KiTa Elternbeirat: „Die Betreuungssituation in den Kitas ist eine Katastrophe!“

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In Potsdam ist man froh, wenn man einen Kita-Platz bekommen hat. Wählerisch kann man hier kaum sein – Wunschkonzept, Wohnortnähe oder zumindest auf dem Arbeitsweg? Selten passt alles und man nimmt, was man kriegen kann. Ihr habt ein Frühlingskind und braucht eigentlich einen Platz mitten im Kita-Jahr? Unrealistisch. Wenn die großen Kinder in die Schule kommen, werden ab September die Plätze frei und sofort wieder voll aufgefüllt. Das heißt oft Eingewöhnung am Fließband, denn ein freier Platz bedeutet weniger Geld für die Kita und vor allem eine noch längere Warteliste verzweifelter Eltern.

Auf 11 Kinder kommt ein Erzieher

Hat man einen Platz, ist man noch längst nicht alle Sorgen los. Der Betreuungsschlüssel, also das Verhältnis der Anzahl der Kinder zu der Anzahl der Erzieher, ist in Brandenburg knapp bemessen. 5,8 Krippenkinder kommen hier laut Ländermonitor 2018 der Bertelsmann Stiftung auf einen Erzieher (empfohlen werden 3), bei den Kindergartenkindern sind es 11 (empfohlen 7,5). Damit nimmt Brandenburg deutschlandweit einen der schlechtesten Plätze ein (siehe Info-Grafiken).

Die Kita-Erzieher sind damit an der Belastungsgrenze, aber es geht noch schlimmer: Wird eine Kollegin schwanger, ist sie aufgrund der Ansteckungsgefahr mit Infektionskrankheiten sofort freigestellt und geht nach der Geburt natürlich selbst in Elternzeit. Ein Ersatz ist schwer zu finden, denn der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Ist jemand länger krank, müssen die restlichen Erzieher dies auffangen. Darunter leiden nicht nur die Fachkräfte, sondern auch unsere Kinder. Das System funktioniert nur, wenn alle Kinder in der Spur bleiben, für individuellen Trost oder Förderung bleibt kaum Zeit.

Der KiTa Elternbeirat Potsdam setzt sich ein

Zum Glück gibt es seit 2017 den KiTa Elternbeirat in Potsdam und seit diesem Jahr sogar einen landesweiten Beirat, der sich für die Belange der Eltern einsetzt und aktuell für die Einführung eines „Bildungsschlüssels“ in Brandenburg kämpft. Was das genau alles genau bedeutet, haben wir Johanna Klammer vom KiTa Elternbeirat Potsdam gefragt.

Und eines schonmal vorab: Jeder von Euch sollte sich diese Petition anschauen und bestenfalls unterschreiben. Nicht nur Eltern, sondern alle, denen eine Verbesserung der Situation in Kitas am Herzen liegt.  → zur Petition

Johanna Klammer KiTa Elternbeirat Potsdam

Wir machen Krach!

POLA: Liebe Johanna, bitte stell dich kurz vor.

Johanna Klammer: Ich bin 29 Jahre, bin unverheiratet, habe eine 4 jährige Tochter und bin gerade dabei mein 2. Staatsexamen in Jura zu machen. Seit 2018 arbeite ich aktiv im Vorstand des Kita-Elternbeirats in Potsdam.

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Was genau ist der Kita-Elternbeirat?

Wir haben uns 2017 gegründet, theoretisch gibt es einen Vertreter aus jeder Kita und Hort. 63 Vertreter sind aktuell bereits gewählt. Zum neuen Kita-Jahr gibt es in jeder Einrichtung neue Wahlen und wir hoffen, dass bald alle Potsdamer Kitas und Horte vertreten sein werden. Sechs unserer Mitglieder sind im Vorstand. Wir machen das alle ehrenamtlich neben Job und Familie. Allen von uns liegt das Thema sehr am Herzen, wir machen Krach und sind laut und präsent.

45 Millionen Euro werden an die Eltern zurück gezahlt

Was habt ihr bisher schon erreicht?

Durch die Stellung als beratendes Gremium hatten wir auch das Recht, Einsicht in die Verwaltungsakten zu nehmen. Der erste Vorstand hat daraufhin aufgedeckt, dass die Elternbeiträge falsch kalkuliert wurden und fast alle Potsdamer Eltern zu viel gezahlt haben. Jetzt stellt die Landeshauptstadt Potsdam 45 Millionen Euro zur Verfügung, um den Eltern zumindest teilweise ihre zu hohen Beiträge zurück zu zahlen. Ohne den Kita-Elternbeirat wäre das erstens nie aufgedeckt worden und zweitens würden wahrscheinlich noch immer zu hohe Beiträge von den Eltern gefordert werden.

Ein Hinweis an die POLA-Leser: Alle Eltern, die im Zeitraum 01.01.2015 bis zum 31.7.2018 ihr Kind in einer KiTa oder Tagespflege hatten, sollten bis zum 31.10.2019 die Rückzahlung zuviel gezahlter Elternbeiträge beantragen!

Wir Eltern sind dafür natürlich sehr dankbar, die Stadt Potsdam war sicher weniger begeistert. Wie läuft die Zusammenarbeit?

Die Zusammenarbeit mit Noosha Aubel, der Beigeordneten für Bildung, Kultur, Jugend und Sport in Potsdam funktioniert einfach toll. Sie hat einen schönen, frischen Wind mitgebracht und ist offen, motiviert und transparent und zukunftsorientiert. Das war vorher leider nicht immer so, aber die Elternvertreter werden jetzt ernster genommen als noch vor zwei Jahren. Die Belange der Familien in Potsdam sind Frau Aubel sehr wichtig und dazu gehört eben auch, mit den Eltern zu reden, als nur über sie. (→ zum Interview mit Noosha Aubel)

Mit Kind und Job hast du sicher ohnehin wenig Zeit. Ich bewundere daher sehr, dass du dich in deiner Freizeit ehrenamtlich für uns alle einsetzt, dafür vielen Dank! Wie schaffst du das?

Viele Eltern nehmen die Situation einfach so hin.

Wir sind 2017 nach Potsdam gezogen und ich stand vor dem gleichen Problem, wie viele Eltern jedes Jahr: Ich habe keinen Kita-Platz gefunden. Irgendwann wurde mir ein Platz am Stern angeboten, weit weg von unserem Wohnort in Waldstadt. Jeden Tag fahre ich nun bis
zu einer Stunde, um das Kind in die Kita zu bringen, die zum Glück richtig toll ist.

Viele Eltern nehmen die Situation einfach so hin, aber ich möchte das nicht und für eine Verbesserung kämpfen. Jeder von uns im Vorstand hat seine Stärken. Bei mir ist meine juristische Ausbildung sehr hilfreich und ich habe keine Angst, den Mund aufzumachen. Zusammen mit den anderen tollen Kollegen im KiTa Elternbeirat Potsdam haben wir daher schon viel erreicht und bekommen dafür tolles Feedback und viel Dankbarkeit. Das motiviert mich, weiter zu machen.

Was ist der Unterschied zum Landeselternbeirat?

Der Landeselternbeirat für Kindertagesbetreuung (LEBK) im Land Brandenburg setzt sich mit dem Landesrecht auseinander und vertritt die Belange der Eltern und Kitakinder dort. Sie stehen im Dialog mit dem Ministerium und werden angehört, wenn es um neue Gesetze oder Gesetzesänderungen geht, die Kitakinder betreffen. Was ich mit meinen Kollegen also auf kommunaler Ebene mache, macht der LEBK mit der Landesregierung. Jeder Kreis-Elternbeirat hat einen Vertreter im LEBK. Die Potsdamer Vertreterin, Catharina Kahl, ist z.B. zeitglich Sprecherin des LEBK und Vorstandsmitglied im Potsdamer Beirat. Auch das alles ehrenamtlich!

Petition für mehr Qualität und Beitragsfreiheit

Was steht aktuell auf eurer Agenda?

Die Bedingungen für Kinder UND Erzieher müssen sich verbessern!

Derzeit haben wir zusammen mit dem LEBK, anderen Kreis-Elternbeiräten und der AWO Bezirksverband Potsdam e.V. eine Petition gestartet. Inzwischen unterstützen uns auch andere Träger und Verbände. In der Petition fordern wir die im September neu gewählte Landesregierung auf, endlich an der prekären Situation im Brandenburger Kita-Dschungel etwas zu ändern. Dabei haben wir vier klare Forderungen, um die Bedingungen für Kinder UND Erzieher zu verbessern.

Die ist zum Beispiel Beitragsfreiheit und die Etablierung eines Bildungsschlüssels statt des bisherigen Betreuungsschlüssels. Auf der Petitionsseite haben wir alles genau erklärt und rufen alle auf, zu unterschreiben – egal ob sie aktuell Kinder in der Betreuung haben oder nicht. Das Thema geht alle etwas an!

In Potsdam warten wir derzeit auf die neue Eltern-Beitragsordnung und versuchen mit den Trägern zusammen, eine Lösung für wohnortnahe Kitas zu finden, zum Beispiel indem sich Kitas bei der Vergabe von Plätzen an bestimmte Kriterien halten. Diese zusammen zu erarbeiten, ist eines der Ziele des Vorstandes dieses Jahr.

Wie kann jeder einzelne mithelfen, die Situation in den Kitas zu verbessern?

Zunächst einmal natürlich mit seiner Unterschrift und der Weiterverbreitung der Petition. Je mehr Unterschriften, umso mehr Aufmerksamkeit werden wir dafür bekommen, wie dringlich das Problem ist.

Außerdem haben wir verschiedene Arbeitsgruppen gegründet, um weitere Themen anzugehen. So beschäftigt sich eine AG mit dem Thema Vergabepraxis von Kitaplätzen, eine mit der Verbesserung der Betreuungsqualität, eine mit der Verkehrssicherheit und auch die Thematik Ernährung in der Kita wird uns nicht so schnell loslassen. Man muss auch nicht Beiratsmitglied sein, um sich in den AGs einzubringen. Bei uns ist jeder willkommen, der aktiv werden möchte!

Liebe Johanna, wir danken dir sehr für dieses Interview und euren Einsatz für uns Eltern, Kinder und Erzieher.

Jetzt Petition unterschreiben: www.worauf-warten-brandenburg.de

Ihr wollt noch mehr über die Petition erfahren? Johanna erklärt es in diesem kurzen Video:

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Wer auf dem Laufenden bleiben möchte, kann dem KiTA Elternbeirat Potsdam auf Facebook folgen.

Fotos: Titelfoto: Gautam Arora via Unsplash. Foto von Johanna: © Holmsohn

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