Über Rassismus bei Kindern: Interview mit Luisa

„Rassismus ist etwas, was nur die Eltern an ihre Kinder weitergeben!“

Luisa ist die Mama von zwei afrodeutschen Kindern, denn ihr Mann ist Afrikaner. Wir haben uns letzte Woche auf dem Spielplatz getroffen und ich habe ihr einige Fragen gestellt. Wie oft sie oder ihre Kinder schon mit Rassismus konfrontiert wurden, wie sie ihre Kinder stärkt, welche Wünsche sie an die Gesellschaft hat und welche Zukunftsängste sie ein wenig plagen, verrät sie euch hier.

Pola: Liebe Luisa, erzähl uns doch bitte mal ein bisschen etwas über dich und deine Familie. 

Luisa: Hallo, ich heiße Luisa und ich bin 32 Jahre alt. Ich wurde in Berlin geboren, aber ich bin auf dem Land in Mecklenburg Vorpommern aufgewachsen. Mein Studium habe ich in Potsdam absolviert, war dann zwischendurch noch einmal in Niedersachen und seit 2013 wohne ich fest hier. Ich bin verheiratet und habe 2 Kinder. Mein Großer ist 4 und meine Kleine wird bald 2 Jahre alt.

Pola: Wie und wo hast du deinen Mann kennengelernt?

Luisa: Ich bin mit einer Freundin durch Südafrika und Namibia getourt. Wir haben uns dort ein Auto gemietet und haben uns alles angeschaut. Es war wirklich sehr schön. Und auch dort habe ich meinen Mann 2009 kennengelernt. Er ist Künstler und wir haben uns auf einem Markt in Namibia zum ersten Mal gesehen. Wir haben uns unheimlich gut verstanden und kurze Zeit später beschlossen, dass wir eine Fernbeziehung einfach mal probieren. Es hat wunderbar geklappt und trotz vieler bürokratischer Schwierigkeiten haben wir dann zwei Jahre später (2011) in Namibia geheiratet. Es war schwierig sich zu sehen, aber im zweiten Jahr hat er endlich ein Visum bekommen, sodass wir mehr gemeinsame Zeit hatten. 

Pola: Und wie ging es nach eurer Hochzeit weiter?

Luisa: Er ist dann 3 Monate später nach Deutschland gekommen. Zuerst haben wir gemeinsam in Niedersachsen gelebt und dann haben wir uns entschieden, nach Potsdam zu ziehen. Wir sind hier auch sehr glücklich.

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Pola: Was fasziniert dich an der afrikanischen Kultur? 

Luisa: Auf der einen Seite sind wir uns kulturell sehr ähnlich, aber auf der anderen Seite haben die Menschen in Afrika so viele tolle Eigenschaften, die wir hier gar nicht kennen. Bei uns findet fast alles an festgelegten Orten zu festgelegten Zeiten mit festgelegten Personen statt. Die Afrikaner sind viel entspannter und tragen ihr Herz nach außen. Sie sind immer unheimlich offen gegenüber Anderen, deren Lebenserfahrungen, ihren Charakteren. Man fühlt sich dort sofort angenommen, egal wie man ist. Und das möchte ich meinen Kindern auch mitgeben. Dass es andere Welten gibt in denen andere Werte wichtig sind und Menschen einen andern Umgang miteinander pflegen.

Pola: Hast du dir schon etwas aus der Kultur deines Mannes angenommen?

Luisa: Ja, ich bin nicht mehr so extrem auf Pünktlichkeit aus. Nicht, dass ich jetzt zu spät komme, aber wenn ich doch mal zwei Minuten zu spät bin, fühle ich mich nicht gleich furchtbar schlecht. Ich bin auch entspannter im Umgang mit Geld geworden. Ich sehe viele Dinge einfach nicht mehr so verbissen.

Pola: Hattest du mal das Gefühl, dass du deine Kinder mehr schützen musst?

Luisa: Hier in Potsdam, nein. Ich bin aber auch ein Typ, der sehr aufgeschlossen gegenüber dieser Welt ist. Ich nehme einfach nicht an, dass andere Leute schlecht denken könnten. Und deswegen denke ich darüber auch nicht so oft nach.

Pola: Hast du schon einmal negative Erfahrungen gemacht?

Luisa: Wenige. Kommentare habe ich noch keine erhalten. Ich glaube aber, dass ich hier in Potsdam in einem Stadtteil lebe, in dem Rassismus nicht so weit verbreitet ist. Hier leben zum einen viele gebildete Leute, auch generell viele Studenten und zum anderen gibt es hier viele Touristen. Und dadurch gibt es sowieso schon eine gute Mischung. Aber meine Mutter erhielt mal auf dem Land einen Kommentar von einem älteren Herren, der der Meinung war, einen Zweijährigen zu fragen: „Grüßt du weiße Menschen nicht?“ Meine Mutter wusste auch gar nicht, was sie darauf erwidern sollte, da sie damit überhaupt nicht gerechnet hatte. Ich habe schon einmal einen komischen Blick von einem älteren Herren an der Bahnhaltestelle bekommen. Der hat mich ewig angestarrt, aber hat nichts gesagt. Zu dem sagte ich nur: „Schön, oder?“ und schaute dabei auf meine Kinder. Das habe ich von meinem Mann gelernt, denn man darf nicht ständig denken, die wollen einen nicht. Man muss damit einfach offensiv umgehen. Die Zweifel und Warnungen kamen auch eher aus meiner Familie. Die sagten mir, ich solle aufpassen, da er mich belügen könnte. Die hatten am Anfang wirklich große Bedenken, ob er mich denn nicht betrügt beziehungsweise sogar ein Heiratsschwindler ist. 

Und was mir auch noch wichtig ist. Das Alles ist immer noch ein Thema. Und man sollte nicht so tun, als wenn es kein Thema mehr ist. Der Populismus und der Rassismus hat wieder deutlich zugenommen. Und das sollte uns bewusst sein.

Pola: Haben deine Kinder schon mal wahrgenommen, dass sie eine andere Hautfarbe haben, als der Großteil der Kita-Kinder?

Luisa: Ja, erst letzte Woche sagte mir mein Sohn zum allerersten Mal: „Ich möchte auch so weiß sein wie du!“ Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Ich habe dann gleich zu ihm gesagt: „Weißt du, ich möchte auch gern so braun sein wie du!“ Danach haben wir uns noch kurz darüber unterhalten. Ich möchte ihm gern weiterhin das Gefühl vermitteln, dass er so schön ist, genau wie er ist. Ich habe das auch noch nicht thematisiert. Ich wünsche mir einfach, das er an einem Ort groß wird, wo ihn andere Kinder genau so nehmen, wie er ist. Und es einfach ganz normal ist.

Pola: Würdest du dir von der Gesellschaft etwas wünschen?

Luisa: Ich wünsche mir noch viel mehr Vielfalt. Das das alles noch viel alltäglicher wird. Und das sich die Eltern noch viel mehr an dem orientieren, wie ihre Kinder die Welt sehen. Denn Rassismus ist etwas, was die Eltern an die Kinder weitergeben. Kinder sind von Natur aus nämlich nicht rassistisch.

Pola: Und wie stärkst du deine Kinder?

Luisa: Ich stärke sie damit, dass ich ihnen sage, wie groß ihre Familie ist und wie viele Menschen es gibt, die sie lieben. Und das ich sie so liebe, wie sie sind. Und das Gott sie so liebt, wie sie sind. Und das sie für mich die schönsten Kinder dieser Welt sind. Und das sie auch etwas Besonderes sind, denn sie sind Brückenbauer. Die Brücken dieser Welt müssen einfach immer mehr werden, weil unsere Welt sich immer weiter vernetzt. Und meine Kinder haben den Vorteil, sie kennen beide Kulturen. Sie wachsen teilweise zweisprachig auf und sind Mittler in einer Welt, die ansonsten doch sehr aus abgegrenzten Räumen besteht.

Pola: Was würdest du anderen Eltern raten, bei denen die Kinder auch aus zwei Kulturen stammen? 

Luisa: Offen und selbstbewusst zu sein. Sich bloß nicht einreden lassen, dass man schlechter ist, nur weil man Kinder aus zwei Kulturen hat. 

Pola: Viele Leute sind unsicher bei der Bezeichnung. Wie ist denn die richtige Bezeichnung für deinen Mann und deine Kinder?

Luisa: Also als erstes: Der Ton macht die Musik und es ist immer abhängig davon, auf wen du triffst. Manche gehen damit ganz entspannt um und manchen ist das ganz wichtig. Einige sehen es als Ausgrenzung und andere wiederum sind stolz auf die Bezeichnung. Mein Mann bezeichnet sich selbst als Schwarzer oder Afrikaner. Und meine Kinder nenne ich „farbig“, richtig wäre tatsächlich „Afrodeutsche Kinder“. (Typisch Deutsch: Alles braucht eine Kategorie und den richtigen Namen!)

Pola: Und hast du ein wenig Angst vor der Zukunft?

Luisa: Ja, denn ich denke, dass es in der Zukunft noch einige Herausforderungen geben wird. Meine Kinder werden sich diesem Thema bewusster und sie werden irgendwann mit Sicherheit mit Rassismus konfrontiert. Unsere Gesellschaft hat eben leider noch einige rassistische Schienen. Aber das Beste was wir tun können, ist so viele Menschen wie möglich kennenzulernen und ihnen zu zeigen, dass wir nicht anders sind. Und nur weil wir andere kulturelle Erfahrungen haben, sind wir weder besser noch schlechter.

Liebe Luisa, vielen lieben Dank für das Treffen und deine offenen Worte!

Fotos: © POLA Magazin

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