Patchwork-Familie: „Als Team kann man doch viel mehr schaffen als alleine.”

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Patchwork-Familie: Catharina (35) und Kevin (32) leben mit ihren drei Kindern Philipp (13), Caitlyn (4) und Felix (bei unserem Besuch 6 Wochen alt) sowie Hündin Stella in Potsdam-Waldstadt. Catharinas ältestes Kind war schon 13, als sich nochmal Nachwuchs ankündigte. Welche Vorteile der große Altersunterschied hat und wie sie als Familie zusammengewachsen sind, das haben sie uns in ihrem Wohnzimmer verraten.

Catharina, deine Kinder sind 13 und 4 Jahre und 6 Wochen alt – was machst du beim dritten Kind anders als vor 13 Jahren, als du mit 22 zum ersten Mal Mutter wurdest?

Catharina: Definitiv gelassener sein. Ich erinnere mich noch: Wenn Philipp als Baby damals geschrien hat, war ich innerlich immer sehr unruhig. Ich wusste nicht, was ich machen soll und wie ich ihn halten musste, damit es ihm besser geht. Das hat mich extrem gestresst. Wenn Felix heute schreit, gehe ich viel ruhiger auf ihn ein und schaffe es dadurch schneller, ihn zu beruhigen. Selbst wenn ich gerade was esse, schlucke ich den Happen lieber erst noch runter, statt gleich panisch aufzuspringen. Auch wenn ich früher mit Philipp unterwegs war und er geschrien hat, war es mir unangenehm, wenn die anderen Leute geguckt haben. Heutzutage ist es mir egal, was die Leute denken. Ich meine, was soll ich machen? Er ist halt ein Kind!

Familie Patchwork PotsdamWie war deine Situation damals, als du deinen ersten Sohn Philipp bekommen hast?

Catharina: Philipp stammt aus einer früheren Beziehung. Sein Vater und ich haben uns bereits in der Schwangerschaft getrennt. Das heißt, ich war von Anfang an komplett auf mich alleine gestellt. Das war sehr schwierig, ich musste immer funktionieren. Philipp war oft krank in den ersten drei Jahren, dadurch habe ich alle meine Jobs verloren und war ziemlich häufig am Ende.

 

Du warst bereits acht Jahre alleinerziehend, als du Kevin getroffen hast – wie kam das?

Catharina: Wir waren zu einer 80er-Jahre-Mottoparty bei Freunden eingeladen. Ich war mit Philipp da und als ich Kevin sah, dachte ich gleich: „Der ist ja toll.“

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Kevin: Wir waren alle flippig angezogen. Ich hatte einen neonfarbenen Trainingsanzug an und Catharina trug so eine typische Assi-Palme und zerrissene Hosen.

Catharina: Er hat mir auf der Party erzählt, dass er Kevin heißt. Und ich dachte, es wäre ein Scherz und sagte: „Ja genau, Kevin, sehr witzig!“ Am nächsten Tag habe ich ihn auf Facebook gesucht und angeschrieben mit dem Satz: „Na Kevin, bist du allein zu Hause?“ Dann haben wir uns stundenlang Sprachnachrichten geschickt. Nach drei Dates wussten wir: Das passt. Als er mir dann von der Tankstelle eine Rose mitgebracht hat, waren wir offiziell zusammen. 

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Kevin, du hattest aber nicht nur eine neue Freundin, sondern warst dadurch auch plötzlich Papa – wie schnell konntest du dich in diese neue Rolle reinfinden?

Kevin: Ich würde nicht sagen, dass ich am Anfang schon Papa war. Da war Philipp für mich erstmal Catharinas Kind und ich war ihr Freund. Dieser Papa-Status hat sich erst mit der Zeit entwickelt.

Catharina: Anfangs durfte Kevin nur abends vorbeikommen, wenn Philipp schlief. Er sollte noch nicht wissen, dass wir zusammen sind. Ich habe Kevin dann erstmal nur als Kumpel vorgestellt, aber irgendwann hat Philipp uns knutschend erwischt und dann war alles klar.

Kevin: Er hat mich dann lange Zeit Kevin genannt. Und nach 2-3 Jahren hatte ich das Gefühl, dass er mich gerne Papa nennen würde, aber sich nicht traut. Dann habe ich das Gespräch mit ihm gesucht und ihm gesagt, dass er mich Papa nennen darf, wenn er das möchte.

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Wann kam dann der Entschluss, dass ihr ein gemeinsames Kind haben möchtet?

(beide lachen) Kevin: Der kam gar nicht.

Catharina: Ich hab’s beschlossen. Wir waren noch nicht lange zusammen, da habe ich knallhart zu ihm gesagt: „Du, ich möchte noch ein Kind – damit du das schonmal weißt!“

Kevin: Ich hatte kein Problem damit, schließlich hatte ich ja noch kein eigenes Kind. Aber eigentlich wollte ich erstmal mein Studium zu Ende bringen. Catharina steckte auch mitten in der Ausbildung zur Erzieherin. Da dachte ich, das ziehen wir erstmal durch.

Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt…?

Catharina: Ja, nach drei Monaten Beziehung war ich schon schwanger. Das ging echt schnell. Als ich Kevin von der Schwangerschaft erzählt habe, war er sehr geschockt. Wir mussten erstmal spazieren gehen. Im Wald hat er sich immer wieder hingehockt und konnte es gar nicht fassen. Er hat sich sehr gefreut.

Catharina, war es für dich eigentlich ungewohnt, mit Kevin jemanden an deiner Seite zu haben, der bleibt?

Catharina: Für mich war es eine große Umstellung. Ich war es ja gewohnt, jahrelang alleinerziehend zu sein. Es fiel mir schwer, Vertrauen aufzubauen. Kevin musste ganz schön was aushalten.

Kevin: Zweimal hat sie mich abends aus ihrer Wohnung rausgeschmissen. Ich sollte wieder in meine eigene Wohnung fahren.

Catharina: Ja, ich wollte einfach meine Ruhe haben.

Kevin: Ich habe sehr stark gespürt, wie schwer es für sie war, mich in ihr Leben zu lassen. Aber ich war einfach hartnäckig wie ein Esel. Mir war relativ schnell klar, wir erwarten ein Kind, dann sollten wir vielleicht auch zusammenwohnen. Bei Catharina hat es länger gedauert, bis sie das wirklich realisiert hat.

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Wie ging es dann weiter?

Catharina: Kurz nachdem wir Caitlyn bekommen hatten, fing der Trubel an. Ich hatte ja noch hochschwanger meine mündliche Prüfung gehabt und zwei Monate nach der Geburt waren die schriftlichen Prüfungen. Kevin wartete mit dem Baby draußen vor dem Gebäude. Ich hatte zwar Milch abgepumpt, bin dann aber sofort nach der Prüfung rausgestürmt und habe gestillt. Das war verrückt!

Kevin: Stimmt. Catharina war im Prüfungsstress und ich war mitten in der Bachelorarbeit. Dann kam Corona und durch den Lockdown mussten wir ja zu Hause bleiben. Das heißt, wir hockten rund um die Uhr aufeinander in unserer Dreiraumwohnung. Einerseits war es gut, dass ich da war und Catharina unterstützen konnte, andererseits ist man sich irgendwann richtig auf den Sack gegangen.

Catharina: Ja, das war anstrengend. Kevin hatte das Wohnzimmer für seine Bachelorarbeit belegt, Philipp machte in seinem Zimmer Schulaufgaben und ich saß mit dem Baby in einem winzigen Kinderzimmer. Aber obwohl es hart war, hat uns die Zeit als Familie zusammengeschweißt.

Der Altersabstand zwischen Philipp und Caitlyn ist mit neun Jahren recht groß – wie harmonisch läuft es zwischen den beiden?

Kevin: Es ist ein zweischneidiges Schwert und schwankt ständig zwischen Liebe und Hass.

Catharina: Im Großen und Ganzen klappt es ziemlich gut. Aber klar, Philipp steckt gerade mitten in der Pubertät. Die Schule, die Kumpels, alles ist blöd, die Eltern nerven. Und dann kommt auch noch die kleine Schwester und will irgendwas. Das führt oft zu Streit, aber im nächsten Moment hecken sie wieder was zusammen aus und verbünden sich gegen uns Eltern.

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Wie haben die beiden reagiert, als sie erfahren haben, dass noch ein Geschwisterchen dazukommt?

Kevin: Erstmal mussten wir das selber verarbeiten, denn es war nicht wirklich geplant. Meine größte Angst war, dass ich meine Liebe nicht teilen kann. Ich befürchtete, dass ich von der Liebe zu Philipp und Caitlyn etwas abziehen muss. Natürlich traf dann später genau das Gegenteil ein: Die Liebe hat sich verdoppelt.

Catharina: Als wir den Kindern von meiner Schwangerschaft erzählt haben, war Caitlyn sofort Feuer und Flamme. Sie war schon immer eine Puppenmama und seitdem Felix auf der Welt ist, ist sie sehr verliebt in ihn. Manchmal will sie am liebsten in ihn reinkriechen. Da müssen wir aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Philipp hat recht cool reagiert, denn er kannte das ja schon. Aber beide hatten ein riesiges Strahlen in den Augen, als sie ihren kleinen Bruder im Krankenhaus zum ersten Mal sahen.

Kevin: Was sich durch die Schwangerschaft stark verändert hat, war mein Verhältnis zu Caitlyn. Sie war in den ersten drei Jahren ein totales Mamakind. Papa durfte gar nichts. Als sie erfahren hat, dass sie große Schwester wird, haben wir sie dafür sensibilisiert, dass Mama sich nach der Geburt hauptsächlich um das neue Baby kümmern muss. Das hat sie sehr schnell verstanden und es dann auch eingefordert, dass ich mich um sie kümmere. Wenn Caitlyns Sehnsucht nach Catharina zu groß wird, tauschen wir und die beiden können in Ruhe auch mal Mama-Tochter-Zeit genießen.

Catharina: Zum Beispiel letztes Wochenende, da war ich mit Caitlyn in einem Potsdamer Nachtclub, der nachmittags regelmäßig Disco für Kinder anbietet. Mitten beim Tanzen kam sie zu mir, umarmte mich und sagte: „Mama, ich hab dich so lieb.“ Das war echt schön.

Unterschiedlicher Tagesablauf, unterschiedliche Schlafzeiten, unter-schiedliche Interessen – wie managt ihr das?

Catharina: Wir teilen uns immer auf. Während ich zum Beispiel abends schon mit Felix in der Schlummerphase bin, bringt Kevin erst Caitlyn ins Bett und zockt danach noch eine Runde mit Philipp.

Kevin: Das ist eben der Vorteil daran, dass Philipp schon älter ist. Er ist sehr selbständig und man muss ihm weder die Zähne putzen noch ihn ins Bett bringen oder aufwecken. Manchmal muss ich ihn morgens noch aus dem Bett schmeißen, wenn er seinen Wecker überhört, aber in den meisten Fällen kriegt er das alleine hin. Morgens bleibt Catharina mit Felix liegen und ich bringe Caitlyn auf dem Weg zur Arbeit in die Kita.

Catharina: Ich sehe den Altersabstand auch eher als Vorteil. Wenn ich das vergleiche mit anderen Familien, die auch drei Kinder haben, aber mit geringerem Altersabstand, ist es bei uns deutlich entspannter. Philipp will oft gar nix mehr von uns wissen. Am Wochenende frühstücken wir meistens zusammen und dann ist er mit Kumpels unterwegs und kommt erst zum Abendessen wieder.

Kevin: In vielen Dingen bin ich eher sein Ansprechpartner. Ob Playstation zocken, Fußball spielen oder Hausaufgaben machen. Ich habe meistens auch mehr Geduld in solchen Dingen.

Was macht ihr als Familie am liebsten zusammen?

Catharina: Wir lieben es, zusammen auf den Sportplatz zu gehen. Die Männer spielen dort gerne Fußball, Football oder Beachvolleyball. Caitlyn ist auch sehr sportlich und mischt schon gut mit.

Kevin: Sport ist total mein Ding. Ich spiele seit 13 Jahren Volleyball im Verein und habe eine Weile Football gespielt. Die Liebe zum Sport gebe ich gerne an die Kinder weiter. Also mir würde es vollkommen ausreichen, das Wochenende auf dem Sportplatz zu verbringen, aber da ticken wir ein bisschen anders. Catharina mag lieber große Ausflüge und verplant ständig unsere Wochenenden. Ob Dinopark oder Erdbeerhof… sogar aus einem Spaziergang im Wald macht sie ein Event, indem sie ein Picknick organisiert.

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Wie wichtig ist es euch, dass jeder seine eigenen Aktivitäten hat?

Catharina: Das gehört für uns dazu. Kevin geht mehrmals die Woche zum Sport und trifft sich regelmäßig mit seinen Kumpels zum Zocken. Ich gehe gerne zum Mädelsabend. Jeder gönnt dem anderen, dass er Spaß hat. Und wenn wir nicht getrennt unterwegs sind, dann verbringen wir gerne Zeit zu zweit – besonders abends, wenn die Kids im Bett sind. Letztens hatte ich das Verlangen nach einem Date mit Kevin. Wir wollten uns zu Hause einen schönen Abend machen und Sushi bestellen. Allerdings kam uns Felix dazwischen. Eigentlich schläft er immer gut, aber ausgerechnet an diesem Abend brauchte er mich mehr als sonst.

Kevin: Man muss sich diese Paarzeit bewusst nehmen, das ist mindestens genauso wichtig, wie Zeit für sich alleine zu haben. Sonst verliert man sich. Ich glaube fest daran, dass es wichtig ist, durchzuhalten – auch wenn nicht immer alles so rosig ist. Der Partner ist ja nicht nur dazu da, die Kinder zu erziehen, sondern man ist aus einem bestimmten Grund zusammen.

Catharina: Da stimme ich Kevin zu. Seit wir zusammen sind, bin ich mental sehr gewachsen. Früher wollte ich immer alles alleine machen und wollte mir nicht helfen lassen. Mein größtes Learning: Als Team kann man doch viel mehr schaffen als alleine. Und wenn es nur darum geht, einen Schrank aufzubauen. Manchmal kommt man nicht weiter, dann schaut der Partner drauf und erkennt sofort die Lösung. So ist das bei uns.

Kevin: Ja, Möbel aufbauen ist ein guter Beziehungstest. Wenn das funktioniert, dann funktioniert meistens auch alles andere. Die Weisheit des Tages 🙂

Vielen Dank für eure Herzlichkeit und Offenheit und alles Gute!

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