurgitation) sowie die kindliche Herzfrequenz.
Am Ende des Ersttrimester-Screenings erhält die Schwangere zusätzlich eine Einschätzung ihres individuellen Risikos, ob sie im weiteren Verlauf eine Präeklampsie entwickeln könnte, ob die Plazenta in der Schwangerschaft ausreichend funktioniert sowie eine Aussage zum Risiko einer Frühgeburt.
Man kann die sonographische Einschätzung einer Chromosomenfehlverteilung beim Feten ergänzen, indem man der Schwangeren Blut abnimmt, wenn dies in ihrer persönlichen Situation besonders wichtig ist. Eine Vielzahl von chromosomalen Auffälligkeiten kann man heutzutage zum Beispiel durch die sogenannte nicht-invasive pränatale Testung („NIPT“) bereits in der Schwangerschaft untersuchen. Hierzu gehören die drei häufigsten Chromosomenstörungen beim Menschen, die Trisomie 21, 18 und 13. Aber auch eine „NIPT“ ist nur eine Screening-Methode zur Abschätzung des Risikos und liefert keine 100 Prozent sichere Diagnose.
Falls die Schwangere ganz sicher gehen möchte, dass alle Chromosomen des ungeborenen Kindes richtig verteilt sind, muss man eine Fruchtwasser- oder eine Plazentapunktion durchführen. Die hierbei gewonnen Zellen können dann genutzt werden, um den kindlichen Chromosomensatz zu bestimmen. Es handelt sich hierbei um eine Routinemaßnahme, die allerdings mit einem Fehlgeburtsrisiko einhergeht, dass etwa bei 1:200 liegt. Statistisch gesehen kommt es also bei 200 Punktionen zu einer Fehlgeburt, egal, ob das ungeborene Kind krank ist oder nicht.
Sollten der Ultraschall und der Bluttest unauffällige Ergebnisse liefern, würde man aufgrund der Testlogik eher Abstand von einer invasiven Diagnostik nehmen. Die Entscheidung hierüber liegt aber immer bei der Schwangeren und hängt von ihrem individuellen Sicherheitsbedürfnis ab.
Im Umkehrschluss gilt aber auch: sollten entsprechende Auffälligkeiten im Ultraschall oder im „NIPT“ aufgetreten sein, muss eine ausführliche Beratung folgen und ggf. eine invasive Diagnostik empfohlen werden.
Wie geht es nach dem Ersttrimester-Screening weiter?
Die Ultraschalluntersuchung von Feten und Schwangeren kann nie ein gesundes Kind garantieren. Ein Teil der Fehlbildungen etwa des Herzens, der Wirbelsäule, der Bauchwand, der Arme und Beine sowie einige Gehirnfehlbildungen können heutzutage aber durch hochauflösende Ultraschallgeräte und eine hohe Expertise des Untersuchers/der Untersucherin schon im ersten Schwangerschaftsdrittel sicher erkannt werden. Da ein Teil der Organe erst nach dem ersten Trimenon ausreift und andere Strukturen anfangs sehr klein sind, empfehle ich zusätzlich ein sogenanntes Organscreening um die 23. Schwangerschaftswoche.
Doch selbst wenn alle erhobenen Befunde unter optimalen Ultraschallbedingungen unauffällig sein sollten, schließt das eine Entwicklungsstörung beim ungeborenen Kind nie gänzlich aus. Zudem sind die Qualität und damit die Aussagekraft der Untersuchung unter anderem abhängig von der Lage des Kindes, den Kindsbewegungen, der Fruchtwassermenge, dem Gewicht der Schwangeren und der Schwangerschaftswoche.
Nach der Untersuchung erfolgen immer eine ausführliche Besprechung der Befunde und eine Erläuterung, welche Konsequenzen sich für den weiteren Schwangerschaftsverlauf daraus ergeben. Hier unterstützen wir die Schwangere mit allen unseren Möglichkeiten: bei auffälligen Befunden ziehen wir Fachärztinnen und Fachärzte weiterer Fachabteilungen hinzu, etwa aus der Humangenetik, Kinderheilkunde/Neonatologie (=Neugeborenen-Kinderheilkunde) oder Kinderchirurgie. Zusätzlich legen wir besonders in Konfliktsituationen eine psychosoziale Beratung nahe und vermitteln auf Wunsch den Kontakt.
Eine frühe Diagnose einer Auffälligkeit beim ungeborenen Kind gibt der Schwangeren und dem Paar Zeit, sich mit dem Krankheitsbild auseinanderzusetzen und ihren persönlichen weiteren Weg zu finden. Falls nötig, kann schon während der Schwangerschaft eine Behandlung begonnen und die Geburt mit einem interdisziplinären Team gemeinsam geplant werden, sodass das Kind trotz Beeinträchtigungen einen möglichst optimalen Start ins Leben hat.
Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für das Ersttrimester-Screening und die Feindiagnostik?
In bestimmten Fällen kann die Ultraschalluntersuchung zur frühen Feindiagnostik im ersten Drittel der Schwangerschaft von den Krankenkassen übernommen werden, zum Beispiel, wenn bei der Schwangeren schwere Erkrankungen vorliegen. Sprechen Sie Ihre Frauenärztin/Ihren Frauenarzt darauf an, ob bei Ihnen so eine Situation vorliegt.
Die Kosten der „NIPT“ können von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der Krankenkassen so festgelegt. Dies gilt allerdings nur, wenn die Schwangere und die behandelnde Ärztin/der behandelnde Arzt nach einem entsprechenden Aufklärungsgespräch feststellen, dass bei der Schwangeren ein besonderes Sicherheitsbedürfnis besteht und daher der „NIPT“ in der persönlichen Situation der Schwangeren notwendig ist.
Die Feindiagnostik mit Fehlbildungsausschluss und kindlicher Herzultraschalluntersuchung im zweiten Drittel der Schwangerschaft wird in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Voraussetzung hierfür ist eine gültige Überweisung Ihrer Frauenärztin/Ihres Frauenarztes.
Anmeldung zur Pränataldiagnostik
Für einen Termin in unserer Pränatal-Sprechstunde im Klinikum Ernst von Bergmann melden Sie sich bitte unter: 0331 241-35614. Sie finden uns am Standort Charlottenstraße in Haus F, Ebene 1.
Klinikum Ernst von Bergmann
Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Charlottenstraße 72
14467 Potsdam
Fotos: © Klinikum Ernst von Bergmann
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