„Wir bieten eine individuelle Kinderbetreuung!“ – eine Potsdamer Tagesmutter im Interview

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Eine große Sorge vieler Eltern mit Baby ist die Suche nach einem Betreuungsplatz für die Zeit nach der Babypause. Viele denken zunächst an einen Kita-Platz, aber auch sogenannte Tagespflegepersonen können sich liebevoll um eure Kleinen kümmern. Was eine Tagespflege genau ist? Wir haben mit Andrea Britz (44) gesprochen, die selbst seit einigen Jahren Tagesmutter in Potsdam ist. (Anmerkung: Im Folgenden nutzen wir den gängigen umgangssprachlichen Begriff „Tagesmutter“, schließen die Tagesväter hier aber mit ein.)

Tagesmutter ist mein Traumjob!

Liebe Andrea, wie kamst du dazu, Tagesmutter zu werden?

Andrea Britz: Schon als Kind wollte ich gern Erzieherin werden, aber in den 90ern gab es weniger Kinder und viele Kindergärten in Potsdam mussten schließen. So habe ich eine Alternative gefunden und viele Jahre bei der Agentur für Arbeit in Berlin gearbeitet und bin Mutter geworden, meine Kinder sind heute 21, 13 und 10 Jahre alt. Nach dem dritten Kind wollte ich nicht mehr pendeln und habe mir endlich meinen Berufswunsch erfüllt und mich zur Tagesmutter ausbilden lassen.

Wie läuft die Ausbildung ab?

Die Ausbildung umfasst 160 Unterrichtsstunden, die Inhalte werden vom Bundesverband für Kindertagespflege in der sogenannten „Tagespflegeeignungsverordnung“ festgelegt. Am Ende absolviert man ein Praktikum und ein Curriculum und darf sich nach Bestehen „Qualifizierte Kindertagespflegeperson“ nennen. Zunächst darf man dann ein bis drei Kinder betreuen, später fünf. Vor wenigen Jahren habe ich mich dann zur Kleinkindpädagogin im Krippenbereich weitergebildet.

Seid ihr Tagesmütter irgendwie organisiert?

Jede Tagesmutter hat eine Kooperation mit einem Träger, ähnlich wie bei den Kitas. Wir sind aktuell 66 Tagesmütter in Potsdam, die über drei Träger organisiert sind: FidL, Die Kinderwelt und Treffpunkt Fahrland. Die Betreuungsverträge schließt man dann direkt mit der Tagesmutter in Zusammenarbeit mit der Stadt Potsdam ab. Die Berechnung der Gebühren erfolgt über die Stadt, diese sind übrigens die gleichen wie in einer Kita.

Untereinander treffen wir Potsdamer Tagesmütter uns bei Fortbildungen und haben auch eine WhatsApp-Gruppe. Einige teilen sich wie bei mir und meiner Kollegin Steffi auch die Räumlichkeiten.

Wo betreut ihr die Kinder?

Wir arbeiten sehr professionell.

Steffi und ich haben zusammen Räumlichkeiten in der Fachhochschule Potsdam hier in Bornstedt. Wir haben jeweils ein Spielzimmer und ein Schlafzimmer für die Kinder und teilen uns Flur, Bad, Garderobe und Küche. Andere Tagesmütter haben extra Wohnungen oder andere separate Räume angemietet oder betreuen in Räumen bei sich zu Hause. Das ist ganz verschieden, aber immer sehr professionell und wird vom Jugendamt abgenommen. Viele Eltern kommen mit der Vorstellung, wir Tagesmütter sitzen im Wohnzimmer und die Kinder tanzen auf dem Tisch. (lacht)

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Welche Vorurteile begegnen dir noch?

Das Hauptproblem ist, dass viele Eltern die Option „Tagesmutter“ gar nicht kennen, gerade beim ersten Kind. Der Überbegriff ist ja „Tagespflege“ und das wird oft mit Krankenpflege verwechselt. Uns fehlt hier eine Plattform und die Unterstützung und Aufklärung durch den Kita-Tipp der Stadt, denn wir sind eine tolle Alternative zur Kita, gerade für die Allerjüngsten.

Dass Tagesmutter kein Hobby, sondern eine richtige Ausbildung und ein qualifizierter Job ist, habe ich ja schon erläutert. Wir haben den selben Bildungsauftrag wie eine Kita. Dazu sind jedes Jahr fünf Fortbildungen vorgeschrieben, jedes zweite Jahr einen Auffrischungskurs zur Ersten Hilfe am Kind und einen Kurs zum Kinderschutz über das Jugendamt. Wir sind also bestens ausgebildet und haben natürlich auch einen Hygienepass vom Gesundheitsamt. Alle fünf Jahre wird ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis angefordert und das Jugendamt sowie die Fachberatung hospitieren regelmäßig. Bei uns sind die Kinder also in besten Händen.

Viele Eltern glauben, sie müssten bei uns ihrem Kind extra Essen mitschicken. Auch das braucht man nicht zu tun. Viele Tagesmütter kochen selbst, andere bekommen Essen über einen Caterer. Dafür zahlen die Eltern wie in den Kitas eine Pauschale für die Verpflegung an die Stadt.

Uns gibt es auch noch!

Wie finden die Eltern zu euch?

Das ist manchmal gar nicht so einfach. Bei uns hier an der FH gibt es zum Beispiel durch die versteckten Räumlichkeiten keine Laufkundschaft und während wir früher oft auf den Spielplätzen von Eltern mit Baby angesprochen wurden, geht man wegen Corona nun überall auf Abstand. Dem Potsdamer Kita-Tipp sind wir zwar bekannt, aber leider immer noch eine „Randnotiz“, was wir 66 Tagesmütter nicht nachvollziehen können. Es mangelt überall an Kita-Plätzen und die Eltern sind unversorgt, das sollte nicht sein! Uns gibt es auch noch und wir haben freie Kapazitäten! Die Eltern erfahren aber oft nicht von uns. Eine frei zugängliche zentrale Übersicht aller Potsdamer Tagesmütter gibt es leider nicht.

Anmerkung der Redaktion: Das mussten wir natürlich sofort ändern! Ab sofort findet ihr bei uns eine wachsende Liste von Potsdamer Tagesmüttern mit Adressen, Kapazitäten und Kontaktmöglichkeiten. 

Was sind die Vorteile bei einer Betreuung durch eine Tagesmutter?

Wir sind viel dichter dran.

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Foto: Tagesmütter Andrea (rechts) und Steffi (links)

Zunächst einmal ist die Betreuung in kleinen Gruppen viel individueller. Während sich in der Kita verschiedene Erzieher abwechseln, sind wir die ganze Zeit am Kind und haben einen 1:1-Kontakt zu den Eltern. Das heißt, wir nehmen das Kind am Morgen entgegen und die Eltern können uns zum Beispiel von einer schlechten Nacht oder anderen Besonderheiten erzählen. Am Nachmittag können wir den Eltern erzählen, wie der Tag war. In der Kita geht das oft unter, wir sind viel dichter dran. Mit meinen Eltern stehe ich immer im Austausch und kann auch zwischendurch oder am Abend Infos rumschicken von unseren Ausflügen oder Aktivitäten.

Ein sehr großer Vorteil ist auch die geringere Geräuschkulisse und die Reizüberflutung, die eine Kita durch die vielen Kinder mit sich bringt. Das macht die Eingewöhnung viel leichter und die Kinder können in Ruhe ankommen, auch der Mittagsschlaf ist ruhiger. Die Sprachförderung ist bei uns intensiver, denn wir reden ja den ganzen Tag gezielt mit den Kindern. Wir können die Interessen jedes Kindes individuell fördern. Und natürlich füllen auch wir Beobachtungsbögen zur Sprache und Entwicklung aus und gestalten Portfolios für die Kinder.

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Wie funktioniert die Eingewöhnung?

Alle Tagesmütter in Potsdam arbeiten nach dem sogenannten „Berliner Modell“, bei dem das Kind über zwei Wochen zunächst von einem Elternteil begleitet wird und immer längere Zeiträume allein bei uns verbringt, bis es in der Gruppe angekommen ist. Viele Tagesmütter bieten auch vor dem eigentlichen Start wöchentliche Spielgruppen an, bei denen sich die Kinder untereinander kennenlernen können und natürlich auch uns und die Räumlichkeiten.

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Welche Betreuungszeiten bietet ihr?

Das ist ganz unterschiedlich, im Kern meist von 8 bis 15 Uhr, aber teilweise auch von 7 bis 17 Uhr. Das hängt meist davon ab, ob wir selbst noch jüngere Kinder zu Hause haben oder wie weit die Arbeitswege sind. Die Tagesmütter richten sich hier teilweise auch nach den Bedürfnissen der Eltern.

Was ist, wenn die Tagesmutter mal krank ist?

Wird einmal jemand krank, gibt es entweder über den Träger eine alternative Betreuung oder die Eltern müssen sich hier organisieren. Aber das ist bei allen äußerst selten der Fall.

Und wie ist das mit Urlaub?

Ja, auch wir brauchen ab und zu Urlaub! (lacht) Pro Jahr haben wir 30 Arbeitstage Anspruch auf Urlaub, die von den Eltern überbrückt werden müssen – wie bei den Schließzeiten einer Kita auch.

Bis zu welchem Alter können die Kinder bei euch bleiben?

Tagesmütter betreuen Kinder von 0 bis 3 Jahren, danach wechselt es in den Kindergarten. Da es ab diesem Alter in den Kitas einen anderen Betreuungsschlüssel gibt, ist es meist leicht, einen Platz zu finden. Wir bereiten die Kinder schrittweise auf den Kindergarten vor mit Gesprächen, Besuchen oder über Bücher. Sie wachsen da in die Situation rein. Bei mir gibt es zum Beispiel unterschiedliche Betten für die kleinen und die großen Kinder. Die Älteren sind dann ganz stolz darauf, schon „die Großen“ zu sein und wissen, dass es dann in den Kindergarten geht.

… und auch du musst dich dann verabschieden.

Ja und jeder Abschied fällt mir unglaublich schwer. Ich halte mit vielen Familien Kontakt und hebe mir natürlich alle Erinnerungen auf. Oft kommen „die Großen“ auch zu Besuch oder man trifft sich im Park.

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Du hast also deinen Traumjob gefunden?

Auf jeden Fall! Das ist hier für mich wie Urlaub, man ist hier viel draußen und ich mache das total gerne. Die eigentliche Arbeit wartet dann zu Hause mit Haushalt, Garten usw. (lacht) 

Die letzte Frage: Wie kann man sich bei einer Tagesmutter anmelden?

Wir haben freie Plätze!

Man kann sich das ganze Jahr bei uns melden. Wie bei den Kitas werden bei uns vor allem ab Juli/August Plätze frei, wenn dort die Kinder in die Schule gehen und bei uns die Größeren in den Kindergarten wechseln. Aber es gibt auch immer wieder Kinder, die mitten im Jahr umziehen und es wird ein Platz frei.

Wenn interessierte Eltern uns kontaktieren, machen wir einen Termin aus, wo die Mutter oder der Vater mit dem Kind vorbeikommt, sich alles anschaut und wir uns kennenlernen können. Schön ist es, wenn sich Eltern melden, die wirklich eine Tagesmutter wollen und nicht eigentlich einen Kita-Platz suchen und uns nur als Notnagel oder Überbrückung für 2-3 Monate sehen. Das Kennenlernen machen wir im Alltagsablauf und können nicht wie die Kitas in Massen alle zur Besichtigung einladen. Aktuell haben einige Potsdamer Tagesmütter noch freie Plätze und freuen sich über interessierte Eltern!

Liebe Andrea, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Freude mit deinem Job!

Das Prinzip Tagesmutter klingt toll und ihr wollt gern Kontakt aufnehmen? Hier findet ihr eine Liste von Potsdamer Tagesmüttern mit weiteren Informationen!

Ihr habt selbst Lust, als Tagesmutter oder Tagesvater zu arbeiten? Dann lest unser Interview mit den Mitarbeiterinnen der Arbeitsgruppe Kindertagespflege der Landeshauptstadt Potsdam und erfahrt mehr über die Rahmenbedingungen!

Ihr wollt weitere Tipps für Potsdam mit Baby und Kind?

„Wir sind sehr stolz auf die tolle Qualität in der Potsdamer Kindertagespflege!“

Tagesmutter in Potsdam gesucht? Übersicht & Adressen

 

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2 Kommentar(e)

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  1. says: Enna

    Moin zusammen,

    das ist ja ein sehr schöner Artikel, Dankeschön dafür!
    Ich selber bin in der Kindertagespflege tätig und würde mich sehr gern bei euch eintragen, wie kann ich das machen?

    Vielen Dank nochmals!

    Herzlichst,
    Enna