„Mit deinen kurzen Beinen kannst du keine flachen Schuhe tragen.“ Mein Vater.
„Mit diesen Oberschenkeln kannst du diese Hose nicht tragen.“ Eine ehemalige Freundin.
„Du hast aber viel abgenommen.“ Mein Chef.
[Randnotiz: Gewichtsverlust ist nicht immer gewollt und etwas, worüber man sich freut. Es hat nicht „immerhin etwas Gutes“, wenn man stark abnimmt, weil man z.B. trauert.]
„Du hast wieder ordentlich zulegt, aber das weißt du ja selbst.“ Mein Mann.
„Tittenmonster!“ -Die Jungs und Mädchen in der 8. Klasse.
„Du musst darauf achten, dass dein BH gut sitzt!“ Meine Mutter.
„Miss Piggy Schweinenase!“ – Die Mädchen im Turnverein.
„Du siehst voll blöd aus mit deinen Hasenzähnen.“ – Das Mädchen auf dem Schulhof in der Grundschule.
„Du hast echt heftige Reiterhosen.“ Der Junge aus der Parallelklasse.
„Deine Brille entstellt dich.“ Der fremde Typ im Internet.
„Du hast ein Lidödem. Das ist nicht nur einfach Fett.“ Die Frau auf dem Blogger*innen-Event.
„Die neue Haarfarbe sieht viel besser aus als die alte. Die war immer viel zu dunkel.“ Die entfernte Bekannte, die ich vielleicht einmal im Jahr sehe.
„Iiih, deine Beine sind ja gar nicht rasiert.“ Der Junge im Freibad.
„Du hast voll die Fliegenbeine! Kannst dich wohl nicht richtig schminken.“ Das Mädchen auf der Klassenfahrt.
Ich bin es gewohnt, dass man meinen Körper und mein Aussehen kommentiert. Ich kenne es nicht anders.
Von gut gemeint über gedankenlos bis gemein, es war von allem genug dabei. Und das, obwohl ich weitestgehend der gängigen Schönheitsnorm entspreche und bis vor einigen Jahren noch Kleidergröße 36/38 trug. All diese Sätze und noch viele viele mehr haben sich eingebrannt. Die meisten von ihnen liegen schon lange zurück, aber ich habe diese Momente noch heute bildhaft vor Augen und weiß genau, wie ich mich damals gefühlt habe. Nicht genervt. Nicht wütend. Nein, ich nahm diese Aussagen als gegeben hin. Wird schon richtig sein. So wie ich alles glaubte, was ich in der Bravo oder im Mädchen-Magazin las. Ich trug nur noch hohe Schuhe. Ich versteckte meine Oberschenkel unter langen Pullovern und Strickjacken. Ich rasierte mich und war Jahrzehnte auf der Suche nach der perfekten Mascara, die mir Traumwimpern zaubern sollte. Spoiler: Eine solche Mascara existiert nicht. Ich sah mich im Spiegel durch die Augen der Anderen und mein Blick auf mein Äußeres war meist nicht besonders freundlich.
Ich bin gerne Durchschnitt.
Heute, mit 37, liege ich mit Kleidergröße 42 im bundesdeutschen Durchschnitt und zucke bei Kommentaren zu meinem Aussehen nur noch gelangweilt mit den Schultern oder setze zu einem Vortrag über Body Neutrality an. Je nachdem, wie ausgeschlafen ich bin.
Bis hierhin war es eine lange Reise. Dass ich zwischenzeitlich Mutter wurde, spielt für diese Entwicklung sicher keine unwesentliche Rolle, denn nie zuvor habe ich derart wohlwollend auf meinen Körper geschaut wie in der Zeit der Schwangerschaft und nach der Geburt. Mein Körper hat ein Kind heranwachsen lassen und genährt. Crazy Shit!
Ähh, Moment! Wertschätze ich meinen Körper da gerade wirklich zum ersten Mal in meinem Leben, weil er etwas geleistet hat, obwohl ich vom Leistungsprinzip sonst so gar nichts halte? Mutterschaft als Entschuldigung für Dehnungsstreifen, Hängebrüste und nicht wieder los gewordene Schwangerschaftskilos. Da dämmerte es mir langsam.
Kein Körper braucht eine Entschuldigung dafür, dass er aussieht, wie er aussieht.
Ich bin froh um die Body Positiv-Bewegung, die Vielfalt sichtbar macht und dafür sorgt, dass wir inzwischen immer häufiger nicht mehr nur normschöne Körper sehen. Gleichwohl stellt sie den Körper immer noch in den Fokus. Embrace your flaws! Liebe deine Unvollkommenheit! Et cetera pp. Ich mag die Imperfektion. Das steht sogar in meiner Insta-Bio. Aber mag ich jede meiner Dellen? Mitnichten. Die eigentlich entscheidende Frage ist allerdings: Warum sollte ich auch?
Wozu der ganze Druck? „Wir sind alle geistige Wesen, die eine körperliche Erfahrung machen.“ So oder ähnlich waren die Worte von Harald Glööckler neulich im Dschungelcamp. (Ja, ihr habt richtig gelesen. Ich bin IBES-Ultra.) Diese Worte jedenfalls, die fand ich ziemlich passend, denn ich bin nicht mein Körper. Meine Bundweite oder die Länge meiner Beine, Haare oder Wimpern sagen nichts über meine Persönlichkeit aus. Sie spielen für mein Glück keine Rolle. Body Neutrality.
Das Universum hat es bisher meist gut mit mir gemeint. Trotzdem gab es Momente in meinem Leben, in denen ich so richtig schön am Arsch war und ich kann euch versichern: Wie dieser aussah, tat dabei nicht das Geringste zur Sache.
Hier ein paar Buchtipps zum Thema Körpervielfalt und Body Neutrality:
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Für Kinder:
Anna Fiske – Alle haben einen Po (ab 4 Jahren)
Annika Leone – Überall Popos (ab 4 Jahren)
Sonja Eismann – Wie siehst du denn aus? Warum es normal nicht gibt. (ab 10 Jahren)
Für Heranwachsende/Erwachsene:
Melody Michelberger – Body Politics
Text: Nina Horst