Als Fatma vorletzte Woche auf ihrem Instagram-Account davon berichtete, dass ihr Sohn Jamal (5) nun zum ersten Mal die Kita besuchen wird, wurden wir neugierig. Das ein Kind über einen so langen Zeitraum zu Hause betreut wird, ist doch eher selten. Warum sich Fatma und ihr Mann in den ersten Jahren gegen eine Kindertageseinrichtung entschieden haben, wie sie die Tage organisiert haben und ob sie es wieder genauso machen würden, lest ihr jetzt.
Liebe Fatma, Jamal hat nun mit der Vorschule begonnen. Er hat vorher nie einen Kindergarten besucht, sondern wurde immer von euch zu Hause betreut. Warum?
Fatma: Zuallererst finde ich es wichtig zu differenzieren, dass ein Kindergarten keine Bildungseinrichtung ist, sondern eine Begleitungseinrichtung. Der Kitaalltag wird für alle Kinder sehr strukturiert konzipiert und geht nicht immer individuell auf jedes Kind ein (Wie denn auch bei überwiegendem Personalmangel?). Wir hatten das Glück, durch unsere Jobs so privilegiert zu sein. Ich bin Freelancerin und kann von überall aus arbeiten. Mein Mann arbeitet in einem Familienunternehmen, was ihm die zeitliche Flexibilität trotz Vollzeit-Position ermöglicht. Die ersten zwei Jahre habe ich mich bewusst dafür entschieden, zu Hause zu bleiben und beruflich zurückzutreten. Ich wollte diese wichtige Wachstumsphase von Jamal nicht verpassen. Ab dem dritten Geburtstag hatten wir dann von der Oma Unterstützung.
Sie hat mir dreimal die Woche ermöglicht, von zu Hause aus arbeiten zu können. Jamals Alltag war sehr strukturiert – Aktivitäten, die ihn begeisterten, sind wir nachgegangen und soziale Einrichtungen, um den Kontakt mit anderen Kindern zu ermöglichen (Tanz, Wing Tsun, Kunst, etc.) waren auch inkludiert. Durch mein damaliges Psychologiestudium und die Erfahrung mit meinem autistischen Bruder habe ich sehr viel auf die pädagogische Entwicklung geachtet und diese spielerisch gestärkt.
Was mich aber letztendlich am meisten bestärkt hat, ihn nicht so zeitig in einen Kindergarten zu geben, war die mangelnde Aufklärungsarbeit bezüglich Rassismus und Diskriminierung, die leider immer noch sehr präsent ist und in dem Alter zwischen ein und sechs Jahren sehr traumatisch sein und zu Langzeitfolgen führen kann. Wir als Eltern einigten uns darauf, ihn erst mit fünf Jahren in eine passende Einrichtung zu geben, um ihn psychisch und physisch vorher vorzubereiten.
Also habt ihr euch ganz bewusst gegen jede Kindertageseinrichtung entschieden?
Ja, das haben wir. Wir haben uns nicht wohlgefühlt, unser Kind in den ersten Jahren abzugeben. In diesem Alter können Kinder noch nicht so genau Situationen deuten und diese im Nachhinein auch nicht genau mit den Eltern kommunizieren. Menschen sind trotz ihrer Berufsbezeichnung nicht immer fehlerfrei und dies muss man in Betracht ziehen. Wir legten fest, ihn erst mit vier oder fünf Jahren in eine Einrichtung zu bringen, da wir uns sicher waren, dass er ab diesem Alter jede Situation selber gut meistern kann.
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Es ist ja wirklich eine sehr besondere Situation, wenn man die Möglichkeit hat, sein Kind zu Hause zu betreuen. Die meisten Eltern sind auf zwei Gehälter angewisen. Wie habt ihr das organisiert?
Wie oben schon erwähnt, bin ich die ersten zwei Jahre zu Hause geblieben und nur für gut bezahlte On Location Jobs gereist (Modeln & Styling). In solchen Fällen hat sich mein Mann freigenommen und ist bei Jamal zu Hause geblieben. Ab seinem dritten Geburtstag habe ich in Teilzeit gearbeitet und bei mehr Bedarf mit Oma und Mann jongliert. Als er vier Jahre alt war, habe ich meinen Sohn einfach zu meinen Jobs mitgenommen – sogar an der einwöchigen Fashion Week haben wir zusammen teilgenommen. Ich muss aber auch sagen, dass Mode für meinen Sohn und mich eine ganz besondere Bedeutung hat. Jetzt ist Jamal fünf, besucht die Vorschule und ich kann auch wieder in Vollzeit arbeiten.
Wie sahen eure Tage aus? Gab es bei euch einen festen Rhythmus?
Ich habe viel mit der Oma organisiert. Jamals feste Aktivitäten in der Woche haben wir uns aufgeteilt, sodass ihn jeder Mal begleitet hat. Auch auf das kontinuierliche Sprechen aller drei Sprachen haben wir sehr geachtet. Das war schwierig, immer daran zu denken, aber ich bin froh, denn jetzt spricht er alle drei Sprachen – Deutsch, Englisch und Swahili.
Hast du auf bestimmte Dinge in der Erziehung Wert gelegt und auch mal nachgelesen, wann ein Kind bestimmte Fähigkeiten können muss?
Ich hatte schon immer ein natürlich großes Interesse an der Entwicklung von Kindern. In der Schule belegte ich den Leistungskurs Pädagogik und später habe ich mich bei meinem Nebenjob um die Betreuung von Kindern mit einer Behinderung gekümmert. Einige Zeit danach habe ich Psychologie studiert, was ich aber durch meinen Hauptberuf und das Muttersein leider noch nicht beendet habe. In dieser Zeit habe ich sehr viel mitgenommen, was die Entwicklung von Kindern betrifft und mich zusätzlich als Mutter noch mehr informiert, wie zum Beispiel durch Bücher oder Podcasts. Ich als Cis Frau musste auch erstmal lernen, wie man einen Jungen auf dem Weg zum Mann (und noch mehr) erzieht. Da zwischen Mann und Frau doch nochmal viele mentale und biologische Unterschiede bestehen. Ich denke, wir wissen immer noch nicht alles darüber, aber das ist okay so, denn wir sind im ständigen Lernzustand.
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Hat euer Sohn mal geäußert, dass er gern in einen Kindergarten gehen möchte?
Bei seinen “Socialising”-Aktivitäten kamen die anderen Kinder immer direkt vom Kindergarten und natürlich wurde erstmal erzählt. Er fand es interessant und hat uns auch gefragt, warum er nicht auch dahin gehen kann. Wir haben ihm offen und direkt erklärt, dass er dafür bereit sein muss, denn nicht alle Menschen haben gute Absichten und wir würden ihm vorab gern emotionale und körperliche Tools mitgeben. Danach hatte er nie wieder gefragt, bis wir ihn darauf angesprochen haben und ihn auf den Eintritt in die Vorschule vorbereiteten.
Wie müssen wir uns die Vorschule vorstellen? Ist das wie ein Kindergarten für Vorschulkinder?
Es ist quasi eine Kita plus zwei bis drei Mal in der Woche gibt es ein zusätzliches Vorschulprogramm. In dieser Zeit werden die Kinder in zwei Gruppen eingeteilt. Es gibt die etwas schneller Lerner*innen und die etwas Langsameren. Das Prinzip der Vorschule ist es, den Kindern „das Lernen” sanft beizubringen, damit der Übergang zur Grundschule etwas humaner verläuft.
Warum hattet ihr das Gefühl, dass euer Sohn jetzt bereit ist? Was hat sich verändert?
Mein Mann und ich hatten ja schon von Anfang an festgelegt, dass Jamal erst mit vier oder fünf Jahren in die Vorschule gehen soll. Einen genauen Termin hatten wir aber nicht bestimmt. Uns war es viel wichtiger, auf ihn zu hören und zu erkennen, ob er im Gleichgewicht und bereit dafür ist. Ende letzten Jahres ist dieses Gefühl durchgekommen. Wir haben dann ALLE gemeinsam beschlossen – es ist Zeit!
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Würdest du es wieder genauso machen?
Ja! Als wir mehrere Einrichtungen besichtigt haben, hat eine Leiterin (für die wir uns letztendlich entschieden haben) uns ein großes Kompliment ausgesprochen. Sie meinte, sie habe sich ein ganz anderes Kind vorgestellt, als sie vorab erfahren hatte, dass Jamal noch nie eine Kita besucht hat. Sie sagte uns, dass sie unsere Arbeit und Mühen sehen kann. Das war schön zu hören, weil es für uns natürlich auch nicht immer leicht war.
Und wie verlief die erste Woche? Hat es Jamal gefallen? Und wie geht es euch jetzt damit?
Die erste Woche war sehr emotional für uns alle. Mein Mann und ich haben uns jeden zweiten Tag abgewechselt. Die vielen Aktivitäten und Kommunikationen mit so vielen Menschen war gewöhnungsbedürftig für Jamal. Dennoch hat alles super geklappt. Da hilft ihm aber auch sein Charakter, denn er ist offen, kommunikativ und überhaupt nicht kontaktscheu.
Liebe Fatma, vielen Dank für das Interview und alles Liebe euch 3!
Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt für die Einschulung?