Zwei gewollte Kaiserschnitte oder Wie ich zur Kaiserschnitte wurde

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In meiner Kindheit war ein Spielzeug in unserem Haushalt tabu: Die schwangere Barbie. Da konnte man den Bauch aufklappen und *schwupps ein kleines Plastikbaby rausziehen. Megacool, dachte ich. Meine Freundin Meike hatte so eine und wie das so ist: Was die Freunde haben, will man als Kind natürlich grundsätzlich auch. Unbedingt. Gegen Barbies generell hatte meine Mutter auch gar nichts einzuwenden. Ich hatte genug Ausweichpuppen, mit denen ich spielen (also die Haare erst einfärben und dann abschneiden) konnte. So ist es nicht. Aber genau diese Barbie bekam ich nicht. Die Begründung: So kommen Babys doch gar nicht auf die Welt. Bauch auf und herausspaziert, wo gibt´s denn sowas? Nein, so ein Quatsch-Spielzeug kommt nicht ins Haus. Heute, 30 Jahre, zwei Kinder und zwei Kaiserschnitte später kann ich sagen: In meiner Welt gibt es das. Bauch auf und Kind rausheben. Genauso wars. Und zwar nicht aus der Not heraus, sondern ganz bewusst gewählt.

Kaiserschnitt – die hässliche Stiefschwester der natürlichen Geburt

„Wunschkaiserschnitt“ heißt es da gern mal. Aber das klingt, als hätte ich meine Kinder wie Mittagessen beim Lieferdienst bestellt: Gewünschter Lieferzeitpunkt – so schnell wie möglich. So läuft es dann auch nicht… Meine Kinder haben sich im Übrigen auch gar nicht an den vereinbarten OP-Termin gehalten. So viel zu Wünschdirwas.
Ich nenne es gewollten Kaiserschnitt. Meine Version einer selbstbestimmten Geburt. Denn ja: Auch ein Kaiserschnitt ist eine Geburt. Nicht nur eine schnöde OP. Und doch, trotz aller Bemühungen – wir nennen es jetzt „Kaisergeburt“ und heben das Kind zeremoniell heraus! – ist eine Sectio noch immer die hässliche Stiefschwester der natürlichen Geburt. Das Finisher-T-Shirt gibt´s nur für frisch gebackene Muddis, die ihr Kind aus sich herausgepresst haben. Es macht mich wütend und traurig, in den sozialen Medien von Frauen mit Kaiserschnitt zu lesen, dass sie sich um eine „richtige“ Geburt betrogen fühlen. Sie hätten ja gar keine Wehen erlebt und das Gefühl, nichts geleistet zu haben. Soso, die zehn Monate davor, in denen man seinen Körper geteilt und darin ein ganzes Lebewesen hat heranwachsen lassen, das ist also nichts? Das sehe ich anders.

Und doch habe auch ich lange nur hinter vorgehaltener Hand und mit leiser Stimme davon erzählt, dass ich mir einen Kaiserschnitt wünsche. Zu verpönt dieses Thema, zu vorurteilsbehaftet.
Die will es sich ja nur bequem machen. Die Abkürzung nehmen. Das arme Kind – wird einfach so auf die Welt gerupft.
Als eh schon verunsicherte Erstgebärende musste ich mir bei der Hebammensuche anhören: Wieso Kaiserschnitt? Also wenn ich Angst hätte, könnte ich ja immer noch eine Therapie machen. Dafür reiche die Zeit bis zur Geburt jawohl aus. Wow, das war mal geballte Ablehnung. Ich war verschreckt und hatte am Ende keine Hebamme für mein erstes Wochenbett. Beim zweiten Mal durfte ich die Erfahrung machen, dass ich schlichtweg an die falsche Adresse geraten war und Hebammen sich genauso gern und gut um Kaiserschnitten wie mich kümmern. Richtig, so nenne ich mich heute: Kaiserschnitte. Denn mittlerweile stehe ich selbstbewusst zu meiner Entscheidung und kann mit skeptischen Nachfragen à la „Sie sind doch eine fitte junge Frau, warum wollen Sie es nicht spontan versuchen?“ (O-Ton Oberarzt im Krankenhaus) ganz gut umgehen. Es ist mein Körper und ich habe die Wahl, so die Ultrakurzfassung. Die Langversion geht nicht jede(n) etwas an – muss sie ja auch nicht. Es sollte jeder Frau selbst überlassen sein, ob sie über so etwas Intimes wie die Geburt sprechen möchte. Oder eben nicht.

Kaisergeburt? Nein danke

Beim zweiten Kind hatte ich nochmal die Chance, eine natürliche Geburt zu erleben. Nach einem Kaiserschnitt nicht unbedingt selbstverständlich, aber meine Narbenheilung hätte es zugelassen. Für mich eine Jetzt-oder-nie-Gelegenheit, denn das zweite soll auch mein letztes Kind bleiben. Ich habe also lange nachgedacht. Wär doch cool, nochmal was anderes auszuprobieren, dachte der impulsive Teil in mir. Mein Körper ist schließlich dafür gemacht, was soll schiefgehen? Never change a running system, hob der bedächtige Teil den Zeigefinger. Und setzte sich durch. Meine erste Geburt hat mir nämlich ziemlich gut so gefallen, wie sie war. Mein Kind suchte sich den Geburtstag selbst aus. Ich schlug also vier Tage eher als geplant unter Wehen nachts im Krankenhaus auf und bekam am Morgen als erste Patientin meinen gewollten Kaiserschnitt. Nach vier Nächten verließ ich die Klinik bereits ohne Nähte. Alles fein. Bis auf eine Kleinigkeit. Die Nummer mit der Kaiser„geburt“. Ein krampfhafter Versuch, eine Sectio auf eine Ebene mit der natürlichen Geburt zu heben. Das OP-Team lüftet beim Herausheben des Kindes den Vorhang, der den Blick auf den Bauch versperrt. Das soll der sterilen Situation etwas Feierliches verleihen. Wir präsentieren – tadaaa – Ihr Kind! Imaginärer Tusch. König-der-Löwen-Moment.
Nett gemeint, hat aber den Haken, dass man nicht nur das Kind, sondern auch die geöffnete Bauchdecke sieht. Nicht jedermanns (oder -fraus) Sache. Meine Geburtsbegleitung ist jedenfalls bis heute traumatisiert von dem Anblick. Upsi.
„Danke, aber nein danke“, sagte ich also freundlich beim Vorgespräch zur zweiten Entbindung, als mir wieder dieses Zeremoniell angeboten wurde. Ich nehme den normalen Kaiserschnitt. Jederzeit wieder.
Und wenn meine Kinder wollen, bekommen sie irgendwann auch die Barbie mit dem Aufklappbauch. Dann kann ich ihnen wenigstens plastisch erklären, wie sie das Licht der Welt erblickt haben.

Text: Janina Focke // Bild: Sarah Hohmann

Hausgeburt, Geburt, BabyEuch interessieren noch weitere Geburtsberichte? Mareike hat ihre 2. Tochter zu Hause entbunden und berichtet hier davon.

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